19.12.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 77 / Tagesordnungspunkt 24

Andrea WickleinSPD - Regionale Wirtschaftspolitik

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute beraten wir den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD „Regionale Wirtschaftspolitik – Die richtigen Weichen für die Zukunft stellen“. Kern der regionalen Wirtschaftspolitik ist die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“, GRW, zur Unterstützung strukturschwacher Regionen. Wir, die Koalitionsfraktionen, bekennen uns mit unserem Antrag zu diesem bewährten Förderinstrument.

Die GRW ist eine Erfolgsgeschichte. Allein zwischen 1991 und 2013 wurden mit 45 Milliarden Euro GRW- Mitteln Investitionen der gewerblichen Wirtschaft in Höhe von sage und schreibe 239 Milliarden Euro ausgelöst. Dadurch wurden 1,2 Millionen Arbeitsplätze geschaffen sowie über 2,3 Millionen Arbeitsplätze gesichert.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Diese Bilanz zeigt: Ohne die GRW hätten viele Investitionen nicht stattgefunden, hätten sich viele Regionen in unserem Land nicht so gut entwickeln können. Die GRW ist deshalb ein Stück gelebter Solidarität zwischen dem Bund und den Ländern. Darauf können wir mit Recht stolz sein.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Was viele nicht wissen: Die GRW ist nicht erst nach der deutschen Einheit erfunden worden, um die neuen Bundesländer zu unterstützen. Sie besteht bereits seit 45 Jahren. Sie wurde damals gemeinsam mit anderen Gemeinschaftsaufgaben, zum Beispiel der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ im Grundgesetz verankert. Bereits in den 60er-Jahren ging es nämlich um die Frage, ob und wie Bund und Länder bei wichtigen gesamtstaatlichen Aufgaben zusammenwirken können. Damals waren es Länder wie Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz, die auf Bundeshilfe angewiesen waren.

Damals war die Bund-Länder-Zusammenarbeit übrigens sehr umstritten. 1967 zitierte Der Spiegel Kanzler Kiesinger bei einem Treffen mit den Ministerpräsidenten der Länder zur Reform der Finanzbeziehungen mit folgenden Worten:

Keine Sorge, liebe Kolleginnen und Kollegen,

(Klaus Barthel [SPD]: Nicht noch vor Weihnachten! – Heiterkeit bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

diese Zeiten sind vorbei. Heute sind wir uns in diesem Hohen Hause, glaube ich, alle einig, dass es eine gemeinsame Verantwortung von Bund und Ländern geben muss, dass sie sinnvoll ist, um strukturelle Unterschiede zwischen den Regionen auszugleichen, und dass wir eine solche Gemeinschaftsaufgabe auch zukünftig brauchen. Unser Ziel sind gleichwertige Lebensverhältnisse in unserem Land. Dieses Ziel ist grundgesetzlich verbrieft und ist deshalb eine Verpflichtung für die Politik.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie des Abg. Markus Tressel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wie sieht die Situation in unserem Land heute aus? Der aktuelle Raumordnungsbericht des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung zeigt, dass die Entwicklungsunterschiede im gesamten Bundesgebiet nach wie vor sehr groß sind. Er zeigt die regionalen Disparitäten in Bezug auf Demografie, Wirtschaft, Arbeitsmarkt, Wohlstand und Infrastruktur. So liegt beispielsweise das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf der Bevölkerung im ländlichen Trier oder auch in Mecklenburg-Strelitz bei unter 20 000 Euro. In den Städten Erlangen oder Regensburg beträgt es dagegen mehr als 60 000 Euro. Bei der Arbeitslosigkeit sieht die Spreizung ähnlich aus: In Gelsenkirchen, Bremerhaven und der Uckermark liegt sie bei 14 Prozent, während sie in Donau-Ries, Pfaffenhofen an der Ilm oder Erding gerade einmal 2 Prozent beträgt.

(Zuruf des Abg. Willi Brase [SPD])

– Auch dort, Willi Brase.

In dem Bericht wird deshalb vor einer negativen Abwärtsspirale aus Abwanderung, zurückgehenden Betriebsansiedlungen und zurückgehenden Finanzen in diesen Regionen gewarnt. Genau hier setzt die GRW gezielt an: Sie unterstützt schwächere Regionen im Strukturwandel, verbessert die Standortbedingungen und schafft wettbewerbsfähige Arbeitsplätze.

Ein gelungenes Beispiel ist das frühere Stahlwerkgelände im Dortmunder Stadtteil Hörde: Land und Bund fördern hier den Ausbau zum Technologiestandort Phoenix. Hier entstehen auf über 200 Hektar Entwicklungsfläche Räume für Mikro- und Nanotechnologie, Softwareschmieden, Wohnen und Freizeit im Grünen. Das ist eine Fläche annähernd so groß wie 300 Fußballfelder.

Oder nehmen wir Rostock: In der Hansestadt wurden seit 2007 Investitionen in Höhe von rund 850 Millionen Euro durch die GRW ausgelöst. Dadurch wurden Tausende Arbeitsplätze gesichert oder geschaffen, beispielsweise durch die Ansiedlung des Unternehmens Liebherr, das Schiffs- und Offshorekrane entwickelt und fertigt.

Diese Beispiele zeigen: Die gemeinsame Wirtschaftspolitik von Bund und Ländern zahlt sich aus. Wir wollen deshalb die GRW weiterentwickeln und stärken. Das haben wir im Koalitionsvertrag beschlossen.

Der heute von den Koalitionsfraktionen vorgelegte Antrag verfolgt dieses Ziel und kommt genau zur rechten Zeit. Aktuell laufen die Bund-Länder-Finanzverhandlungen. Dabei muss eines klar sein: Auch ein neuer Länderfinanzausgleich wird die Strukturschwäche von Regionen nicht ausreichend berücksichtigen können. Deshalb ist Kern unseres Antrags, dass wir auch nach 2020 ein Fördersystem für strukturschwache Regionen brauchen. Deshalb müssen wir schon jetzt die Weichen für ein gesamtdeutsches System der regionalen Wirtschaftsförderung stellen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Für den Haushalt 2015 haben wir die Bundesmittel für die GRW auf 600 Millionen Euro aufgestockt. In den kommenden Jahren werden wir diese Mittel weiter erhöhen. Zusammen mit den Ländermitteln wird die GRW dann über 1 Milliarde Euro betragen.

Mit dem beschlossenen Haushalt und unserem Antrag machen wir deutlich, dass sich die Menschen auch zukünftig darauf verlassen können, dass Bund und Länder miteinander daran arbeiten, dass sich die Lebensverhältnisse in Ost und West, in Nord und Süd weiter angleichen und keine Region abgehängt wird.

In diesem Sinne vielen Dank und schöne Weihnachten.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Als nächster Redner spricht Thomas Nord von der Linken.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4296772
Wahlperiode 18
Sitzung 77
Tagesordnungspunkt Regionale Wirtschaftspolitik
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