05.02.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 85 / Tagesordnungspunkt 4

Nina WarkenCDU/CSU - Modernes Einwanderungsrecht

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich nach der bisherigen Debatte etwas Positives, etwas Lobendes über die Grünen und ihren Antrag sagen sollte, dann kann ich das nicht für das tun, was von ihnen bisher dargelegt wurde. Das Einzige, wofür ich ihnen danken kann, ist die Tatsache, dass sie es geschafft haben, bereits so frühzeitig, nämlich schon knapp 36 Stunden vor der von ihnen beantragten Debatte, einen Antragswortlaut vorzulegen. Doch dieses Thema ist zu ernst für Ironie. Aber schon der Umstand zeitlicher Hektik weist darauf hin, dass wir hier über einen unausgegorenen Schnellschuss debattieren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Macht die Union nie?)

Meine Bitte an Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen: Formulieren Sie das nächste Mal bitte einen Antrag, der etwas weniger vage ist, der Farbe bekennt, der seriös und solide ist.

(Beifall der Abg. Andrea Lindholz [CDU/CSU])

Allerdings ahne ich durchaus, warum Sie so vage geblieben sind: Bei dem von Ihnen vorgeschlagenen Kriteriensystem handelt es sich nämlich um eine Parallele zum kanadischen Modell, und das wird auch von Politikern, die alles andere als links stehen, als Modell für Deutschland vorgeschlagen. Diese Tatsache, liebe Grüne, wollen Sie natürlich lieber verschweigen.

Sie möchten also ein Kriteriensystem. Wer genügend Kriterien für Sprachkenntnisse, berufliche Qualifikation und weitere Anforderungen erfüllt, soll ohne ein verbindliches Jobangebot ein Aufenthaltsrecht in Deutschland bekommen. Mehr als diese blumigen Schlagworte konnten Sie jedoch nicht liefern.

Nun sage ich Ihnen, warum unser Land Ihr Modell nicht braucht: Deutschland ist bei der Fachkräftezuwanderung sehr gut aufgestellt. Das geht nicht nur aus den Zahlen des neuesten Migrationsberichts hervor, sondern das zeigt sich auch ganz konkret in der Praxis vor Ort. Zwei Beispiele aus meiner Heimat möchte ich nennen:

Dort wurde im Sommer vergangenen Jahres durch das Landratsamt eine Beratungsstelle für ausländische Fachkräfte und interessierte Unternehmen eingerichtet, durch die inzwischen zahlreiche Fachkräfte aus den verschiedensten Nationen beraten und erfolgreich an Firmen vor Ort vermittelt werden konnten.

Eine andere Kommune in meiner Heimat plant derzeit ein Aus- und Weiterbildungszentrum insbesondere für ausländische Facharbeiter.

(Rüdiger Veit [SPD]: Sehr gut!)

Das sind nur zwei Beispiele dafür, dass die Fachkräftezuwanderung mit den bestehenden Regelungen vor Ort gut funktioniert, wenn wir Unternehmen und Fachkräfte aktiv darüber informieren und wenn wir dafür werben.

Auch wenn Sie, liebe Grüne, den Begriff „Kanada“ nicht aussprechen wollen, so erlaube ich mir, die von Ihnen indirekt übernommenen Elemente des kanadischen Modells mit Blick auf Deutschland zu betrachten.

Eins gleich vorweg: Wer Deutschland mit Kanada vergleicht, kann genauso gut Äpfel mit Birnen vergleichen. Zum Beispiel hat Kanada kein so umfangreiches Sozialsystem wie Deutschland, das für jeden Zuwanderer aufkommen müsste, der keinen Arbeitsplatz findet. Bei uns ist deshalb die Arbeitszuwanderung aus gutem Grund an ein verbindliches Jobangebot gebunden. In Kanada gibt es, anders als bei uns, kein Grundrecht auf Asyl, das jedem, der einreist und schutzbedürftig ist, ein Aufenthaltsrecht garantiert.

Diese unterschiedliche Asylpraxis spielt gerade mit Blick auf die gestiegene Flüchtlingszahl auch in der Zuwanderungsfrage eine große Rolle; denn häufig bleiben viele der Flüchtlinge dauerhaft bei uns und müssen in den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft integriert werden, und das machen wir in Deutschland wirklich gut. Als Koalition haben wir allein im vergangenen Jahr gleich mehrere Verbesserungen für Asylbewerber und Flüchtlinge, aber auch zur Entlastung unserer Kommunen verabschiedet. Kanada ist dagegen in Asylfragen sehr viel restriktiver. Obwohl es dort nur einen Bruchteil der in Deutschland gestellten Asylanträge gibt, wurde 2014 jeder zweite Antrag abgelehnt.

(Rüdiger Veit [SPD]: 17 000!)

Weiter wird immer wieder behauptet, ein Punktesystem bei der Einwanderung – Sie bezeichnen das in Ihrem Antrag als „Kriterien-gesteuertes Einwanderungsmodell“ – sei moderner, liberaler und verständlicher als unsere bestehenden Zuwanderungsregeln. Seltsamerweise zählt aber gerade Deutschland seit 2013 laut OECD zu den Ländern mit den günstigsten Zuwanderungsregelungen für Fachkräfte weltweit. Mir erscheint daher die harsche Kritik, die derzeit an unserem Einwanderungsgesetz geübt wird, vollkommen überzogen. Im Gegenteil: Unser System ist das modernere, das bedarfsgerechtere und das liberalere.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die meisten unserer Zuwanderungsregeln für ausländische Fachkräfte haben – im Gegensatz zu Ländern mit Kriteriensystem, wo zumeist pro Jahr immer nur eine begrenzte Anzahl an Visa für bestimmte Mangelberufe vergeben wird – nach oben keine zahlenmäßige Beschränkung. Das gilt sowohl für die Blaue Karte EU, für die man nur einen Hochschulabschluss und ein verbindliches Jobangebot vorweisen muss, als auch für ausländische Fachkräfte mit Berufsabschlüssen, die auf der Liste der 70 Mangelberufe stehen.

Hinzu kommt das Visum zur Arbeitsplatzsuche, mit dem man sechs Monate lang vor Ort nach einem geeigneten Arbeitsplatz suchen kann.

Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Volker Beck?

Der Kollege hatte, glaube ich, heute schon genug Redezeit. Deswegen würde ich lieber in meiner Rede fortfahren.

(Beifall bei der CDU/CSU – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie viele kommen zur Arbeitsplatzsuche? Wissen Sie das?)

Liberaler als mit einem solchen Visum kann in meinen Augen ein Zuwanderungssystem kaum sein. Denn wer trotz ernsthafter Suche nach sechs Monaten in Deutschland immer noch keinen Arbeitsplatz gefunden hat, dem wird dies auch später nicht gelingen.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Sie machen den Betroffenen richtig Mut!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie sehen, insgesamt wäre ein Kriteriensystem im Vergleich zu unserem aktuellen Einwanderungsrecht ein klarer Rückschritt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Nebenbei bemerkt hat sich auch das in diesem Zusammenhang vielgepriesene Kanada bereits vom klassischen Punktesystem verabschiedet. Denn viele Einwanderer, die darüber nach Kanada kamen, haben den Einstieg in den Arbeitsmarkt nur weit unter ihrem Qualifikationsniveau geschafft. Deshalb ist mittlerweile auch dort wie in Deutschland für immer mehr Berufe ein verbindliches Jobangebot notwendig.

Auch die übrigen Forderungen Ihres Antrags, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, sind völlig überflüssig. Denn wir haben beim Thema Familiennachzug, beim Staatsangehörigkeitsrecht, beim Arbeitsmarktzugang für Asylbewerber und Flüchtlinge und auch beim Ausbau der Integrationskurse bereits gut funktionierende Lösungen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt also genug Gründe, weshalb wir in Deutschland an dem im Koalitionsvertrag vereinbarten Grundsatz der bedarfsgerechten Zuwanderung festhalten sollten. Konkret heißt das: Wir wollen Menschen nach Deutschland holen, die unsere Wirtschaft auch braucht. Was wir nicht wollen, ist eine Zuwanderung auf Vorrat und in unser Sozialsystem.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, ich finde es gut, dass der Kollege Tauber eine Debatte darüber angestoßen hat, wie Zuwanderung nach Deutschland in Zukunft aussehen soll.

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist er?)

Sie können versichert sein, dass wir ihn heute nicht bewusst ausgesperrt haben.

(Rüdiger Veit [SPD]: Er ist wahrscheinlich abgewandert! – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dass Sie das sagen müssen, lässt tief blicken!)

Denn gerade in Zeiten der Globalisierung und eines schnellen gesellschaftlichen Wandels, der viele Unsicherheiten mit sich bringt, erwarten die Bürgerinnen und Bürger, dass wir uns mit dieser Frage beschäftigen. Wir werden in der Union und auch als Koalition diese Debatte ernsthaft führen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das heißt nicht, dass wir hierüber einen Streit führen, sondern wir diskutieren, und das ist in einer Demokratie ja auch möglich.

(Beifall bei der CDU/CSU)

So möchte ich mit den Worten des vor wenigen Tagen verstorbenen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker schließen, der bereits 1994 in der damaligen Zuwanderungsdebatte gesagt hat – ich zitiere –:

Meine Damen und Herren, mit den zahlreichen Reformen im Einwanderungsrecht der vergangenen Jahre haben wir Zuwanderungsregelungen ganz im Sinne von Richard von Weizsäcker geschaffen. Wir sind bereit, über weitere sinnvolle und pragmatische Vorschläge zu diskutieren. Der vorliegende Antrag der Grünen beinhaltet solche Vorschläge jedoch nicht. Daher lehnen wir ihn ab.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4548069
Wahlperiode 18
Sitzung 85
Tagesordnungspunkt Modernes Einwanderungsrecht
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