05.02.2015 | Deutscher Bundestag / 18. EP / Session 85 / Tagesordnungspunkt 11

André BergheggerCDU/CSU - Entschädigung für sowjetische Kriegsgefangene

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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die Debatte zu diesem Thema führen wir in diesem Haus in unregelmäßiger Regelmäßigkeit, und das ist auch richtig so.

Bei der Vorbereitung auf diese Debatte habe ich gemerkt, wie schwierig es insgesamt ist, dieses Thema in Worte zu fassen. Wir spüren auch bei dieser Debatte, welche Emotionen mit diesem Thema verbunden sind.

Unser früherer Bundespräsident Richard von Weizsäcker hat in seiner berühmten Rede zum 40. Jahrestag der Beendigung des Krieges in Europa und der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft gesagt:

Ich denke, dass in der Aufarbeitung und Verarbeitung dieses dunklen Kapitels unserer Geschichte bisher sehr viel geschehen ist.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das im Zweiten Weltkrieg begangene Unrecht können wir nicht in Worte fassen. Es übersteigt unsere Vorstellungskraft; insbesondere die Verbrechen, die in deutschem Namen begangen worden sind. Die menschenunwürdige Behandlung von Kriegsgefangenen war dabei nur eine von zahllosen Menschenrechtsverletzungen, die sich die Kriegsgegner gegenseitig zugefügt haben.

Im Bewusstsein ihrer Verantwortung haben sich bisher alle Bundesregierungen nach Kräften für Wiedergutmachung und Versöhnung eingesetzt. Deutschland ist dabei immer bemüht gewesen, keine einseitigen Lösungen zu schaffen, sondern sich immer im Dialog mit den betroffenen Staaten zu bewegen. Das gilt auch für die Anerkennung des Unrechtes, das Kriegsgefangene erlitten haben.

Es ist vorhin schon erwähnt worden, aber ich möchte es gerne noch einmal ausführen: Nach allgemeinem Völkerrecht wird ein Ausgleich für Kriegsgefangenschaft ausschließlich durch Reparationsvereinbarungen zwischen den betroffenen Staaten geregelt. Das gilt weltweit ohne Abstufung nach der Behandlung der Gefangenen. Es erfolgten umfangreichere Reparationsentnahmen aus der sowjetischen Besatzungszone. 1953 hat die ehemalige Sowjetunion in einer Regierungserklärung ausdrücklich auf weitere Reparationszahlungen gegenüber Deutschland verzichtet. Dieser Verzicht gilt natürlich auch für die völkerrechtlichen Rechtsnachfolger. Keiner dieser Staaten hat bis heute weitere Ansprüche gegen die Bundesrepublik Deutschland gestellt.

Der abschließende Charakter wurde noch einmal im Zwei-plus-Vier-Vertrag 1990 bestätigt. Alle Beteiligten haben zugestimmt, dass es keine weiteren vertraglichen Regelungen über rechtliche Fragen bezüglich des Zweiten Weltkrieges geben wird, einschließlich der Reparationsfrage. Die Bundesrepublik Deutschland hat jedoch freiwillig erhebliche Beträge als humanitäre Geste zur Wiedergutmachung des nationalsozialistischen Unrechts geleistet.

An dieser Stelle komme auf meine Vorredner zurück: Für ehemalige sowjetische Bürger, welche nach der Verfolgung schwere Gesundheitsschäden erlitten hatten und sich in einer wirtschaftlich schweren Lage befunden haben, wurden Beiträge geleistet. In Kooperation mit Weißrussland, Russland und der Ukraine wurden 1993 Stiftungen in Minsk, Moskau und Kiew gegründet. Diese wurden mit 1 Milliarde D-Mark ausgestattet. Die Verteilung der Gelder erfolgte ausschließlich durch die Stiftungen bzw. die Regierungen vor Ort.

Im Jahre 2000 wurde die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ von der Bundesregierung und der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft ins Leben gerufen. Durch sie wurden ehemalige Zwangsarbeiter des NS-Regimes entschädigt. Die Stiftung wurde mit 10 Milliarden D-Mark ausgestattet. Das bisherige Rechtsverständnis wurde auch hier bestätigt. Es war Konsens zwischen allen Beteiligten, Rechtsfolgen aus der Kriegsgefangenschaft grundsätzlich auszuschließen; Ausnahme: Kriegsgefangene, die in Konzentrationslagern waren.

Nach Beendigung des Auszahlungsprogramms dieser Stiftung wurden Restmittel in Höhe von 40 Millionen Euro für weitere humanitäre Maßnahmen zugunsten von NS-Opfern im weitesten Sinne bereitgestellt. Diese Programme standen auch ehemaligen sowjetischen Kriegsgefangenen offen. Die Partnerorganisationen in Weißrussland, Russland und der Ukraine haben diese Möglichkeit unterschiedlich genutzt.

Fest steht: Das den Betroffenen zugefügte Leid kann niemals durch finanzielle Leistungen geheilt werden. Fest steht aber auch, dass die Bundesrepublik Deutschland sämtliche völkerrechtliche Vorgaben eingehalten hat. Die Beispiele zeigen, dass über viele Jahrzehnte umfangreiche Zahlungen geleistet wurden. In den meisten Fällen waren es die Staaten in der Rechtsnachfolge der Sowjetunion, die diese Zahlungen angemessen verteilt haben. Deshalb müssen wir die hier vorliegenden Anträge leider ablehnen.

Schließen möchte ich mit folgendem Gedanken: Die Jüngeren trifft keine Schuld an den Verbrechen während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft im Sinne einer persönlichen Vorwerfbarkeit, aber wir alle haben die Verantwortung dafür, dass so etwas nie wieder geschieht, nirgendwo.

Vielen Dank fürs freundliche Zuhören.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Der Kollege Volker Beck hat um eine Kurzintervention gebeten. Dazu erteile ich ihm das Wort.

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Electoral Period 18
Session 85
Agenda Item Entschädigung für sowjetische Kriegsgefangene
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