Thomas de MaizièreCDU/CSU - 13. Sportbericht der Bundesregierung
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Anlass für die heutige Debatte ist die Vorlage des 13. Sportberichts der Bundesregierung; er liegt Ihnen vor. Er zeichnet ein umfassendes Bild der Sportförderpolitik des Jahres 2013 und nimmt auch noch die Ergebnisse der Olympischen Winterspiele von Sotschi 2014 in den Blick. Das waren solide sportliche Erfolge auf der Basis einer soliden Finanzierung.
Die Arbeit für den Sport ist auch ein Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt. Sport verbindet und schafft gemeinsame Ergebnisse. Richard von Weizsäcker, an den wir in diesen Tagen denken und der bis weit in die 1980er-Jahre hinein immer noch das Sportabzeichen abgelegt hat, hat einmal gesagt:
Sport ist ein Imageträger für unser Land. Deutschland ist eine in der Welt hochangesehene Nation, auch wegen seiner Spitzenleistungen im Sport – und nicht nur im Fußball. Im Spitzensport muss der Platz auf dem Podest aber immer wieder neu verteidigt werden. Die Bilanz der Olympischen Winterspiele in Sotschi war, wenn wir ehrlich sind, letztlich enttäuschend. Am Ende von Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften werden nun einmal Medaillen gezählt, und Spitzensportförderung aus dem Bundeshaushalt ist Spitzen-Sportförderung.
Der Vorstandschef der Stiftung Deutsche Sporthilfe, Michael Ilgner, hat jüngst einmal gesagt: Der deutsche Leistungssport kommt nicht mehr durch den TÜV. – Eine harte Analyse.
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und richtige!)
Die Olympiaanalysen von DOSB und IAT zeigen, dass wir Gefahr laufen, den Anschluss an die absolute Weltspitze zu verlieren. Ich habe es schon bei der Mitgliederversammlung des DOSB gesagt: Wir stehen am Scheideweg. Entweder wir gehen allmählich immer mehr ins Mittelmaß, mit sinkender Tendenz, überdeckt durch einige herausragende Einzelsportler, oder wir finden den Weg zurück in die Spitzengruppe der großen Nationen der Welt, wo wir als Spitzensportnation hingehören.
Ich habe mit dem Präsidenten des DOSB vereinbart – der DOSB hat das so beschlossen –, die Strukturen der Spitzensportförderung auf den Prüfstand zu stellen und, wo nötig, neue Wege zu beschreiten. Bis zu den Olympischen Spielen in Rio 2016 soll ein Konzept stehen. Im März beginnen wir mit der ersten Arbeit des sogenannten Lenkungsausschusses. Diesem Lenkungsausschuss sitzen Herr Hörmann und ich persönlich vor. Wir wollen die Sache jetzt in Angriff nehmen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Was wir auf internationaler Ebene erleben, ist eine zunehmende Fokussierung vieler Nationen auf wenige Disziplinen und ihre Stärken. Dazu hat es schon eine Anhörung im Sportausschuss gegeben. Wir wollen nicht das holländische Modell nachahmen, wo man sozusagen ganz viele Medaillen mit einer Disziplin erreicht, nämlich dort mit Eisschnelllauf. Wir wollen auch nicht London 2012 kopieren. Wir haben unsere eigene Sporttradition. Die ist stark von Vielfalt geprägt. „ Ohne Breite keine Spitze“, das ist die griffige Formel; das ist auch richtig.
Dennoch wird darüber zu diskutieren sein: Was bedeutet denn „Breite“ genau in einem System Spitzensport? „ Breite“ kann nicht bedeuten, alles gleichmäßig zu fördern und alles zu machen. Dieser Weg wird Deutschland nicht an den Platz zurückführen, an den es als Sportnation gehört.
Vieles wird zu analysieren sein: Welche Verbände sind besonders erfolgreich, welche weniger, und warum ist das so? Eine solche Analyse wird schmerzhaft sein, aber sie ist unumgänglich. Wie sieht es mit den Rahmenbedingungen – Trainer, Übergabe von Nachwuchstrainern an Spitzentrainer, Stützpunkte, Nachwuchsarbeit – aus? Wie sieht es mit der sportwissenschaftlichen Unterstützung aus? Ist das vernünftig? Wie arbeiten Köln und Leipzig zusammen? Ist es wirklich schon richtig gut? Wie ist die Rolle von IAT und FIS?
Wir wollen uns Zeit lassen für die Analyse. Unser Blick geht über Rio 2016 hinaus. Unser Zeitplan für die Umsetzung zielt auf die Jahre 2024/28, nicht nur wegen der Olympiabewerbung, auf die ich gleich komme, sondern auch wegen der Auswirkungen von Ergebnissen einer Neustrukturierung der Spitzensportförderung; das geht eben nicht über Nacht, sondern dauert 5, 10, 15 Jahre.
Deswegen hängt die Strukturveränderung in der Förderung des Spitzensports, die wir gemeinsam mit dem DOSB betreiben wollen, eng mit der Olympiabewerbung zusammen. Jedes Gastgeberland will zeigen, was es kann; das liegt in der Natur der Sache. Es geht bei der Neustrukturierung also auch darum, uns für unsere Gastgeberrolle optimal aufzustellen.
Der 13. Sportbericht, den wir heute diskutieren, führt uns noch einmal die gescheiterte Olympiabewerbung München 2018 und München 2022 vor Augen. Vor allem die eindeutigen Bürgervoten im November 2013 gegen eine Bewerbung waren enttäuschend. Sie sind auszuwerten. Es ist zu klären, warum das so war.
Es ist daher richtig, dass der DOSB gemeinsam mit Hamburg und Berlin frühzeitig entschieden hat: Ohne eine deutliche und frühe Zustimmung der Bürgerinnen und Bürger wird es ein zukünftiges Projekt Olympia in Deutschland nicht geben können.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Deshalb muss es darum gehen, die Bevölkerung in der jeweiligen Bewerberstadt, aber auch darüber hinaus zu begeistern. Jeder und jede sollte sich bewusst machen: Die Chance, Olympische Spiele in der eigenen Stadt oder im eigenen Land zu haben, hat man vielleicht nur einmal im Leben oder jedenfalls nicht häufig; sie kommt so schnell nicht wieder.
Ich glaube, Olympische Spiele sind eine einmalige Möglichkeit und Chance, der Welt unser Land so zu präsentieren, wie wir sein wollen: fröhlich, leistungsorientiert, patriotisch und weltoffen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Wo sonst finden Menschen aller Altersgruppen, Nationen, Schichten, Religionen so zusammen? Wo sonst gibt es Ereignisse, bei denen ein solches Wir-Gefühl erlebbar wird? Jeder weiß noch, wie es war, als wir im Sommer 2006 Gastgeber waren, wie stolz wir als Gastgeber waren, wie viel Freude, Mut und Zuversicht wir aus diesen Wochen gewonnen haben – sogar ohne Weltmeister zu werden.
Es geht deshalb bei der Entscheidung, die in den nächsten Wochen – im März – ansteht, nicht in erster Linie um Berlin oder Hamburg, sondern es geht um eine deutsche Bewerbung, auch wenn am Ende nur eine Stadt den Zuschlag bekommt.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Die Bundesregierung unterstützt den Weg einer Olympiabewerbung für Deutschland mit ganzer Kraft.
Ein weiterer Punkt. Unsere Position sollte sich nicht darin erschöpfen – das können wir Deutschen besonders gut –, das IOC und andere für die Vergabeverfahren der Vergangenheit zu kritisieren, die Gastgeberstädte zu kritisieren oder auf unhaltbare Zustände in einzelnen Austragungsorten hinzuweisen. Das kann man alles machen. Besser wäre es, wir machten es besser und zeigten, wie es anders geht in einer Demokratie. Selbst antreten und besser machen: Das ist die Devise.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Die guten Konzepte von Hamburg und Berlin sind dafür geeignet.
Abkehr vom Gigantismus. Dieser Ansatz hat sich – darauf hat Hans-Jochen Vogel vor einiger Zeit hingewie- sen – auch in München 1972 bewährt und war Teil des Konzepts. Deshalb passen die Konzepte von Hamburg und Berlin auch gut in die IOC-Reformen, die unter Führung des deutschen Präsidenten dort in Gang gesetzt worden sind.
Wir brauchen womöglich einen langen Atem. Sie wissen, was ich meine: Nicht jede Bewerbung gelingt beim ersten Mal. Es gibt eine starke Konkurrenz. Aber das ist dann so.
Auch die Reise der deutschen Fußballnationalmannschaft zum WM-Titel 2014 begann nicht erst im Trainingslager in Südtirol 2014. Der Anfang dieser Erfolgsgeschichte ist sogar noch vor dem Sommermärchen 2006 zu suchen. Joachim Löw hat in seiner Rede anlässlich der Auszeichnung mit dem Deutschen Medienpreis sehr eindrucksvoll beschrieben, welch langer strategischer Weg vom DFB eingeschlagen worden ist, um schließlich viele, viele Jahre später einen solch großen Erfolg zu landen. Das war ein langer, auch hürdenreicher Weg mit viel Kritik, sogar mit Personalwechsel, wie wir wissen. Aber die Strukturen blieben gleich. Die Zielrichtung, eine Vorstellung davon, wie der deutsche Fußball der Zukunft aussehen sollte, stand am Anfang.
Deswegen ist für den Sport außerhalb des Fußballs jetzt die Zeit für einen solchen Anfang und auch Zeit, sich zu fragen: Wo wollen wir 2024, 2028 sein? Welche Schritte brauchen wir bis dahin, und wie gehen wir das strategisch an? So sollten wir also in Sachen Olympia mit Mut und Zuversicht am Startblock stehen. Wir wissen nicht, wie das IOC 2017 entscheiden wird, aber wir sollten uns gut darauf vorbereiten.
Was wir also brauchen, ist nicht eine Bewerbung nur von Hamburg oder Berlin und nicht nur eine Bewerbung des DOSB, sondern wir brauchen eine Bewerbung des gesamten Sports, einschließlich des Breitensports. Wir brauchen eine Bewerbung und die Begeisterung ganz Deutschlands. Möglichst alle sollten sagen: Ja, wir wollen die Spiele. Wir sind stolz darauf, sie zu bekommen, und wir freuen uns darauf, wieder Gastgeber sein zu dürfen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und jetzt zurück zum Sportbericht der Bundesregierung!)
Dann gibt es noch etwas anderes. Wir haben ja nun nicht so ganz viele großartige Erfolge mit der Organisation von Großprojekten. Hier liegt eine Chance, nicht nur der Welt, sondern auch uns selber zu beweisen, dass wir imstande sind, ein solches Großprojekt fristgerecht, termingerecht, rechtsstaatlich, mit Bürgerunterstützung und vernünftig – mit nachhaltiger Nutzung – hinzubekommen. Das wäre ein Erziehungsprojekt weit über Olympia hinaus, auch nach innen; das fände ich gut.
Meine Damen und Herren, wenn ich in die Reihen hier schaue, sehe ich viele, die dem Sport mit Begeisterung verbunden sind. Das ist gut so, reicht aber nicht aus. Deswegen müssen wir ab heute und insbesondere in den Tagen nach der Entscheidung des DOSB nicht nur in diesem Haus, sondern überall eine Welle der Begeisterung auslösen, die lange anhält. Das ist schwer. Es ist jedenfalls Zeit, dass wir Deutschland mit seinem Spitzensport wieder gemeinsam in die Spitzengruppe der Welt führen und dass wir es schaffen, die Olympischen Sommerspiele im nächsten Jahrzehnt nach Deutschland zu holen. Daran sollten wir arbeiten.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abgeordneten André Hahn, Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4554513 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 86 |
Tagesordnungspunkt | 13. Sportbericht der Bundesregierung |