Bernd WestphalSPD - Konversion der Rüstungsindustrie in zivile Wirtschaft
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie schön wäre es, wenn man auf der Welt Frieden ohne Waffen schaffen könnte. Die Realität sieht leider oft anders aus. Das ignorieren Sie von der Linken leider in Ihrem Antrag.
(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Wir glauben an Veränderung!)
Die Welt ist eben nicht so, wie wir sie uns wünschen. Das zeigt die Lage in den Krisenregionen der Welt, aktuell in der Ukraine, das zeigen aber auch die barbarischen Zustände im Nordirak und anderswo in der Welt. Es gibt weltweit einen Bedarf an Waffen, um sich zu schützen. Deshalb werden Waffen produziert und auch exportiert. In Deutschland benötigen wir Waffen für die Bundeswehr zur Landesverteidigung, aber auch für die Polizei und die Sicherheitswirtschaft
(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Landesverteidigung?)
und darüber hinaus zur Wahrnehmung unserer internationalen Verantwortung in den Bündnissen, deren Verpflichtungen wir nachkommen müssen. Deshalb brauchen wir Rüstungsgüter, die die Länder vor Ort besitzen und die in den Regionen zur Absicherung und Abschreckung angewendet werden können.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Sie fordern in Ihrem Antrag „Konversion der Rüstungsindustrie in zivile Wirtschaftsbereiche“. Das ist – das sage ich Ihnen – erst einmal ausschließlich Sache der Unternehmen. Diese müssen entscheiden, für welche Produkte sie Produktionslinien aufbauen und welche Technologien sie anreizen.
(Zuruf von der LINKEN)
2010 hat das Bundeswirtschaftsministerium ein industriepolitisches Konzept beschlossen, welches zur Stärkung der zivilen Sicherheitswirtschaft in Deutschland beiträgt. Dieses Konzept wird von zahlreichen Unternehmen der Branche auch genutzt. Es sichert nämlich ein zweites Standbein außerhalb der Wehrtechnik.
Derzeit erarbeitet das Wirtschaftsministerium gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt und dem Bundesverteidigungsministerium ein Strategiepapier zur Stärkung der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie in Deutschland. Ein wichtiger Aspekt dabei ist, Unternehmen der Sicherheits- und Verteidigungsbranche den Einstieg in den Bereich der zivilen Sicherheitstechnologien oder deren Weiterentwicklung zu ermöglichen.
(Beifall bei der SPD)
Das Ministerium hat in diesem Jahr auch ein auf zwei Jahre angelegtes Innovationsförderprogramm im Umfang von 7,5 Millionen Euro pro Jahr gestartet. Es soll Unternehmen ebenfalls den Umstieg auf die Herstellung von zivilen Gütern erleichtern.
Die weltweite Bedeutung der Märkte für zivile Sicherheitstechnologie ist in den letzten Jahrzehnten enorm gewachsen. Zahlreiche Unternehmen aus Deutschland, auch aus dem Bereich der Verteidigungsindustrie, nehmen weltweit eben wegen ihrer technologischen Entwicklungen einen Spitzenplatz ein. Diese auf Abwehr und Schutz ausgerichtete Technologie ist weltweit nachgefragt.
Sie fordern weiter die Umwidmung militärischer Liegenschaften. Im Koalitionsvertrag wurde eine verbilligte Abgabe von ehemals militärisch genutzten Grundstücken vereinbart. Die Abgabe soll „mit Rücksicht auf die vielen am Gemeinwohl orientierten Vorhaben der Kommunen, wie der Schaffung bezahlbaren Wohnraums und einer lebendigen Stadt, … realisiert“ werden. Für die nächsten vier Jahre stehen dafür 100 Millionen Euro zur Verfügung. Der Bund unterstützt die Länder auch bereits in erheblichem Umfang im Rahmen der Mittelansätze bestehender Förderprogramme. Ebenso räumt der Bund den von Konversion betroffenen Gebietskörperschaften auch den Erstzugriff auf diese Liegenschaften ein.
In meinem Wahlkreis waren einmal fünf Kasernen. Diese sind umgewidmet worden. Heute befinden sich an deren Stelle Gewerbebereiche, in denen sich Handwerk ansiedelt, kulturelle Nachnutzungen, aber auch in erheblichem Maße Naturschutzflächen. Das zeigt, dass wir nicht bei null anfangen, sondern schon Erhebliches geschafft haben. In den letzten 25 Jahren ist viel passiert. Vor diesem Hintergrund ist Ihr Antrag etwas eigentümlich formuliert.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Nun zu den Arbeitsplätzen: Unser Wirtschaftsminister hat im September vergangenen Jahres einen ersten Branchendialog mit den Unternehmen der Sicherheits- und Verteidigungswirtschaft aufgenommen. Auch IG Metall und Betriebsräte sind selbstverständlich eingebunden. Der Dialog hat zum Ziel, Maßnahmen zur Stärkung der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie in Deutschland gemäß den Festlegungen im Koalitionsvertrag zu diskutieren. Auch das Thema Diversifizierung wurde erörtert. Im März findet ein weiterer Dialog zu diesem Thema statt. Wie man sieht, ist dieser intensive Dialog für Sozialdemokraten selbstverständlich und bedarf nicht erst des Impulses oder eines Antrages der Linken.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Deutschland verfolgt nicht das Ziel eines offensiven Verkaufs von Wehrtechnik. Genau das sind die Grundsätze von 2000, die auch heute noch das Regierungshandeln bestimmen. Sie sind restriktiv. Rüstungs- und Verteidigungsgüter werden nur zurückhaltend eingesetzt. Sie werden eben nicht eingesetzt, um Konflikte weltweit zu erzeugen oder weiter anzuheizen, sondern sie dienen dem Frieden und der Durchsetzung von Menschenrechten. Sie dienen der Sicherheit von Regionen. Sie dienen dem berechtigten Schutz von Menschen, und vor allen Dingen helfen sie – das ist wichtig –, geschützte Räume für den Einsatz von Hilfskräften zu garantieren.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Die Linke fordert in ihrem Antrag eine Zwangskonversion aller Rüstungsbetriebe. Das werden wir ablehnen. Für die SPD geht es schwerpunktmäßig um Konversionsprogramme für Betriebe, die sich aufgrund fehlender Nachfrage oder aus anderen Gründen verändern wollen. Die Forderungen der Linken zeigen, dass Sie die außen- und sicherheitspolitischen sowie die industrie- und europapolitischen Realitäten nicht zur Kenntnisnehmen. Die Fokussierung auf die Abschaffung und die teilweise Diffamierung der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie durch die Linken ist der falsche Weg. Sie verstellt den Blick auf das Engagement unseres Landes für Frieden in der Welt.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Unterstrichen wird dies vor allen Dingen durch den Fokus unseres außen- und sicherheitspolitischen Handelns: Erst wenn alle vorgeschalteten Maßnahmen ausgeschöpft sind, ist der Einsatz militärischer Mittel möglich. Der Außenminister hat ja heute Morgen sehr eindrücklich hier im Haus vorgestellt, welche Friedensinitiativen und präventiven Maßnahmen eingeleitet werden. Das muss man honorieren. Das darf man nicht einseitig betrachten. Kurt Schumacher hat einmal gesagt: Nichts ist lehrreicher als die Wirklichkeit. – Diese Erkenntnis wünsche ich Ihnen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Das Wort hat der Kollege Ingbert Liebing für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4554845 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 86 |
Tagesordnungspunkt | Konversion der Rüstungsindustrie in zivile Wirtschaft |