Oliver KrischerDIE GRÜNEN - Rekommunalisierung der Energienetze
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Bareiß – ich spreche auch Herrn Koeppen an, der zu diesem Antrag in der ersten Runde gesprochen hat –, ich finde es, ehrlich gesagt, eine Frechheit, dass Sie sich hierhinstellen und den kommunalen Entscheidungsträgern, Bürgermeistern aller Parteien Belehrungen erteilen, wie sie ihre verfassungsgemäße Verantwortung beim Betrieb der Verteilnetze auszuüben haben und was sie tun und lassen sollen. Das sollten Sie den gewählten Vertretern in den Kommunen überlassen. Das ist deren Aufgabe. Es ist nicht Ihre Aufgabe, sich hier an das Pult zu stellen und zu sagen, was für Kommunen richtig und falsch ist. Das ist deren Job. Machen Sie bitte schön Ihre Hausaufgaben.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Meine Damen und Herren, ich gebe offen zu: Ich habe mit der Kollegin Haßelmann die Berufung von Frau Reiche als Geschäftsführerin des Verbandes der kommunalen Unternehmen kritisiert. Ich habe mir dazu manchen bösen Kommentar aus der Szene der Stadtwerke eingehandelt.
(Zuruf von der CDU/CSU: Zu Recht!)
Aber wenn diese Berufung bei Ihnen am Ende zu etwas mehr energiepolitischem Sachverstand führt, was kommunale Stadtwerke angeht, dann mache ich mit dieser Berufung meinen Frieden, dann wäre es das wert gewesen; denn die Union irrlichtert bei dieser Frage ganz immens. Das muss ich Ihnen, Herr Bareiß, schon sagen; Sie haben es mit Ihrer Rede wieder deutlich gemacht.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir Grüne finden, dass eine Kommune selbst frei entscheiden soll, ob sie das örtliche Gasnetz alleine betreiben will oder ob sie einen Privaten damit beauftragen will.
(Thomas Bareiß [CDU/CSU]: Es gibt doch europarechtliche Vorschriften!)
– Das ist die Grundlage dessen. Es gibt eigentlich nur zwei Bedingungen: Es muss technisch funktionieren, und die Entscheidung muss am Ende transparent sein.
Herr Bareiß, es ist ein absolutes Unding, dass Sie sich jetzt hierhinstellen und sagen: Ja, es gibt da Probleme mit dem Energiewirtschaftsgesetz. – Denn es waren genau Sie von der Union, auch Sie als Person, die dieses Energiewirtschaftsgesetz im Jahr 2011 geändert haben. Ich empfehle Ihnen, in die Protokolle der Anhörungen des damals zuständigen Umweltausschusses zu schauen: Alle Sachverständigen haben Ihnen genau das vorausgesagt, was passiert ist. Wir haben dazu zusammen mit den Kollegen von der SPD Anträge eingebracht. Jetzt sagen Sie hier: Ach ja, da sind ein paar Probleme aufgetaucht. – Sie haben das ganz bewusst gemacht, haben es sehenden Auges getan,
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
weil Sie nämlich nicht wollten, dass die Kommunen frei entscheiden können. Sie wollten, dass das bei den Konzernen verbleibt; Sie wollten da ein Geschäftsmodell erhalten. Das ist klar. Es waren damals Pfeiffer, Fuchs und Bareiß, die energiepolitische Todeszone in der Union, die genau das wollten, die wollten, dass hier am Ende Rechtsunklarheit entsteht.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Ich sage Ihnen sehr deutlich: Es ist gut so, wie es in Deutschland in der Vergangenheit gelaufen ist.
(Thomas Bareiß [CDU/CSU]: Ist es jetzt gut oder schlecht?)
Nur haben wir seit vier Jahren ein Problem, das Sie geschaffen haben. Wir haben 700 Verteilnetzbetreiber. Es gibt viele Studien, die zeigen, dass gerade die kleinen, kommunalen Anbieter die Netze mindestens genauso gut betreiben können wie die großen. Mehr noch: Es gibt eine Studie aus Baden-Württemberg, die belegt, dass kommunale Verteilnetzbetreiber die Netze effizienter betreiben als große. Deshalb sollten wir die Entscheidungsmöglichkeiten der Kommunen an dieser Stelle stärken und die Rechtsunsicherheit, die Sie geschaffen haben, beenden, damit die Kommunen frei entscheiden können.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)
Ich will einen ganz entscheidenden Punkt nennen – Sie haben ihn interessanterweise auch erwähnt –, den wir 2011 und danach rauf und runter diskutiert haben. Da geht es um die Frage des Kaufpreises: Was muss beim Übergang des Netzes gezahlt werden? Ich sage ganz klar: Wir waren uns mit den Kollegen von der Sozialdemokratie völlig einig
(Zuruf von der SPD: Wir sind es immer noch!)
– und sind es, wie ich hoffe, immer noch; dazu werden wir gleich etwas hören –, dass wir an dieser Stelle die Klarstellung brauchen, dass der Ertragswert die Grundlage sein muss, damit nicht jahrelange Prozesse zu der Frage stattfinden, was gezahlt werden muss. Diese Unklarheit im Hinblick auf den Kaufpreis – das wurde von Ihnen im Gesetz bewusst unklar gelassen – führt dazu, dass wir jahrelange Gerichtsauseinandersetzungen haben, dass dieses Gesetz ein Arbeitsbeschaffungsprogramm für Juristen, Berater und Gerichte ist, das am Ende – das ist die Realität – ganz viele Kommunen davon abschreckt, sich überhaupt der Frage zu nähern, den Betreiber ihres Netzes zu wechseln, weil sie vor den Rechtsabteilungen von Konzernen Angst haben. Da erwarte ich, dass Sie das klarstellen und in das Gesetz schreiben, dass der Ertragswert beim Eigentumsübergang zugrunde zu legen ist. Das wäre eine notwendige und richtige Entscheidung.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Caren Lay [DIE LINKE])
Meine Damen und Herren, es ist gut, dass wir das hier und heute wieder diskutieren und die Kollegen von den Linken einen neuen Antrag dazu stellen, der etwas andere Aspekte aufgreift. Das werden wir wieder im Ausschuss beraten, Sie werden das dann wieder alles ablehnen, und dann kommt das hier wieder zurück. Ich kündige Ihnen jetzt schon einmal an: Dann werden wir einen Antrag einbringen, einen Gesetzentwurf vorlegen,
(Thomas Bareiß [CDU/CSU]: Den machen wir ja schon!)
und dann wird es mit dem Thema weitergehen. Ich hoffe ja, dass Sie an dieser Stelle das wahrmachen, was Sie seit anderthalb Jahren ankündigen und was Sie im Koalitionsvertrag vereinbart haben. Herr Koeppen – Sie reden gleich noch –, vor ein paar Wochen haben Sie dazu gesagt: Das ist gar nicht notwendig; man muss am Energiewirtschaftsgesetz gar nichts ändern. – Ich bin gespannt, wann tatsächlich konkret etwas kommt.
Ich habe vor ein paar Tagen eine Stellungnahme des Städte- und Gemeindebunds und der kommunalen Spitzenverbände insgesamt bekommen. Darin werden Sie aufgefordert, hier endlich aktiv zu werden. Es besteht eine dringende Notwendigkeit. Herr Bareiß, Sie würden sich keinen Zacken aus der Krone brechen, wenn Sie sagten: Wir haben 2011, weil wir in energiepolitischer Hinsicht etwas anderes wollten und vom Atomausstieg gebeutelt waren, eine irrsinnige Entscheidung getroffen. – Es wäre gut, wenn das hier einmal gesagt würde. Dann könnten wir nämlich eine ehrliche Debatte führen. Das wäre eine gute Basis.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Thomas Bareiß [CDU/CSU]: Unsinn!)
Wir als Grüne werden uns weiter dafür einsetzen, dass Kommunen, die das wollen, ihre Netze selber übernehmen und frei darüber entscheiden können. Wir sind der Auffassung – das unterscheidet uns wirklich von Ihnen –, dass der Netzbetrieb das Rückgrat für ein kommunales Stadtwerk sein kann und dass ausgehend von diesem Rückgrat ein Stadtwerk entstehen kann, mit dem Energie- und Klimapolitik im Sinne der Daseinsvorsorge für alle Bürger gemacht werden kann und mit dem ein Mehrwert für die Gemeinde und für die Menschen geschaffen wird.
(Thomas Bareiß [CDU/CSU]: Sachlich falsch!)
Herr Bareiß, ich bin der Auffassung, dass die Netzentgelte eher in die Gemeindekasse gehören, als dass sie in einer Konzernkasse klingeln. Das ist am Ende die bessere Politik.
Ich danke Ihnen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Vielen Dank. – Als nächster Redner hat Florian Post von der SPD-Fraktion das Wort.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4774192 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 94 |
Tagesordnungspunkt | Rekommunalisierung der Energienetze |