Jens KoeppenCDU/CSU - Rekommunalisierung der Energienetze
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin Lay und lieber Kollege Krischer, ich finde es bemerkenswert: Ich habe noch gar nichts gesagt, und trotzdem wurde ich schon dreimal erwähnt.
(Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da können Sie mal sehen!)
Da kann ich so viel nicht falsch gemacht haben.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe Ihre Rede CDU-Bürgermeistern vorgelegt! Die sind vom Stuhl gefallen!)
Vielen Dank für die Vorschusslorbeeren.
Ich muss Sie enttäuschen: Ich werde nicht so viel anderes sagen. Sie haben diese Anträge mittlerweile dreimal gestellt, mit gleichem Inhalt und fast gleichem Text. Wir haben darüber im Plenum und auch im Ausschuss gesprochen.
(Caren Lay [DIE LINKE]: Und nichts gemacht!)
Die Argumente sind also ausgetauscht. Deswegen möchte ich meine Redezeit heute darauf verwenden, auf die Mythen einzugehen, die Sie in Ihrer Argumentation fortwährend vortragen. Ich möchte darauf eingehen, dass es schlicht und ergreifend nicht stimmt, was Sie hier erzählen.
Der eine Mythos ist: Stadtwerke können keine Netze übernehmen, bzw. wir würden es den Stadtwerken schwer machen, Netze zu übernehmen. Außerdem seien wir per se gegen die Kommunalisierung.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, das haben Sie beim letzten Mal so gesagt!)
Darauf werde ich eingehen. Ich werde auch darauf eingehen, dass Sie immer wieder sagen, die öffentliche Hand sei per se der bessere Unternehmer und die Rekommunalisierung habe nur Vorteile und löse alle Probleme. Sie sagen auch immer – das ist der dritte Mythos –, dass laut Koalitionsvertrag alles geändert werde, was jetzt im EnWG, im Energiewirtschaftsgesetz, steht. Darauf werde ich letztendlich auch eingehen.
Sie haben mittlerweile drei Anträge gestellt, und immer wieder fordern Sie in den Anträgen mehr Staatswirtschaft.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich glaube, Sie reden jetzt mehr zur SPD, wenn ich das richtig höre! – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Kommunalwirtschaft!)
– Staatswirtschaft, Kommunalwirtschaft, für mich gibt es da nicht so viele Unterschiede.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da geht es ja schon los! – Caren Lay [DIE LINKE]: Das ist ja interessant!)
Sie sagen ja auch, dass der Wettbewerb ausgeschaltet werden soll,
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Den haben Sie ausgeschaltet!)
wenn Sie die gesetzliche Festschreibung der Direktvergabe ohne ein entsprechendes Auswahlverfahren und ohne Ausschreibung fordern. Sie wollen quasi zulassen, dass auf Zuruf der Gemeinden die Netze an die Stadtwerke über eine Inhousevergabe übergeben werden. Das wird nicht funktionieren, und das kann auch nicht funktionieren. Deswegen sagen wir natürlich zum Mythos eins: Das kann nicht gut gehen. Staat vor Markt ist kein Erfolgsmodell. Ich kenne keine einzige Volkswirtschaft, die so funktioniert hat.
Wir haben uns in Deutschland die soziale Marktwirtschaft sehr mühsam, aber sehr erfolgreich aufgebaut. Wenn Sie nach 25 Jahren immer noch Probleme mit der sozialen Marktwirtschaft haben,
(Caren Lay [DIE LINKE]: Ich habe nie etwas anderes erlebt! Aber die Privatisierung ist doch falsch!)
dann müssen Sie das mit sich ausmachen, aber nicht mit uns.
Die Kommunalisierung muss – dabei bleibe ich; da haben Sie mich richtig zitiert – eine Ausnahme bleiben. Das ist de facto so.
(Caren Lay [DIE LINKE]: Das ist ja interessant!)
Es gilt: Nicht um jeden Preis kommunalisieren, sondern da, wo es passt, aber nicht dort, wo es geht. Außerdem sage ich: Wenn Kommunen es besser machen oder genauso gut machen. Dieses Bessermachen ist ein Prinzip der Subsidiarität; diese ist in verschiedenen Kommunalverfassungen der Länder eindeutig festgeschrieben. Es gibt die starke Subsidiarität, und es gibt die schwache Subsidiarität. Die starke Subsidiarität besagt – so steht es in einigen Kommunalverfassungen der Länder –, dass die Kommunen es wirtschaftlich besser machen müssen als wirtschaftlich arbeitende private Unternehmen. Das ist gelebte Subsidiarität. Wir wollen sie nicht aushöhlen, sondern wir wollen die Kommunalverfassungen stärken. Wer etwas anderes möchte, stellt die Systemfrage. Das ist mit uns nicht zu machen.
(Lachen des Abg. Bernhard Daldrup [SPD] – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: So einfach ist es, hier die Systemfrage zu stellen!)
– Ja, natürlich.
Herr Kollege Koeppen, lassen sie eine Zwischenfrage zu?
Nein. Wir haben insgesamt 96 Minuten Debattenzeit, die Fraktionen haben ihre Redezeitkontingente, und wir haben bereits dreimal darüber geredet.
(Widerspruch bei Abgeordneten der LINKEN – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie reden hier am Thema vorbei!)
Sie sollten einmal zuhören und die Argumente akzeptieren. Parlament besteht aus Rede und aus Gegenrede, aus Argumenten und Gegenargumenten.
(Zuruf von der LINKEN: Eben!)
Jetzt bin ich mit meinen Gegenargumenten dran.
(Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Elf Minuten haben Sie!)
Akzeptieren Sie das einfach einmal, und hören Sie bitte zu.
Mythos zwei lautet: Stadtwerke können Netze nicht übernehmen, oder es wird ihnen sehr schwer gemacht. – Stadtwerke können sehr wohl Netze übernehmen, und Stadtwerke übernehmen in zahlreicher Form in Deutschland Netze. Ein Stadtwerk in der Kreisstadt meines Wahlkreises, in Prenzlau, hat Netze übernommen. Es ist denen weiß Gott nicht leichtgefallen. Denn dafür muss ein Stadtwerk leistungsstark sein. Stadtwerke müssen sich damit ganz klar auseinandersetzen. Natürlich können sie sich ein zweites oder drittes Standbein aufbauen – das kann auch hilfreich sein –, aber sie dürfen den Wettbewerb nicht scheuen, und sie müssen eine klare Risikobewertung vornehmen. Diese Risikobewertung ist aus meiner Sicht sehr wichtig, weil sie auch das Unbundling-Verfahren des Dritten EU-Energiebinnenmarktpaketes anwenden müssen. Das machen die meisten Stadtwerke; das wollen sie auch. Deswegen, liebe Frau Lay, wird es auch keine Änderung des § 1 des EnWG, des Energiewirtschaftsgesetzes, geben, wie Sie es ja in der Begründung zu Nummer 2 Ihres jüngsten Antrags fordern. Ich lese Ihnen vor, was in § 1 EnWG steht: Ziel „ist eine möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche leitungsgebundene Versorgung … mit Elektrizität und Gas“. Was bitte davon soll ich ändern? Also wird es dabei bleiben.
(Caren Lay [DIE LINKE]: Sie sollen den Verweis aus § 46 wieder herausstreichen!)
Eine Übernahme durch die Stadtwerke kann erfolgreich sein; ohne Zweifel, das ist gar keine Frage. Deswegen gibt es ja auch zahlreiche Übernahmen. Aber es gibt keine Garantie auf Erfolg. Die Stadtwerke sind auch nicht per se eine Cashcow, ein wie auch immer gearteter Goldesel. Deswegen braucht es ein gutes Management. Die Stadtwerke, die das nachvollziehen, haben ein gutes Management.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch eine Unverschämtheit! Das wissen die Kommunen alle selber! Das können die selber entscheiden!)
Es muss eine klare Risikobewertung geben. Es gibt einen sehr hohen Investitionsbedarf. Es muss eine Versorgungsgarantie übernommen werden. Es muss ein Service übernommen werden.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das kann doch jede Kommune für sich selber entscheiden!)
Vor allen Dingen, Herr Krischer, ist es nun einmal so: Verluste können bei einer so hohen Investition auftreten. Wenn es sie dann gibt, entstehen Konkurrenzsituationen zu anderen staatlichen Aufgaben
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie doch mal etwas zum Gesetz!)
wie Kitas, Schulen, Sportplätze und Kultur. Solche Entscheidungen müssen die Bürgermeister in den Kommunen dann auch vertreten.
(Caren Lay [DIE LINKE]: Ja, das können die doch dann auch entscheiden!)
Wenn etwas in einem Stadtwerk schiefläuft, entsteht eine Konkurrenzsituation zwischen Aufwendungen für die Verluste und Mitteln für andere Aufgaben.
Deswegen sagen wir: Es muss zum Vorteil der Gesellschaft sein, es muss zum Vorteil der Kommunen sein, es muss zum Vorteil der Kunden sein. Preis und Leistung müssen stimmen. Es muss um Daseinsvorsorge gehen, und es darf keine Daseinsberechtigung werden. Wenn ich mir manche Stadtwerke ansehe – ich kann Ihnen konkrete Beispiele nennen –, komme ich zu dem Schluss: Es geht teilweise um Daseinsberechtigung, nicht nur um Daseinsvorsorge. Wir müssen also aufpassen, dass wir das richtig machen.
Jetzt komme ich zum Mythos Nummer drei. Sie sagen, wir wollten jetzt laut Koalitionsvertrag alles ändern. Der Kollege Bareiß hat schon ziemlich deutlich gesagt – auch die Kollegen von der SPD haben das schon erwähnt bzw. werden es noch tun –, und wir sagen ganz klar – nicht mehr und nicht weniger steht im Koalitionsvertrag –: Wir werden das Bewertungsverfahren bei der Neuvergabe evaluieren und verbessern. Wir werden darüber hinaus die Transparenz verbessern. Es ist doch gar keine Frage, dass es da Dinge gibt, die zu verbessern sind. Das werden wir auch tun.
(Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wann denn?)
Auch die Rechtssicherheit muss verbessert werden.
Verbessern heißt aber doch, aus etwas Gutem etwas Besseres zu machen. Wir werden das, was schon da ist, aber nicht abschaffen. Deswegen: Lassen Sie uns doch erst einmal Vorschläge machen. Dann sehen wir weiter. Letztendlich wollen wir sagen können: Wenn Transparenz gewährleistet ist und die Wirtschaftlichkeit da ist, können die Stadtwerke bei einer Vergabe ganz gezielt zugreifen. Aber es muss bei einer Ausschreibung bleiben.
Verbessern heißt nicht abschaffen. Deswegen: § 1 des Energiewirtschaftsgesetzes wird definitiv bleiben. Es wird keine Direktvergabe ohne Auswahlverfahren und Ausschreibung geben. Das kann es auch gar nicht geben, weil das europarechtlich gar nicht möglich ist. Auch die Subsidiarität wird bleiben. Die Kommunalverfassungen werden nicht angefasst.
(Bernhard Daldrup [SPD]: Das wäre ja wohl noch schöner!)
Vor allen Dingen müssen auch die Unbundling- Vorschriften eingehalten werden.
Es gibt mit uns keine Gesetzesänderung, die den Wettbewerb im Netzbereich abschafft. Es wird allerdings – ich habe das bereits gesagt – Veränderungen im Sinne der Transparenz geben. Damit werden wir den Wettbewerb stärken. Wir werden die Vergabeentscheidungen verbessern. Wir werden dadurch natürlich auch die Ausschreibungen klarer gestalten können. Das alles ist in Ordnung; lassen Sie uns also darüber nachdenken. Aber eine Änderung in Richtung irgendeiner wie auch immer gearteten Staatswirtschaft wird es mit uns nicht geben.
Schauen Sie – darauf muss ich als Brandenburger hinweisen –, Berlin und Brandenburg haben einen Flughafen, der ewig nicht fertig wird.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, aber da regieren Sie doch mit! In Berlin und im Bund ist die CDU doch in Verantwortung!)
Ich sage Ihnen: Wir brauchen nicht mehr BER, wir brauchen weniger BER.
(Zuruf von der LINKEN: Das ist doch ein absurder Vergleich!)
Deswegen: Lassen Sie uns an guten Bedingungen arbeiten, damit die Rahmenbedingungen für den Wettbewerb stimmen, und gemeinsam dafür sorgen, dass es im Bereich des Energiewirtschaftsgesetzes zu Verbesserungen kommt. Mit uns wird es aber keine Abschaffung geben.
Vielen herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU – Caren Lay [DIE LINKE]: Das ist ja so was von falsch!)
Vielen Dank. – Bevor Eva Bulling-Schröter von der Linken das Wort erhält, erhält Herr Gambke vom Bündnis 90/Die Grünen für eine Kurzintervention das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4774206 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 94 |
Tagesordnungspunkt | Rekommunalisierung der Energienetze |