Barbara LanzingerCDU/CSU - Rekommunalisierung der Energienetze
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Jetzt werde ich hier gleich wieder einen Sturm der Entrüstung auslösen, wenn ich feststelle: Die Fraktion Die Linke hat die Anregungen des Kollegen Krischer vom letzten Mal anscheinend sehr ernst genommen. Er hatte ja in seiner letzten Rede zur Rekommunalisierung angekündigt, die Debatte immer und immer wieder auf die Tagesordnung zu setzen, und zwar so lange, bis er endlich das bekommt, was er will. So habe ich es zumindest verstanden.
(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn die Linken doch nur immer auf die Grünen hören würden!)
Mit Ihrem erneuten Antrag, jetzt die Energienetze in die öffentliche Hand zu geben, versuchen Sie wieder einmal – ich sage ganz bewusst: populistisch –, Ihr Ziel durchzusetzen.
(Zurufe von der LINKEN: Oh! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer sind denn die Populisten?)
Ob dieses Ziel auch wirtschaftlich sinnvoll ist, lassen Sie dabei vollkommen außer Acht.
Aber auch wir nehmen unsere Worte sehr ernst. Wir haben es endlich geschafft – das sage ich ganz bewusst –, in die jahrzehntelang monopolistisch geprägte Energiewirtschaft etwas mehr Wettbewerb zu bekommen. Wettbewerb ist kein Selbstzweck, sondern dient einzig und allein dem Ziel, dem Verbraucher die beste Leistung zum besten Preis zur Verfügung zu stellen. Dieses wertvolle Instrument der Marktwirtschaft wollen wir aufrechterhalten. Deshalb können wir Ihnen auch bei dieser Debatte nur wieder sagen: Wir unterstützen keine staatswirtschaftlichen Forderungen und lehnen deshalb Ihren Antrag ab.
In einer Marktwirtschaft gibt es per se keinen Grund, private Unternehmen von der wirtschaftlichen Betätigung vollständig auszuschließen.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das fordert doch keiner!)
Auch die kommunale Selbstverwaltung, die Ihr Hauptargument in Ihren zahlreichen Anträgen zur Rekommunalisierung ist, rechtfertigt keinen Verstoß gegen unsere verfassungsmäßige Ordnung. Die Kollegen Bareiß und Koeppen haben es ja bereits formuliert: Kommunale Selbstverwaltung heißt nicht, dass eine Kommunalisierung automatisch dort erfolgt, wo es nur irgendwie möglich ist. Es darf keinen Freifahrtschein geben, auf dem steht: Kommunale Unternehmen haben grundsätzlich Vorrang vor einem Wettbewerb. – Private Unternehmen sind qualitativ nicht per se schlechter als ein kommunales Unternehmen. Die kommunale Selbstverwaltung, so richtig und wichtig sie für uns ist, darf kein Mittel zur Verstaatlichung durch die Hintertür sein.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Die kommunale Selbstverwaltung hat nämlich auch nicht, wie Sie, Frau Lay, in Ihrer Rede Ende Januar ausführlich dargestellt haben, Verfassungsvorrang; sie hat Verfassungsrang. Das ist ein wesentlicher Unterschied.
(Jens Koeppen [CDU/CSU]: Genau so ist es!)
Diesen wesentlichen Unterschied hat auch der BGH in seinen jüngsten Urteilsbegründungen, auf die im Übrigen auch das kürzlich erfolgte Urteil zu den Konzessionen in Berlin verweist, sehr gut erklärt. Ich zitiere wörtlich:
Vereinfacht gesagt, Artikel 28 Absatz 2 Grundgesetz schützt die kommunale Selbstverwaltung als solche, nicht aber einzelne kommunale Aktivitäten, soweit sie nicht eindeutig hoheitlich sind. Denn das Recht der kommunalen Selbstverwaltung besteht nur im Rahmen allgemeiner Gesetze, zu denen auch das Energiewirtschaftsgesetz zählt. Der von Ihnen kritisierte § 46 Energiewirtschaftsgesetz ist daher nicht verfassungswidrig, greift auch in keiner verfassungswidrigen Weise in den Kernbestand des kommunalen Selbstverwaltungsrechts ein.
Die aktuelle gesetzliche Regelung beschränkt also die Gemeinden nicht, sondern stellt sie mit privaten Unternehmen gleich. Jede Kommune kann mit einem eigenen Unternehmen oder einem Eigenbetrieb am Wettbewerb teilnehmen und den Netzbetrieb gegebenenfalls selbst übernehmen.
Die Konzessionsvergabe basiert dabei auf den Grundsätzen des Vergaberechts, wonach Aufträge auf der Grundlage objektiver Kriterien vergeben werden sollten, die die Einhaltung der Grundsätze der Transparenz, der Nichtdiskriminierung und der Gleichbehandlung gewährleisten, um einen objektiven Vergleich des relativen Werts der Angebote sicherzustellen und damit unter den Bedingungen eines effektiven Wettbewerbs das wirtschaftlichste Angebot ermitteln zu können.
Der BGH macht in seinen Urteilen auch hierzu deutlich, dass Auswahlkriterien immer schriftlich und mit Gewichtung bekannt zu machen sind, wobei den Gemeinden gerade bei der Gewichtung ein eigener, aber überprüfbarer Beurteilungsspielraum zukommt. Bei dieser Gewichtung ist auch darauf zu achten, dass die Zielsetzung in § 1 des Energiewirtschaftsgesetzes – nämlich eine „sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche“ Strom- und Gasversorgung – eingehalten wird. Vor allem darf das Ziel der Netzsicherheit nicht zu gering gewichtet werden.
Ein ganz wesentlicher Aspekt der Vergabegrundsätze ist das Kriterium des Diskriminierungsverbots, das zusätzlich auch in § 46 Energiewirtschaftsgesetz für Konzessionen geregelt ist. Ich erkläre Ihnen auch, warum: Durch die Möglichkeit der Teilnahme aller interessierten Anbieter wird der Wettbewerb gefördert.
§ 46 Energiewirtschaftsgesetz sorgt zu Recht dafür, dass Gemeinden in einem 20-Jahres-Rhythmus einen Wettbewerb um das Netz ermöglichen.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er findet aber nicht statt!)
Er dient also dem Zweck, kommunalen Ewigkeitsrechten – dem dauerhaften und unangefochtenen Recht der Kommunen auf Netzbetrieb – entgegenzuwirken, und das ist auch gut so!
Es gibt selbstverständlich viele gut geführte und erfolgreiche Stadtwerke; aber es gibt auch weniger erfolgreiche Stadtwerke. Es wurde in den Reden heute auch schon erwähnt: Haben Sie einmal daran gedacht, was tatsächlich passiert, wenn eine Kommune ein Netz übernimmt und dann scheitert? Wir haben schon öfter erfahren und lernen müssen, dass auch ein Stadtwerk insolvent werden kann. Verluste müssen dann von anderen öffentlichen Institutionen kompensiert und damit vom Steuerzahler getragen werden. Staatlich ist also nicht zwingend immer besser als privat.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vor diesem Hintergrund kann ich nur noch einmal betonen: Wettbewerb hat in der heutigen entflochtenen Energielandschaft eine eigenverantwortliche Bedeutung, und diese wollen und werden wir nicht aushebeln.
Wir wissen, dass manche Regelungen in § 46 des Energiewirtschaftsgesetzes – viele Kollegen sind darauf schon eingegangen – und der abgeleiteten Normen noch nicht ausreichend klar sind. Deshalb haben wir im Koalitionsvertrag verankert, dass wir die Rechtssicherheit verbessern wollen. Aber ich sage auch ganz deutlich: Eine rechtliche Verbesserung ist nicht mit einer rechtlichen Besserstellung bestimmter Anbieter gleichzusetzen. Das ist ein Unterschied. – Ich gehe jetzt nicht weiter darauf ein; wir warten auf den entsprechenden Entwurf aus dem Wirtschaftsministerium. Staatssekretär Beckmeyer spricht nach mir; vielleicht hören wir dann auch dazu etwas.
Abschließend möchte ich festhalten: Ihre Begründung, dass eine Rekommunalisierung zu einer Stärkung der lokalen Wirtschaft führe, dass nur dadurch entscheidende Teile der Energiewende zum Erfolg geführt werden könnten, hält weder einer ökonomischen noch, wie die BGH-Urteile zeigen, einer juristischen Analyse stand und ist von Ihnen – das sage ich deutlich – rein politisch getrieben.
Genauso politisch getrieben – ich möchte auch das ganz deutlich sagen – und sachlich nicht logisch ist die Verbindung, die Sie herstellen, nämlich eine Steigerung des Klimaschutzes durch eine Rekommunalisierung. Wieso sollte eine Kommune den Klimaschutz besser und schneller vorantreiben können als ein privates Unternehmen?
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie schon mal mit RWE geredet?)
Wollen Sie allen nichtöffentlichen Institutionen unterstellen, dass sie nicht an einer Verbesserung des Klimaschutzes interessiert sind?
(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Nicht automatisch!)
Energiewirtschaftliche Synergien sowie örtliche und regionale Wertschöpfungspotenziale entstehen durch einen Wettbewerb, an dem jeder teilnehmen kann. Wettbewerb hat eine heilsame Wirkung; denn er zwingt zu Effizienz, zu Kostendisziplin und sichert dadurch den Verbrauchern die beste Leistung zum besten Preis.
(Caren Lay [DIE LINKE]: Das ist ein neoliberales Ammenmärchen!)
Wir müssen daher durch die Konzessionsvergabe auch weiterhin sicherstellen, dass wettbewerbliche Elemente so umfassend wie möglich berücksichtigt werden. Erst dadurch werden wir auch energiewirtschaftliche Wertschöpfungspotenziale für unsere Regionen erlangen.
Ganz zum Schluss meiner Rede vielleicht noch etwas Positives. Sie haben in Ihrem Antrag erwähnt, dass gerade die KWK und die Speicher wichtig sind. Auch wir halten das für zentrale Bestandteile. Ich würde mich freuen, wenn Sie uns bei allen unseren Vorhaben zu diesen Themen unterstützen würden.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welche denn?)
Ich bedanke mich fürs Zuhören und wünsche allen alles Gute. Vor ein paar Jahren hätte ich an diesem Tag nicht hier gestanden, weil in Bayern an diesem Tag der Joseftag begangen wird.
(Zuruf des Abg. Florian Post [SPD] – Weitere Zurufe)
– Ja, wir haben das, und trotzdem sind wir so gut.
Danke schön fürs Zuhören.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vielen Dank. – Für die Bundesregierung spricht jetzt der Parlamentarische Staatssekretär Uwe Beckmeyer.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4774299 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 94 |
Tagesordnungspunkt | Rekommunalisierung der Energienetze |