Ingbert LiebingCDU/CSU - Rekommunalisierung der Energienetze
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Staatssekretär Beckmeyer hat mit dem eben skizzierten Fahrplan deutlich gemacht, dass die Bundesregierung an diesem Thema arbeitet. Die Debatte hat gezeigt, dass die Koalitionsfraktionen an diesem Thema arbeiten. Insofern sind wir auf einem guten Wege, die Probleme, die es bei Netzübergängen gibt, und die Probleme, die es im Bereich des Energiewirtschaftsgesetzes im Zusammenhang mit § 46 gibt, zu lösen. Das ist unsere Zielsetzung, und das ist überhaupt nicht neu.
Herr Kollege Krischer, Sie haben uns eben vorgeworfen, wir hätten in der ersten Hälfte der Debatte bestritten, dass es ein Problem gebe, das es zu lösen gelte. Sie haben offenkundig nicht zugehört. Denn alle Redner unserer Fraktion haben betont, dass wir Handlungsbedarf haben; das wissen wir.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, Herr Koeppen hat gesagt, es gibt kein Problem!)
Die Darstellungen von Staatssekretär Beckmeyer haben deutlich gemacht, dass es um eine Vielzahl von Einzelpunkten geht, die jetzt im Gesetzgebungsverfahren abzuarbeiten sind. Ich halte es für richtig, dass wir uns die Zeit nehmen, dies sorgfältig zu tun, damit am Ende etwas herauskommt, das besser ist als das, was die Fraktion der Linken mit ihren Anträgen hier vorgelegt hat.
Die Linken haben innerhalb von acht Wochen zwei Anträge gestellt, die heute Gegenstand der Debatte sind. Offensichtlich haben Sie selber gemerkt, dass Ihr erster Antrag so substanzlos war, dass Sie nachliefern mussten.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Caren Lay [DIE LINKE]: Legen Sie doch mal was vor! Sie haben noch nichts vorgelegt!)
Aber der zweite Antrag ist nicht besser, meine Damen und Herren; er ist ebenfalls substanzlos.
Das Thema selber ist wichtig, gerade auch für die Kommunen. Ich sage das als jemand, der sich sehr intensiv um die Belange der Kommunen kümmert. Aber ich möchte die Kommunen und auch die kommunalen Verbände davor schützen, dass Sie sie für falsche Positionen vereinnahmen. Wenn Sie es hier so darstellen, als ob das, was Sie hier beantragen, unisono die Position der kommunalen Verbände wäre, dann wundert mich das schon.
Ich darf einmal aus einer Stellungnahme des Verbands kommunaler Unternehmen vom 5. März dieses Jahres zitieren; sie ist also noch recht aktuell. Dort heißt es am Anfang ausdrücklich:
Die Notwendigkeit von Wettbewerb wird also anerkannt. Es gibt dort nicht die Position, den Wettbewerb abzuschaffen und stattdessen zu Inhousevergaben überzugehen. Das ist nicht die Position des Verbands.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Es geht um ganz konkrete Punkte, die den Kommunen und auch mir persönlich wichtig sind. Deswegen habe ich mich bei den Koalitionsverhandlungen seinerzeit in der Arbeitsgruppe Energie mit dafür eingesetzt, dass wir dieses Thema adressieren. Es steht nicht ohne Grund im Koalitionsvertrag. Wir haben uns vorgenommen, hier eine Lösung zu erreichen. Der Handlungsbedarf ist unstrittig gegeben. Aber neue Regelungen brauchen eben eine sorgfältige Vorbereitung.
Ich möchte die Diskussion auch davor schützen, dass sie um das falsche Ziel geführt wird. Das Ziel der Debatte ist nicht Rekommunalisierung, sondern die Schaffung von Rechtssicherheit, und zwar unabhängig davon, wer der Neukonzessionär ist.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Denn es gibt ja auch die Fälle – es kann sie auch in der Zukunft noch geben; wir werden bis 2016 noch viele weitere Fälle von Ausschreibungen erleben –, in denen der Neukonzessionär keine Kommune, kein kommunales Stadtwerk ist, sondern ein anderes privatwirtschaftliches Unternehmen. Jeder Neukonzessionär hat im Moment aufgrund der jetzigen Formulierung in § 46 EnWG Probleme.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber die hat Ihre Partei gemacht, Herr Liebing! Da waren Sie schon dabei!)
Insofern geht es nicht darum, ob man nun eine Rekommunalisierung will oder nicht, sondern darum, Rechtssicherheit zu schaffen; das ist das Ziel, über das wir sprechen. Da geht es um ganz konkrete Punkte.
Es geht auch nicht darum, Herr Kollege Krischer, nun unisono zu sagen: Es ist generell besser, wenn es die Kommunen machen. – Sie tun so, als ob das eine Glaubensfrage wäre.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe das nicht behauptet! – Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sollen die Möglichkeit erhalten!)
Sie haben die Rekommunalisierung hochgehalten und sie quasi zum wünschenswerten Prinzip erklärt.
Ich bin nun wahrlich keiner, der irgendetwas dagegen hätte, wenn Kommunen sich auch in der Energiewirtschaft engagieren. Ganz im Gegenteil: Ich halte die Kommunen für wichtige Partner im Bereich der Energiewende. Energiewende heißt, dass wir die Energiewirtschaft künftig dezentraler aufstellen. Wir brauchen dafür starke, engagierte Kommunen.
Aber es muss jeweils vor Ort auch klug abgewogen werden können, ob dies Sinn macht. Generell zu sagen: „Wir wollen, dass es staatlich, kommunal gemacht wird“, das ist jedenfalls auch nicht meine Vorstellung. Es gibt eben die Fälle, in denen wir in der Vergangenheit größere regionale Verbünde im Verteilnetz hatten, wo jetzt einzelne Kommunen innerhalb dieser Region ausscheren und sagen: Wir übernehmen das Netz selber. – Das ist eine freie Entscheidung und legitim, wenn sie den Nachweis führen, dass sie es effizienter machen können. Aber es ist dann auch öffentlich und vor Ort die Diskussion darüber zu führen, welche Auswirkungen das hat.
Welche Auswirkungen hat es, wenn eine zentrale Stadt in einer größeren Region ausschert und damit der Investitionsbedarf im Verteilnetz, den wir durch den Ausbau der erneuerbaren Energien in der Fläche haben, nicht mehr solidarisch von einem größeren Verbund getragen wird? Die Städte haben diese Situation der Einspeisung in ihrem eigenen engeren Bereich nicht. Dies geht aber zulasten der Fläche: Die ländlichen Regionen zahlen anschließend höhere Netzentgelte. Auch das sind Folgen, die in diesem Prozess mit zu beachten sind, die vor Ort öffentlich transparent zu diskutieren sind. Dazu tragen wettbewerbliche Verfahren bei.
Wenn wir über § 46 EnWG sprechen, über das, was jetzt konkret im Gesetzgebungsverfahren zu regeln ist, dann geht es mir vorrangig um vier Punkte:
Das Erste ist, dass wir schneller zu mehr Rechtssicherheit kommen müssen. Das heißt, dass wir im Gesetz Fristen definieren, innerhalb derer eine Rüge von denjenigen vorgenommen werden muss, die Verfahrensmängel zu kritisieren haben. Es kann nicht sein, dass dies nach Jahren noch der Fall ist, sondern wir müssen mögliche Rechtsstreitigkeiten schneller, zügiger abschließen können. Hier ist es möglich, dies über klare Fristen zu regeln, die wir in anderen Vergabeverfahren ja auch kennen.
Zweitens wird es auch um die Bewertungsfragen gehen, darum, ob wir über Sachzeitwert oder Ertragswert sprechen. Das ist nach wie vor oftmals strittig. Ich halte es für notwendig, dass wir durch eine politische Entscheidung für mehr Klarheit, Sicherheit und Rechtsfrieden sorgen. Aus meiner Sicht ist der Ertragswert der angemessenere Wert –
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha! Endlich sagt es mal einer von der Union!)
der Wert, der sich in einem regulierten Markt refinanzieren lässt. Darüber werden wir sicherlich im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zu sprechen haben.
Drittens wird es auch um die Zahlungsverpflichtung gehen. Es kann in der Tat nicht sein – das ist in der Debatte ja auch schon angesprochen worden –, dass ein Altkonzessionär, der im Vergabeverfahren unterlegen ist, sich aber durch Klagen weiterhin Besitz am Netz verschafft, die Zahlung der Konzessionsabgabe verweigert. Wer Netzentgelte einnimmt, muss auch die Konzessionsabgabe zahlen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Sie haben das Recht 2012 geschaffen, das das ermöglicht!)
Ich glaube – das hat ja auch der Beifall in der Unionsfraktion gezeigt –, es ist völlig unstrittig, dass derjenige, der Besitz am Netz hat, auf welcher Basis auch immer, dann auch die Pflichten daraus zu tragen und die Konzessionsabgaben an die Kommunen zu bezahlen hat.
Aber man kann umgekehrt auch genauso darüber diskutieren, ob ein Neukonzessionär, der im Vergabeverfahren den Zuschlag bekommen hat, sofort die Netzentgelte erhält und nicht mehr der Altkonzessionär, auch wenn das im Verfahren noch strittig ist, vielleicht auch nur über die Bewertung, über den Preis noch gestritten wird. In dem Moment, in dem man dem Altkonzessionär die Netzentgelte entzieht, entzieht man ihm auch das wirtschaftliche Interesse an einer Verfahrensverlängerung.
(Beifall der Abg. Bettina Hagedorn [SPD])
Insofern gilt: Wer das eine bekommt – die Netzentgelte –, muss auch die anderen Verpflichtungen tragen. Diese Kombination muss klar sein.
Wir werden viertens auch über die Entscheidungskriterien zu sprechen haben, darüber, wie wir mit § 1 Energiewirtschaftsgesetz als Kriterium umgehen werden.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist auch nicht so einfach!)
– Ihr Zuruf, Herr Krischer, das sei nicht so einfach, ist genau richtig: Das ist nicht so einfach zu beantworten.
Deswegen ist auch das, was hier heute als Antrag der Linken vorliegt, einfach zu pauschal nach dem Motto: „Die Kommunen müssen frei entscheiden können, ob sie es denn wollen oder nicht.“ Nein, wir brauchen schon klare Kriterien für den Wettbewerb. Ich bin sehr dafür, den Kommunen hier einen stärkeren Spielraum einzuräumen, aber dafür müssen klare energiewirtschaftliche Kriterien gelten, damit diese anschließend im Wettbewerb bestehen können. Die Kommunen müssen dann solche energiewirtschaftlichen Argumente und Aspekte auch einbringen können. Einfach nur allgemein „Interesse an Steuerungsmöglichkeiten durch die Kommunen“ oder „gemeindliche Belange“ vorzutragen, wie in den Anträgen der Linken zu lesen ist, das ist zu wenig, das ist zu dünn.
Zu den von mir genannten vier Aspekten ist in den Anträgen der Linken nichts zu finden. Deswegen können die Anträge der Linken keine Grundlage für eine notwendige Gesetzgebung in diesem Bereich sein. Ich bin sicher, dass die Vorlage des Wirtschaftsministers mehr Substanz bieten wird. Wir werden dann auf der Basis des Gesetzentwurfes, der uns, wie wir jetzt gehört haben, zwischen Ostern und der Sommerpause vorliegen wird, genügend Raum für eine parlamentarische Beratung haben. Wir können dann über alle strittigen Punkte im Detail diskutieren, aber dann auf einer vernünftigen, sachlichen Grundlage und nicht aufgrund dieser nichtssagenden, inhaltsleeren Anträge der Linken, die wir ablehnen werden.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Caren Lay [DIE LINKE]: Das ist ja unfassbar! Sie können eine andere Meinung haben, aber das können Sie sich sparen!)
Vielen Dank, Kollege Liebing. Ich wünsche Ihnen und unseren Gästen einen schönen guten Tag. – Der nächste und letzte Redner in dieser Debatte: Bernhard Daldrup für die SPD.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4774370 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 94 |
Tagesordnungspunkt | Rekommunalisierung der Energienetze |