19.03.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 94 / Tagesordnungspunkt 10

Sonja SteffenSPD - Lobbyistenregister

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren auf der Tribüne! Brauchen wir in Deutschland ein verpflichtendes Lobbyistenregister? Wir beraten heute zwei entsprechende Anträge der Opposition, und ich sage es Ihnen gleich: Es sind gute Anträge, Frau Haßelmann und Frau Sitte. Denn die SPD-Fraktion – das haben wir vorhin schon gehört – hat in der 17. Wahlperiode, also in der letzten Wahlperiode, einen Antrag ins Parlament eingebracht, in dem die Einführung eines verpflichtenden Lobbyistenregisters gefordert wurde. Damals war es die schwarz-gelbe Regierung, die diesem Antrag nicht gefolgt ist, sodass wir dafür keine Mehrheit bekommen konnten.

Die Forderung ist nach wie vor aktuell. Ich teile auch in dem Punkt Ihre Meinung: Es handelt sich nicht um einen alten Hut. Ich will Ihnen auch sagen, warum.

Ich bin Mitglied des Geschäftsordnungsausschusses. In diesem Ausschuss hat man nicht so viel mit Verbänden und Beratern zu tun. Aber ich bin auch Mitglied des Haushaltsausschusses, in dem ich für die Entwicklungszusammenarbeit zuständig bin. Wir haben heute schon viel über NGOs und verschiedene Verbände gehört. Aber um ein praktisches Beispiel zu nennen: Ich hatte gestern Besuch von der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen. Heute habe ich mich mit Vertretern von Misereor getroffen. Diese Gespräche – ich glaube, das sehen Sie alle in Ihrem jeweiligen Geschäftsbereich genauso – sind für mich sehr wichtig. Niemand in diesem Saal wird ernsthaft behaupten wollen, dass dieser Austausch einen unseriösen Charakter hätte.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Gegenteil: Wir brauchen diese Informationen, um Interessen abzuwägen und Entscheidungen zu treffen. Denn, Frau Sitte, wir sind keine Lämmer, die sich von Verbänden, NGOs und Politikberatern die Gesetze vorschreiben lassen.

(Daniela Ludwig [CDU/CSU]: So ist es!)

Wir haben bereits das Verbänderegister. Das ist heute schon öfter angesprochen worden. Schon seit 1972 gibt es eine öffentliche Liste, in der sich die Verbände eintragen. Aber zum einen werden in dieses Register nur Verbände aufgenommen. Das heißt, in diesem Register sind keine Kommunikationsagenturen aufgeführt, und darin sind auch keine Anwaltskanzleien zu finden. Zum anderen ist die Aufnahme in das Verbänderegister freiwillig. Man muss die Aufnahme von sich aus beantragen. Deshalb, meine ich, reicht das Verbänderegister nicht aus.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist in der Tat richtig: Auf europäischer Ebene ist man schon viel weiter. Ich finde, das ist ein ganz entscheidendes Argument. Es gibt dort ein neues Transparenzregister. Ich empfehle allen einen Blick auf das Onlineportal. Das ist wirklich gut aufgebaut und sehr transparent – so wie es sein muss. Inzwischen haben sich dort schon 8 000 Organisationen eingetragen. Es werden jeden Tag mehr. Man kann das gut verfolgen.

Gleich auf der ersten Seite des Portals werden drei Kernfragen aufgeworfen, die in diesem Zusammenhang entscheidend sind. Erstens soll deutlich werden: Welche Interessen werden verfolgt? Zweitens: Wer verfolgt diese Interessen? Und drittens: Wer bezahlt dafür?

Das Register ist zudem mit einem Verhaltenskodex und mit Sanktionen im Falle von Verstößen gegen den Kodex verknüpft.

Es gibt noch ein Manko; aber ich habe den Eindruck, dass man in Brüssel darüber aktuell sehr viel und laut diskutiert. Das Manko ist, dass zurzeit die Eintragung noch freiwillig ist. Ich bin jedenfalls froh, dass wir jetzt auch im Deutschen Bundestag darüber debattieren. Ich glaube, es ist wirklich an der Zeit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Schauen wir einmal in die Bundesländer: Es gibt inzwischen drei Bundesländer, die so etwas haben, nämlich Brandenburg, Rheinland-Pfalz – sie sind noch nicht so weit, wie wir es gerne hätten, aber inzwischen auf einem guten Weg – und Sachsen-Anhalt, das meines Wissens sogar schon ganz weit vorne liegt.

Und was sagen Meinungsumfragen bei den NGOs und den Politikberatern selbst, zum Beispiel im Tagesspiegel vom November 2014? Die Politikberater selber sagen, dass sie ein solches Register befürworten. Seriöse Politikberater scheuen kein Register, weil es die Transparenz ihrer Arbeit betont und den Ruf der Interessenvertreter in der Öffentlichkeit nur verbessern kann. Außerdem hilft es uns Politikern, zu erkennen, welcher Auftraggeber hinter einem Lobbyisten steckt. Denn wer von uns hatte nicht schon einmal eine Gesprächsanfrage von Beratern, von denen er nicht genau wusste, wer der Auftraggeber ist?

Was am wichtigsten ist – das wurde heute noch nicht angesprochen –: Unsere Bürgerinnen und Bürger haben ein berechtigtes Interesse daran, zu erfahren, welchen Einflüssen die Gesetzgebung unterliegt. „ Mehr Demokratie wagen“ ist ein sehr berühmter Satz von Willy Brandt, ein Satz, den wir uns alle auf die Fahne schreiben sollten, gerade in Zeiten der Politikverdrossenheit. Ich meine – ich glaube, meine Fraktion steht dabei hinter mir –, dass wir durch ein verbindliches Lobbyregister dazu beitragen können, dem Vorwurf der Hinterzimmerklüngelei entgegenzutreten. Ein Lobbyregister macht nämlich nur Sinn, wenn es verpflichtend ist, und zwar für alle. Das treibt die schwarzen Schafe vom Markt und beugt Misstrauen vor.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Ich will noch einmal betonen: Lobbyarbeit ist kein Teufelswerk. Sie ist gut und richtig, weil sie uns, dem Gesetzgeber, eine Informationsbreite verschafft. Deshalb gehört Lobbyarbeit nicht in die Schmuddelecke. Wir können mit einem verbindlichen Lobbyregister viel dazu beitragen. Man muss sicherlich nicht alles von den USA übernehmen, aber in Sachen Lobbyregister ist man uns dort weit voraus; denn dort gibt es ein verpflichtendes Lobbyregister schon seit langem.

Die SPD-Fraktion verschließt sich Ihren Anträgen nicht, meine Kolleginnen und Kollegen von der Opposition; denn die SPD-Fraktion steht für transparentes politisches Handeln. Nach den gesetzlichen Regelungen zur Abgeordnetenbestechung – darauf hat der Kollege Kaster schon hingewiesen – und zu den Karenzzeiten für politische Akteure nach dem Ausscheiden aus der aktiven Politik ist es ein konsequenter Weg – vor allem ist es dafür an der Zeit –, ein verbindliches Lobbyregister einzuführen. Ich bin ganz zuversichtlich, dass wir die Kollegen von der Union an dieser Stelle bewegen können. Herr Kaster, Sie haben vorhin vorsichtig formuliert, dass Sie für den einen oder anderen Vorschlag offen sind. Lassen Sie uns in eine offene Diskussion einsteigen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Hans-Peter Uhl, CDU/CSU.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4775541
Wahlperiode 18
Sitzung 94
Tagesordnungspunkt Lobbyistenregister
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