Reiner MeierCDU/CSU - Gesundheitsförderung und Prävention
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „ Gleich getan ist viel erspart.“ Dieser Satz bringt auf den Punkt, was Prävention im Gesundheitsbereich meint: nicht warten, bis der Körper und die Gesundheit Schaden nehmen, sondern versuchen, es möglichst gar nicht so weit kommen zu lassen.
Wenn wir heute in erster Lesung den Entwurf des Präventionsgesetzes beraten, dann sollten wir uns Folgendes klarmachen: Weltweit leiden immer mehr Menschen an Zivilisationskrankheiten. Deutschland ist da leider keine Ausnahme. Etwa 350 000 Bundesbürger sterben jedes Jahr an den Folgen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Das entspricht etwa 40 Prozent aller Todesfälle in Deutschland. Zum Vergleich: Im gesamten letzten Jahr hatten wir bundesweit 3 368 Opfer im Straßenverkehr zu beklagen. Angesichts dieser Fakten fragt man sich: Warum tun wir uns so schwer, hier und da weniger zu essen, gesünder zu leben, uns besser zu bewegen, mehr Sport zu betreiben oder die Vorsorgeuntersuchungen nicht zu vernachlässigen?
(Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist auch eine gute Frage!)
Die Antwort ist einfach: Der Mensch ist nun einmal ein Gewohnheitstier und ändert nur dann seine ungesunden Gewohnheiten, wenn er gute Anreize dafür hat und wenn man es ihm möglichst leicht macht, gesünder zu leben.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Bei der Umsetzung der Ziele stellt das Präventionsgesetz auf den Lebensweltenansatz ab. Das heißt, wir holen die Menschen dort ab und bieten die Leistungen dort an, wo sie einen großen Teil ihrer Lebenszeit verbringen. Besonders für jene, die bislang weniger auf Präventionsangebote zurückgegriffen haben, sind einfach erreichbare Angebote ein guter Weg, um ihre Gesundheitschancen deutlich zu verbessern.
Wenn wir auf Dauer etwas bewegen wollen, müssen wir aber auch zulassen, dass jeder von sich aus die freie Entscheidung trifft, Präventionsangebote anzunehmen. Da ist es weniger erfolgreich, mit Bevormundung oder mit Verboten anzukommen. Die Kolleginnen und Kollegen von den Grünen erinnern sich sicherlich noch an den Veggie-Day und daran, welche Diskussionen das hervorgerufen hat.
(Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er war ja kein Verbot!)
Übrigens ist er eine Erfindung der katholischen Kirche und nicht Ihrer Partei, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich sehe Impfen als Prävention ersten Ranges an.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Schutzimpfungen sind die wirksamsten Präventionsinstrumente der Medizin, die uns heute zur Verfügung stehen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Jedes Jahr sterben 1,5 Millionen Kinder an Krankheiten, für die es eigentlich wirksame Impfungen gäbe. Auch in Deutschland bestehen erhebliche Impflücken, gerade bei Jugendlichen, aber auch bei Erwachsenen, die gar keine bewusste Entscheidung gegen Impfungen treffen, sondern es spielen schlichtweg Vergesslichkeit, Bequemlichkeit oder Gleichgültigkeit eine Rolle. Unbestritten ist aber die Erforderlichkeit einer hohen Durchimpfungsrate.
Das Präventionsgesetz enthält drei wichtige Maßnahmen zur Steigerung dieser Impfquoten: Erstens. Im Rahmen der nationalen Präventionsstrategie fließen die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission in die Zielvereinbarung ein. Wir schaffen dadurch einen verlässlichen Rechtsrahmen für eine trägerübergreifende Umsetzung dieses wichtigen Ziels. Zweitens. Die verpflichtende Prüfung des Impfstatus bei Früherkennungsuntersuchungen, besonders bei Kindern und Jugendlichen, halte ich für dringend geboten. Drittens. Die Pflicht zur ärztlichen Impfberatung bei Erstaufnahme in Kindertageseinrichtungen ist sehr zu begrüßen.
Die aktuelle Masernsituation – der Minister hat es angesprochen – in Deutschland zeigt: Wir verzeichnen 2015 bundesweit bereits über 1 000 Masernfälle, davon rund 800 allein in Berlin – mit steigender Tendenz. Allein in Berlin sind es mehr Fälle, als in manchen Jahren bundesweit festgestellt wurden. Eine Schule musste wegen Masern zeitweise geschlossen werden oder sogar Schüler ohne Impfstatus vom Unterricht ausgeschlossen werden, obwohl sie kurz vor der Abiturprüfung standen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die aktuellen Ereignisse zeigen, die Entscheidung, sich impfen zu lassen, kann erhebliche Konsequenzen haben, weil sie auch andere betrifft. Dabei scheinen mir drei Aspekte besonders wichtig.
Erstens. Unsere Verfassung schützt das Selbstbestimmungsrecht und die körperliche Unversehrtheit. Beides wird durch Impfungen berührt. Ohne gesetzliche Grundlage darf hier nicht eingegriffen werden. Andererseits ist der Staat aber verpflichtet, die körperliche Unversehrtheit nicht nur des Einzelnen, sondern die Unversehrtheit aller Bürger dieses Staates zu gewährleisten.
Zweitens. Unsere Rechtsordnung schützt das elterliche Sorgerecht als tragenden Pfeiler der Familie. Eltern bestimmen über die Impfung ihrer Kinder. Sie tragen aber auch die Verantwortung für ihr Wohlergehen und ihre Gesundheit. Eltern brauchen deshalb ein Angebot qualifizierter, seriöser Beratungen zu den Impfungen, damit sie sich nicht auf Gerüchte vom Hörensagen verlassen müssen. Ich denke dabei insbesondere an die Behauptung, dass eine Masernimpfung Autismus auslöst – eine Behauptung, die nachweislich falsch ist und sich dennoch hartnäckig hält.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Drittens. Wenn man nun den Nutzen der empfohlenen Impfungen mit den potenziellen Nebenwirkungen vergleicht, überwiegt ganz klar der Nutzen. Moderne Impfstoffe sind allgemein gut verträglich. Zudem erspart jede nicht ausgebrochene Krankheit den Menschen eine akute Behandlung mit Medikamenten, die deutlich stärkere Nebenwirkungen haben als die Impfung selbst.
Wir wissen heute mehr über Infektionskrankheiten als je zuvor, und wir haben die Mittel, um gefährliche Krankheiten endgültig auszurotten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir dürfen deshalb nichts unversucht lassen, um die Bevölkerung endgültig von diesen Krankheiten zu befreien. Der vorliegende Gesetzentwurf enthält gute Ansätze zur Verbesserung der Impfquoten. Wir werden im parlamentarischen Verfahren eingehend erörtern und diskutieren, welche Wege wir hier gehen. Lassen Sie mich abschließend klar sagen: Sollten unsere Anstrengungen – –
Wenn der Abschluss kurz ist, ja.
Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. – Sollten alle Anstrengungen, mit Anreizsystemen zum Ziel zu kommen, in der Praxis fruchtlos bleiben, werden wir in einem zweiten Schritt auch verbindliche Maßnahmen prüfen müssen.
Meine Damen und Herren, in diesem Sinne wünsche ich uns allen eine konstruktive Beratung zu diesem wichtigen Gesetz. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Ich habe eine Bitte an alle Redner. Wir haben es jetzt ein paarmal erlebt, dass der zentrale Gedanke immer nach Ablauf der Redezeit kommt.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Es wäre an und für sich schön, wenn man ihn an den Anfang stellte und dann die Redezeit einhielte.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wie bei Presseerklärungen, jawohl, Herr Präsident!)
– Das war eine überparteiliche Bemerkung; es betraf alle Redner, die eben gesprochen haben.
Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abgeordneten Marina Kermer, SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4779813 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 95 |
Tagesordnungspunkt | Gesundheitsförderung und Prävention |