Martina Stamm-FibichSPD - Gesundheitsförderung und Prävention
Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister Gröhe! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist schon viel gesagt worden; das macht es gegen Ende der Debatte immer ein bisschen schwierig. Ich versuche es jetzt mit ein bisschen Handfestem.
Wie bei der Bildung – das haben wir heute schon oft gehört – hängen auch die Gesundheitschancen von Kindern und Jugendlichen in Deutschland von ihrer sozialen Herkunft ab. Zuletzt – auch das wurde heute schon mehrfach erwähnt – hat dies die KiGGS-Studie des Robert-Koch-Instituts bestätigt. Die KiGGS-Studie kommt zu dem Ergebnis, dass bei Kindern aus sozial benachteiligten Familien Risikofaktoren wie Bewegungsmangel oder Übergewicht stärker verbreitet sind und dass ein Drittel der Kinder aus diesen Familien von Verhaltensproblemen, Hyperaktivität oder Problemen mit Gleichaltrigen betroffen sind. Kinder aus armen Familien hinken in ihrer Entwicklung hinterher. Schon vor dem Schuleintritt sind sie massiv benachteiligt. Das geht aus einer weiteren Studie, die uns diese Woche vorgelegt wurde, einer Studie der Bertelsmann Stiftung, hervor.
Die Studien zeigen: Zusätzlich zum Präventionsgesetz sind langfristig weitere Investitionen in Bildung notwendig, aber auch in benachteiligte Quartiere und in Institutionen. Nur so können wir die Gesundheitschancen für unsere Kinder verbessern. Mögliche Ansätze sehe ich hier bei dem Programm „Soziale Stadt“ oder bei der Förderung von Kitas. Für mich ist klar, dass Ressourcen nicht nach dem sogenannten Gießkannenprinzip verteilt werden dürfen. Kitas und andere Einrichtungen brauchen mehr Geld, mehr Personal und andere Förderangebote. Dem muss das Präventionsgesetz Rechnung tragen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Die Basis für eine gesundheitsbewusste Lebensweise im Erwachsenenalter wird in der frühen Kindheit gelegt. Daher hat die Umsetzung primärpräventiver und früher sekundärpräventiver Elemente im Kindesalter große Effekte. Beim Thema Kinder- und Jugendgesundheit verfolgt die SPD-Bundestagsfraktion ein klares Ziel: Wir wollen gleiche Gesundheitschancen für alle Kinder erreichen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das ist eine weitreichende Forderung, die viele Einzelschritte erfordert. Einen ersten Schritt haben wir mit dem Entwurf eines Präventionsgesetzes getan.
Wer kleine Kinder hat, kennt dieses gelbe Heft.
(Die Rednerin hält das Kinder-Untersuchungsheft hoch)
Es hilft Eltern, den Überblick über die vielen Vorsorgetermine zwischen Geburt und Einschulung, also über die sogenannten Us, zu behalten. Bisher allerdings enden die Us – und damit auch das berühmte gelbe Vorsorgeheft – mit dem Moment, in dem es richtig schwierig werden kann, wenn nämlich aus dem Kindergartenkind ein Schulkind wird, wenn Entwicklungsstörungen, Essprobleme oder Ängste auftauchen können. Ich begrüße deshalb den Änderungsvorschlag zu § 26 SGB V. Ich freue mich über die Anhebung der Altersgrenze für die Us. Ich freue mich vor allem über die Änderungen, die auf eine qualitative Verbesserung der bestehenden Früherkennungsuntersuchungen hoffen lassen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Ich begrüße vor allem die Erweiterung der Früherkennung um die psychosoziale Entwicklung sowie die präventionsorientierte Beratung mit Überprüfung des Impfstatus. Auch dass Informationen zu regionalen Unterstützungsangeboten für Eltern und Kind Teil dieser Beratung sein sollen, findet meine ausgesprochene Anerkennung. Die letzte Entscheidung – die über das Wie – soll, wie so oft, der Gemeinsame Bundesausschuss fällen. Ich würde es sehr begrüßen, wenn alle drei Untersuchungen, die U10, die U11 und auch die J2, zu Regelleistungen werden würden.
Von der Geburt bis zum fünften Lebensjahr sind Kinder in Deutschland auch jetzt schon gut betreut. Seit inzwischen sieben Jahren bieten die Kinderärzte zudem drei weitere Untersuchungen an, die U10 und die U11 für Grundschüler und die J2 für 17-Jährige. Hier gibt es für vorsorgewillige Eltern allerdings einen Haken: Nicht alle Krankenkassen übernehmen die Kosten von rund 50 Euro pro Untersuchung, weil die drei Vorsorgetermine nicht im Leistungskatalog der gesetzlichen Kassen verankert sind. Eltern müssen also selbst in die Tasche greifen oder auf diese Vorsorge verzichten. Durch die flächendeckende Einführung einer zusätzlichen U- oder J-Untersuchung entstehen für die Krankenkassen jährlich voraussichtlich Mehraufwendungen im niedrigen einstelligen Millionenbereich. Dem gegenüber steht aber ein enormes Einsparpotenzial
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
durch die Vermeidung oder frühzeitige Erkennung von Störungen der gesundheitlichen Entwicklung. Kurzum – wir haben es schon oft gehört –: Vorbeugen ist besser als Heilen.
Durch diese Stärkung des Untersuchungsprogramms hoffe ich auch auf eine Verbesserung der Impfquoten von Kindern im Schulalter. Ich bin überzeugt davon, dass Impfungen, wenn sie mit Vorsorgeuntersuchungen zusammenfallen, auch durchgeführt werden. Deshalb begrüße ich auch die in Artikel 8 des Gesetzentwurfes geplante Änderung des Infektionsschutzgesetzes. Schutzimpfungen gehören zu den wichtigsten Maßnahmen im Rahmen der primären Prävention von Infektionskrankheiten.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Der Gesetzentwurf legt fest, dass die Überprüfung des Impfstatus und eine Impfberatung zum Bestandteil der Gesundheitsuntersuchung bei Erwachsenen und bei Kindern und Jugendlichen werden. Der Gesetzentwurf setzt – sehr zu Recht – bei den Kleinsten an. Die Eltern von Kindern, die in eine Kindertagesstätte aufgenommen werden sollen, müssen künftig nachweisen, dass eine ärztliche Impfschutzberatung erfolgt ist. Damit soll eine höhere Beteiligung an den Schutzimpfungen, die die Ständige Impfkommission empfiehlt, erreicht werden. Wie wichtig Impfungen sind – wir haben auch das schon einige Male gehört –, haben wir beim dramatischen Ausbruch der Masern gemerkt.
Frau Kollegin, wenn Sie auf Sachen hinweisen, die schon mehrfach gesagt worden sind, ist das in Ordnung. Aber wenn die Redezeit überzogen ist, finde ich, könnte man das weglassen; sie ist nämlich schon überzogen.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich komme zum Ende. – Mit dem Gesetzentwurf hat der Gesundheitsminister ein erstes Etappenziel erreicht; das begrüße und unterstütze ich ausdrücklich. Aber ein Etappenziel ist eben ein Etappenziel. Das übergeordnete Ziel der SPD-Bundestagsfraktion habe ich genannt – ich wiederhole es zum Schluss –: Wir wollen gleiche Gesundheitschancen für alle Kinder. Dieses Ziel ist erst erreicht, wenn uns Studien bessere Ergebnisse liefern.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Als letztem Redner in der Aussprache erteile ich das Wort dem Abgeordneten Dietrich Monstadt, CDU/CSU- Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4779877 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 95 |
Tagesordnungspunkt | Gesundheitsförderung und Prävention |