20.03.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 95 / Tagesordnungspunkt 20

Ingrid PahlmannCDU/CSU - Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Tribüne! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben es nun schon vielfach gehört: Frauen verdienen auch heute noch in viel zu vielen Fällen weniger als ihre männlichen Kollegen.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Frauen verdienen mehr, aber bekommen weniger!)

Der eigentliche Skandal sind aber nicht die durchschnittlich 22 Prozent Lohnunterschied, die sich zum großen Teil daraus ergeben, dass Frauen in schlechter bezahlten Berufen, in Teilzeit arbeiten oder eine durch Kindererziehung oder durch Pflegezeit unterbrochene Erwerbsbiografie haben, worauf wir heute am Brandenburger Tor noch einmal aufmerksam gemacht haben. Nein, der eigentliche Skandal, das sind die verbleibenden circa 7 Prozent Lohnunterschied, die bei gleicher Qualifikation zwischen den Einkommen weiblicher und männlicher Arbeitnehmer bestehen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist falsch!)

Dabei ist der Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit“ bereits seit langem im deutschen Recht verankert. Der Gleichberechtigungsgrundsatz in Artikel 3 Absatz 2 Grundgesetz verbietet, Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit ein geringeres Entgelt zu zahlen als Männern.

Benachteiligungen wegen des Geschlechts in Bezug auf Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts sind nach § 2 Absatz 1 Nummer 2 und nach § 7 Absatz 1 des Allgemeinen Gleichstellungsgesetzes unzulässig. Tja, da müssen wir aber zur Kenntnis nehmen, dass das, was wir bereits haben, eben nicht ausreicht. Deshalb müssen und werden wir handeln.

Die Frauen-Union der CDU fordert in diesem Zusammenhang schon lange und nicht erst seit neuestem die Überprüfung der circa 60 000 Tarifverträge mit Blick auf strukturelle Lohndiskriminierung. Schade, dass unsere Bundesarbeitsministerin nicht da ist. Ich denke, es wäre einmal eine schöne und wahrscheinlich lohnende Aufgabe für ihr Ministerium, diese Verträge zu durchforsten.

Die Große Koalition hat in ihrem Koalitionsvertrag die Instrumente klar benannt, mit denen sie die Entgeltgleichheit erreichen will. Wir wollen einmal die Feststellung des Wertes von Berufsfeldern, von Arbeitsbewertungen und die Bewertung von Fähigkeiten, Kompetenzen und Erfahrungen gemeinsam mit den Tarifpartnern voranbringen.

Doch wie erfährt Frau Meyer, Müller oder Schultze, ob sie gerecht entlohnt wird? Das erfordert Transparenz. Arbeitnehmer sollen einen individuellen Auskunftsanspruch erhalten, und Transparenz soll auch dadurch erreicht werden, dass Unternehmen ab 500 Beschäftigte verpflichtet werden, zur Frauenförderung und zur Entgeltgleichheit Stellung zu beziehen und dies dann bitte schön auch im Lagebericht zu veröffentlichen.

Die Einführung des Mindestlohns war zum Beispiel in der Pflege ein wichtiger Schritt hin zu mehr Lohngleichheit in einem gerade von Frauen häufig gewählten Berufsfeld. Unser Ziel bleibt es darüber hinaus, die Arbeit in der Pflege, Betreuung und frühkindlichen Bildung auch durch bessere Bezahlung weiter aufzuwerten. Ich denke, es muss unser Ziel sein, dass wir diese Bereiche stärken.

Ein Verbandsklagerecht, wie Sie es fordern, lehnen wir dagegen nach wie vor ab. Werden Frauen oder Männer diskriminiert, erhalten sie Unterstützung durch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes oder können den Rechtsweg beschreiten. Wir sind der Meinung, Diskriminierungen sind immer noch sehr individuelle Fälle. Das Verbandsklagerecht würde unseres Erachtens hier keine Verbesserung des Rechtsschutzes ergeben.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es stecken doch strukturelle Mechanismen dahinter!)

Zum Abbau der sogenannten mittelbaren Diskriminierung, die durch vermehrte Teilzeit- und teilweise prekäre Beschäftigung in schlechter bezahlten, eben typisch weiblichen Branchen gekennzeichnet ist, ist in den vergangenen Wochen in vielen Debatten zu diesem Thema schon vieles und viel Richtiges gesagt worden. Ziel unserer Politik kann aber meiner Meinung nach nicht sein, dass wir Frauen dazu drängen, mindestens eine vollzeitnahe Beschäftigung auszuüben, wie es von vielen Stellen gefordert wird, nur weil es heute immer noch schwierig ist, nach einer Familienzeit wieder voll ins Berufsleben zurückzukehren.

Ziel unserer Politik muss es sein, dass Frauen und auch Männer eben die Wahl haben, ob sie Vollzeit, Teilzeit oder vollzeitnah arbeiten oder auch eventuell erst nach einer Phase der Vollfamilienzeit wieder in den Beruf einsteigen, dann aber eben ohne größere finanzielle Nachteile und mit Anerkennung der Familienleistungen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was machen Sie denn dafür?)

Dass diese Anerkennung sich für viele Frauen wenigstens teilweise bei den erworbenen Rentenansprüchen niederschlägt, haben wir mit der Mütterrente bereits durchgesetzt.

(Lachen der Abg. Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich möchte Frauen, die sich aus welchen Gründen auch immer für eine Teilzeitbeschäftigung entscheiden, nicht vorschreiben, ihre Stundenzahl zulasten anderer Lebensbereiche zu erhöhen. Wer aber nach einer Erziehungs- oder Pflegephase die Rückkehr in die Vollzeit wünscht, der sollte diese Möglichkeit auch unkompliziert erhalten. Dazu können und müssen wir mit einem Rechtsanspruch beitragen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Hier möchte ich noch eines sagen: Ich bin dagegen, dass insbesondere die kleinen und mittelständischen Unternehmen durch zusätzliche Berichtspflichten und ausufernde Bürokratie zusätzlich belastet werden. Wenn aber die Wirtschaft und Betriebe über Fachkräftemangel klagen, dann erwarte ich von diesen Unternehmen und Betrieben auch größere Anstrengungen in Sachen Arbeitszeitflexibilität und Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das müssen wir von dieser Seite fordern.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Ich möchte nämlich nicht in einer Gesellschaft leben, in der der Staat unser Leben bis ins kleinste Detail gesetzlich durchreguliert. Gesellschaft muss sich auch immer selbst gestalten können und darf nicht als Erstes nach der Politik rufen, wenn sich etwas bewegen soll. Ich bin auch der Überzeugung, dass die Gesellschaft das kann, und sie wird es auch tun.

Ich möchte weiterhin niemandem vorschreiben, welchen Beruf er ergreifen soll. Mal abgesehen davon, dass es den vom Fachkräftemangel besonders betroffenen technischen Unternehmen und Betrieben selbst ein großes Anliegen sein muss, Frauen für ihre Branche zu gewinnen, sehe ich es überhaupt nicht ein, Frauen von der Ausübung sozialer Berufe abzuraten, weil sie schlechter bezahlt sind. Nein, die Forderung ist eine ganz andere: Die sozialen Berufe, ohne die unsere Gesellschaft – machen wir uns doch nichts vor! – überhaupt nicht funktionsfähig wäre, müssen endlich angemessen entlohnt werden. Ich denke, da stehen wir alle Seite an Seite.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Sie machen doch nichts dafür! Dann müssen Sie etwas tun!)

Ich kann leider auch nicht einsehen, dass ein Lagerarbeiter für körperlich schwere Arbeit Zuschläge erhält, aber Menschen in der Pflege ihre körperliche Schwerstarbeit nicht gesondert entlohnt bekommen.

(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was machen Sie dafür?)

Da müssen wir genau hinschauen und dann auch gezielt nachsteuern.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hinschauen, das machen wir schon seit Jahrzehnten!)

Die dazu erforderliche Transparenz in den Tarifverträgen müssen wir einfordern. Wenn dann vom Arbeitsministerium auch noch Missstände und Ungleichbehandlungen in den Tarifverträgen aufgedeckt und vielleicht sogar sanktioniert werden, ja, dann sehe ich endlich so etwas wie Licht am Ende des Tunnels. Dann fordern wir, liebe Frau Crone, die zurückbehaltenen zwei Eiskugeln für die Mädels ein. Wir sind auf der richtigen Seite. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass wir die Entgeltungleichheit endlich beseitigen und nächstes Jahr wesentlich früher am Brandenburger Tor stehen als in diesem Jahr.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Als nächste Rednerin erhält die Kollegin Gabriele Hiller-Ohm für die SPD das Wort.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4780163
Wahlperiode 18
Sitzung 95
Tagesordnungspunkt Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern
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