26.03.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 97 / Tagesordnungspunkt 20

Andrea LindholzCDU/CSU - EU-Assoziierungsabkommen Ukraine, Georgien, Moldau

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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Parlamentspräsident Groysman! Sehr geehrte Exzellenzen! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Jahr 2012 erhielt die Europäische Union den Friedensnobelpreis. Das Komitee wollte vor dem Hintergrund der ökonomischen Krise in Europa den Fokus auf den wichtigsten Effekt der EU lenken: die erfolgreiche Durchsetzung von Frieden, Versöhnung, Demokratie und Menschenrechten in Europa.

Angesichts des Krieges in der Ukraine müssen wir heute aber konstatieren, dass die EU ihrem Friedensanspruch zumindest im Rahmen der Östlichen Partnerschaft nicht gerecht werden konnte. Das ist keine Schuldzuweisung, sondern eine schlichte Tatsachenfeststellung. Es gehört zur Wahrheit, dass nicht alle Menschen in der Ukraine und in Moldawien die Annäherung an die EU wollen. Die Menschen in den georgischen Provinzen Abchasien und Südossetien sind seit dem Krieg von 2008 de facto kein Teil des Abkommens, das wir heute ratifizieren wollen.

Genauso gehört es aber zur Wahrheit, dass sich die große Mehrheit der Ukrainer, der Georgier und der Moldawier in demokratischen Wahlen für Europa entschieden hat, und zwar trotz der massiven Drohungen und Interventionen aus Russland. Auf dem Maidan in Kiew riskierten Tausende Ukrainer sogar ihr Leben, getrieben von dem Wunsch nach Demokratie und Freiheit – Werte, für die Europa gemeinsam einstehen muss. Als überzeugte Europäer unterstützen wir diese Entscheidungen, und als überzeugte Demokraten bewundern wir diesen starken Willen.

Ebenfalls gehört zur Wahrheit, dass Deutschland kein neutraler Akteur in diesem Konflikt ist, sondern ein aktiver Spieler sein muss. Als Schlüsselmacht in Europa kommt Deutschland eine besondere Bedeutung zu. Unsere Bundeskanzlerin und der Bundesaußenminister werden dieser Verantwortung mehr als gerecht. In enger Abstimmung mit unseren EU-Partnern verfolgen sie eine klare europäische Position, und sie werben mit bewundernswertem persönlichen Einsatz in Kiew, in Washington und in Moskau für ihre Überzeugung, dass der Konflikt in der Ukraine nicht mit Waffen zu lösen ist.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

So unsicher der Erfolg des Minsker Abkommens erscheint, es stellt heute die einzige Option dar, das Blutvergießen in der Ostukraine dauerhaft zu beenden. Alle Seiten, Russland, die Rebellen und auch die Ukraine, müssen das erkennen.

Die deutsch-französische Friedensinitiative ist auch ein Stück der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik für Europa. Vor dem Hintergrund unserer Geschichte vertrauen wir Europäer in der Sicherheitspolitik nicht alleine militärischen Mitteln. Ganz im Sinne des Osteuropäers Immanuel Kant setzt Europa heute vor allem auf Friedenssicherung durch Demokratie und freie Marktwirtschaft.

(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das ist aber nicht Kant!)

Die Assoziierungsabkommen, die wir gleich beschließen wollen, sind in dieser Hinsicht ein Teil der europäischen Sicherheitspolitik. Es liegt in unserem ureigenen Interesse, dass sich die Anrainerstaaten der EU unseren Werten annähern und auch die Chance bekommen, sich nachhaltig zu stabilisieren. Es ist richtig und legitim, dass Europa sie aktiv bei den notwendigen Reformen unterstützt.

Die Abkommen sollen in der Ukraine, in Georgien und Moldawien Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und freien Handel fördern. Europa hilft diesen drei Staaten mit dem Abbau von Handelshemmnissen, durch eine enge Kooperation in der Außenpolitik sowie bei der Modernisierung des Justizsystems und in Grundrechtsfragen. Als Anreiz für die Reformen stellt die EU bis 2020 rund 15,4 Milliarden Euro im Rahmen der Nachbarschaftshilfe zur Verfügung. Diese Unterstützung ist keine milde Gabe, sondern sie ist eine Investition in eine friedliche Zukunft Europas. Die erfolgreiche Umsetzung der Abkommen wäre ein Sicherheitsgewinn für ganz Europa.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Entscheidend für den Erfolg der Abkommen wird auch der Kampf gegen Korruption und für Rechtsstaatlichkeit sein. Nur wenn die Menschen ihrem Staat vertrauen können, werden stabile Demokratien entstehen.

Russland hat kein Vertrauen mehr in Europa, und Russland sieht in der Assoziierung eine Bedrohung. Die Gründe dafür mögen vielfältig sein. Ein Faktor ist sicherlich die Angst vor einem russischen Maidan. Das macht die neue russische Militärdoktrin vom 25. Dezember des letzten Jahres deutlich. Darin betont Russland explizit die Gefahr eines gewaltsamen Sturzes der verfassungsgemäßen Ordnung und verknüpft diese Gefahr mit außenpolitischen Gefahren.

Die Weltordnung, die vor 25 Jahren mit dem Fall der Mauer unterging, scheint sich in Osteuropa wieder aufzurichten: Zwei konkurrierende Gesellschaftsmodelle ringen dort um Einflusszonen. Niemand von uns kann aber ernsthaft einen zweiten Kalten Krieg wollen.

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Stimmt!)

Russland hat mit der Annexion der Krim und mit der Destabilisierung der Ostukraine die europäische Friedensordnung massiv beschädigt und viel Vertrauen zerstört. Dieser Bruch des Völkerrechts lässt sich nicht entschuldigen, und es wird Jahre dauern, das verlorene Vertrauen wiederzugewinnen. Trotzdem muss sich die EU mit Russland arrangieren. Zu einem neuen und stabilen Modus Vivendi mit Russland werden wir nur dann finden, wenn wir unsere unveräußerlichen Werte konsequent vertreten. Anderenfalls verlieren sie und damit auch die EU ihre Glaubhaftigkeit und ihre Stabilität.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Zur Glaubhaftigkeit, liebe Kolleginnen und Kollegen, gehört, dass wir den Wunsch der Menschen nach Demokratie und Freiheit aktiv unterstützen. Ich freue mich für die Ukraine, für Georgien und für Moldawien, dass der Deutsche Bundestag heute dem Willen der großen Mehrheit ihrer Bürgerinnen und Bürger entsprechen kann, ich glaube, ebenfalls mit großer Mehrheit, und eine Annäherung an die Europäische Union nun ermöglicht. Wir wollen sie auch künftig aktiv unterstützen, und ich bitte Sie alle daher heute, diesen drei Abkommen zuzustimmen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen nun zur Abstimmung über die von der Bundesregierung eingebrachten drei Gesetzentwürfe zu den Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits sowie der Ukraine, Georgien und der Republik Moldau andererseits.

Tagesordnungspunkt 20 a.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4809153
Wahlperiode 18
Sitzung 97
Tagesordnungspunkt EU-Assoziierungsabkommen Ukraine, Georgien, Moldau
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