Petra CroneSPD - Waldbewirtschaftung
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Forstwirtschaft in Deutschland ist ein ganz wichtiger Wirtschaftsfaktor. Allein in Baden-Württemberg werden die Umsätze laut landeseigener Clusterstudie aus 2010 auf 500 Millionen Euro beziffert. Zusammengenommen erwirtschafteten die Betriebe des Clusters Forst und Holz im Jahr 2008 im Ländle einen Umsatz von über 31 Milliarden Euro. Das ist eine ganze Menge. Ich hoffe sehr, dass wir hier einer Meinung sind, nämlich dass für diesen bedeutenden Wirtschaftszweig die marktwirtschaftlichen Grundsätze Anwendung finden müssen.
Ich benenne diesen Fakt so explizit, weil Außenstehende bei der Debatte den Eindruck gewinnen konnten, der Forstwirtschaft, vor allem der staatlichen, gehe es ausschließlich um das Erreichen von Gemeinwohlzielen. Die sind auch dabei, klar. Aber auch der Staatsbetrieb im Forst handelt unternehmerisch. Wer Holz verkauft, ist Marktteilnehmer und kann erst einmal keine Sonderrechte für sich in Anspruch nehmen – Punkt.
Nebenbei, liebe Kolleginnen und Kollegen: Ich hätte mir niemals gedacht, dass ich einmal Nachhilfe im Fach „Der Wettbewerb als Grundpfeiler der sozialen Marktwirtschaft“ geben werde. Aber wir wachsen ja alle mit unseren Aufgaben.
(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da sind wir einmal gespannt!)
Was finden wir also vor in der deutschen Forstwirtschaft, liebe Kolleginnen und Kollegen? Grundsätzlich können die forstliche Beratung sowie die Vorbereitung und Durchführung von Holzeinschlägen, auch das oft beschworene Auszeichnen von Bäumen zum Einschlag von privaten Förstern, Forstingenieuren und Forstunternehmen vorgenommen werden – oder von staatlichen.
In der Praxis zeigt sich aber in einigen Bundesländern, dass private Unternehmen es schwerer haben am Markt. Warum haben sie es schwerer? Hier können wir wirklich mal die Dinge beim Namen nennen, anstatt immer so kryptisch zu reden, als wüssten wir alle nicht, warum. Private Unternehmen haben es schwerer, weil die Landesforstbetriebe beihilferechtlich zumindest fragwürdige Preise unter den tatsächlichen Kosten verlangen. Die Preise sind durch den Steuerzahler indirekt subventioniert. Ich habe den Präsidenten der Forstkammer Baden-Württemberg, den CDU-Bürgermeister Roland Burger, sehr wohl gehört, als er bei der Mitgliederversammlung in Baden-Baden ins gleiche Horn blies: Künftig müssten die staatlichen Gebühren für die Dienstleistungen kostendeckend sein. Die bislang gewährte indirekte Förderung werde in eine direkte Förderung umgewandelt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir das Bild zeichnen wollen, das Wirtschaftskraft, Gemeinwohl und Forderungen nach einem neuen Paragrafen im Bundeswaldgesetz umfasst, dann, finde ich, sollte das Bild auch möglichst vollständig sein.
(Beifall bei der SPD)
In den vergangenen Jahrzehnten hat sich in einigen Bundesländern etwas aufgebaut, was die eine Seite als „Einheitsforstamt“ bezeichnet, die andere als „Monstranz desselben“ geißelt. Dieses Rundumwohlfühlpaket – so wurde es oftmals genannt – für alle Waldbesitzer, egal ob Staats-, Kommunal- oder Privatwald, beginnt bei den Pflanzungen und endet bei der Vermarktung und dem Verkauf des Holzes. Diese gängige Praxis rief bereits 2002 – das ist eben schon gesagt worden – das Bundeskartellamt nach einer Beschwerde der Sägeindustrie auf den Plan. Damals schon im Blickfeld: Baden-Württemberg.
Am Ende der Untersuchungen der 1. Beschlussabteilung des Bundeskartellamtes steht ein beachtliches Monopol. Andere nennen es Syndikat, wieder andere Vertriebskartell. Fakt ist: 60 Prozent des Rundholzaufkommens vertreibt der Landesbetrieb ForstBW. Das ist nicht nur Holz aus dem Staatswald, sondern auch Holz aus Kommunal- und Privatwäldern. ForstBW verhandelt für alle Waldbesitzer die Preise und bestimmt Kunden und Verkaufskonditionen. Das ist nicht nur ein Verstoß gegen das deutsche Kartellrecht, sondern ist auch potenziell geeignet, den innerstaatlichen Wettbewerb in der EU zu behindern. Das ist laut dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union verboten.
Früher lag die Schwelle für eine den Markt beherrschende Stellung bei 30 Prozent, heute bei 40 Prozent. In Baden-Württemberg sind es aber 60 Prozent.
(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auf was beziehen Sie das jetzt, auf welche Quote? Schauen wir uns doch mal den EU-Markt an!)
Und was, lieber Harald Ebner, steht noch mal im Wahlprogramm von Bündnis 90/Die Grünen von 2013 auf Seite 65? Sie fordern darin eine Stärkung des Bundeskartellamtes „bei der Regulierung von … monopolistischen Märkten“.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Sehr geehrte Damen und Herren, die Verhandlungen des Landes Baden-Württemberg in dem Kartellverfahren sind gescheitert. Das ist schade, denn Ende 2014 standen alle Zeichen auf Einvernehmen. Betreuungsangebote durch das Land für kleine private Waldbesitzer wären vom Kartellamt gebilligt worden. Da deren Holzmenge im Regelfall deutlich unter 100 Hektar liegt, hatte das Kartellamt eine entsprechende Schwelle pro Waldbesitzer vorgesehen. Ich will diesen Fakt noch einmal erklären, liebe Kollegen und Kolleginnen: Mit der 100-Hektar- Schwelle würdigt das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen den Arbeitsgemeinschaftsgedanken, ohne den die forstwirtschaftliche Leistung nicht möglich wäre. Heißt: Eine gedeihliche Kooperation zwischen Land und Waldbesitzern unterhalb dieser Schwelle wäre möglich gewesen.
Ehrlich gesagt: Ich hätte es besser gefunden, wenn Forstminister Bonde weiter mit dem Bundeskartellamt nach einer vernünftigen Lösung gesucht hätte. Das Land wird jetzt voraussichtlich die Untersagungsentscheidung abwarten, um diese dann gerichtlich überprüfen zu lassen. Ländersache also? Oder doch nicht?
Hoffnungsvoll blicken jetzt alle Beteiligten des Landes auf unser Landwirtschaftsressort im Bund. Auch die SPD-Bundestagsfraktion steht einer Änderung des Bundeswaldgesetzes nicht ablehnend gegenüber,
(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie? Jetzt doch?)
wenn sie denn ordentlich gemacht ist, also aus verfassungsrechtlicher Sicht okay ist, und wenn die fachlichen Probleme in den Ländern gelöst würden. Das ist die Prämisse der SPD an Gesetze: gute Gesetze und nicht Symbolpolitik, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD)
In insgesamt fünf Bundesländern sind die Strukturen bedenklich; folglich sind sie es in elf anderen Bundesländern nicht. Die Frage, die wir uns als Bundespolitiker stellen müssen, ist doch die: Warum sollte der Bund in die föderalen Strukturen ordnungsrechtlich eingreifen, wenn kartellrechtlich unbedenkliche Lösungen vor der Haustür liegen? Das Verfahren ruft zu Recht Kritiker und Mahner einer Gesetzesänderung auf den Plan. Was oftmals nicht gesehen oder besser nicht gesagt wird: Auch die Forstpartie hat keine einheitliche Position.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, selten wurde das Für und Wider präziser, klüger und vielschichtiger erwogen als beim Kolloquium in Freiburg. Ein bisschen mehr Verliebtheit in die Mühen des Details würde ich mir auch für unsere Debatte hier im Hohen Hause wünschen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir sind doch nicht der verlängerte Arm von Landesministern, lieber Harald Ebner. Wir tragen hier doch nicht Landespolitik aus, sondern suchen Gesetzesbegründungen für Geeignetheit und Erforderlichkeit der geplanten Kartellrechtsausnahme.
(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Tragen Sie jetzt den Entwurf mit, oder nicht?)
Nebenbei: Die Beantragung, über die Beschlussempfehlung eine namentliche Abstimmung durchzuführen, finde ich ziemlich kleinlich.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Echt?)
Als Abgeordnete sage ich: Das BMEL ist immer noch am Zug, an einer tragfähigen Formulierung für eine kartellrechtliche Lösung im Bundeswaldgesetz zu arbeiten. Hier wünsche ich mir von unserem Hause ein bisschen weniger sachdienlich-juristische Hinweise von außerhalb und ein Mehr an vertraulicher und konstruktiver Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Wirtschaft. Da ist bislang einfach zu wenig gelaufen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Sehr geehrte Damen und Herren, bestimmt vermissen Sie in meiner Rede bereits die berühmten drei Worte: gute fachliche Praxis. Das Bundesumweltministerium fordert deren Verankerung im Bundeswaldgesetz. Ich finde, für diese Forderung hat das BMUB gute Gründe, zum Beispiel, wenn eine Liberalisierung befürchtet wird. Es hilft übrigens auch ein Blick in das SPD-Regierungsprogramm von 2013. Bei Bündnis 90/Die Grünen finden Sie es auf Seite 157, Harald Ebner, zur Erinnerung. Warum Sie jetzt davon nichts mehr wissen wollen, müssen Sie mir mal in einer ruhigen Minute erklären. Vielleicht finden wir ja die Zeit.
Ich darf auch daran erinnern, dass wir 2008 in der Großen Koalition kurz vor der Einigung auf gemeinsame Kriterien zur guten fachlichen Praxis standen.
(Zuruf von der SPD: Hört! Hört!)
Was ist eigentlich so schlimm an ökologischen Mindeststandards im Wald, dass wir es nicht einmal schaffen, uns darauf zu verständigen, darüber zu sprechen, zu erörtern, wo Schnittmengen liegen könnten, wie ein Kriterienkatalog aussehen könnte, der dann für alle gilt? Denn dem, der sagt, das könne doch jedes Bundesland in den Gesetzen selbst regeln, da brauche es keine Ordnungspolitik von Berlin aus, dem sage ich: Ja! Das gilt dann aber auch für die kartellrechtskonformen forstlichen Strukturen. Ansonsten ist es föderal konfus.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Es gilt das von unserer Seite Gesagte in der vorliegenden Beschlussempfehlung: Die SPD-Bundestagsfraktion ist bei einer Änderung des Bundeswaldgesetzes an Bord, wenn uns die Regierung einen guten, fachlich und grundrechtlich haltbaren Entwurf vorlegt.
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der SPD)
Vielen Dank. – Nächster Redner ist Harald Ebner von Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4810305 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 97 |
Tagesordnungspunkt | Waldbewirtschaftung |