Barbara LanzingerCDU/CSU - Subventionen für Atomkraftwerke in der EU
Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen haben je einen Antrag zu einem – das gebe ich zu – nicht sehr einfachen Thema gestellt: zur Subventionierung von Atomkraftwerken in anderen Mitgliedstaaten der EU.
Wir haben in Deutschland die Energiewende beschlossen, und darauf sind wir stolz. Dennoch muss uns eines klar sein: Dies ist eine nationale Entscheidung. Auch wenn ich persönlich die Subventionierung aus moralischen Gründen, aber auch aus ökologischen Gründen nicht für die beste Lösung halte, so müssen wir uns dennoch an der Sachlage orientieren und an Gesetze halten. Ihre Anträge möchte ich daher aus juristischer und politischer Sicht betrachten.
Wir müssen uns aus juristischer Sicht nach den Grundsätzen der EU richten, die im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union stehen. Hier ist in Artikel 3 festgelegt, dass sich die Mitgliedstaaten zu einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb verpflichten. Dazu gehört natürlich auch, dass der Wettbewerb nicht durch staatliche Begünstigungen beeinträchtigt oder verzerrt werden darf. Darum haben die Mitgliedstaaten die EU-Kommission beauftragt, grundsätzlich darauf zu achten, dass die erforderlichen Wettbewerbsregeln eingehalten werden, damit der Binnenmarkt marktwirtschaftlich funktioniert.
Dieser Grundsatz spiegelt sich auch in den energiepolitischen Grundsätzen der EU wider. Artikel 194 AEUV besagt, dass die EU vor allem das Funktionieren des Energiemarktes sicherstellen und die Energieversorgungssicherheit gewährleisten will. In Artikel 194 Absatz 2 ist jedoch ein weiterer, wesentlicher Grundsatz geregelt: Im Rahmen dieser Regelungen kann jeder Mitgliedstaat frei über seinen nationalen Energiemix entscheiden. Dazu gehört auch die Frage, inwieweit einzelne Mitgliedstaaten Kernkraftwerke durch nationale Maßnahmen unterstützen.
Wenn Großbritannien für sich entscheidet, dass die Kernkraft ein wesentliches Element seiner Energieversorgung sein soll, dann können wir dies moralisch und ökologisch verurteilen. Die Grundsätze besagen aber auch, dass es nicht in den Aufgabenbereich der EU- Kommission fällt, sich diesbezüglich einzumischen.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schon, wenn es um Subventionen geht! –Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Doch, wenn es um Wettbewerb geht! – Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch, bei Wettbewerbsverzerrungen natürlich!)
Die EU-Kommission ist als Wächterin der Verträge nur befähigt, zu prüfen, ob öffentliche Zuwendungen im Einklang mit dem EU-Beihilferecht stehen und der Wettbewerb im Binnenmarkt trotz dieser Zuwendungen aufrechterhalten werden kann. Wir haben also juristisch keine Möglichkeit, die Entscheidung Großbritanniens über seinen Energiemix zu beeinflussen.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wieso das denn nicht?)
Auch wenn die Bundesregierung einen europäischen Förderrahmen oder sogar eine europäische Finanzierung für Kernkraftwerke ablehnt, geht es bei dem vorliegenden Sachverhalt nicht um eine politische Entscheidung, sondern erst einmal um die Klärung einer Beihilferechtsfrage.
Frau Abgeordnete, der Abgeordnete Lenkert möchte eine Zwischenfrage stellen. Wollen Sie sie ihm gewähren, oder wollen Sie weitersprechen?
Ich würde jetzt gern weiterreden. Das würde die Redezeit nur unnötig verlängern. – Nach der Einreichung des Antrags auf Beihilfe von Großbritannien hat die Kommission sachgerecht – wie in Artikel 108 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU vorgeschrieben – geprüft, ob es sich im Rahmen der bestehenden Regelungen um eine ungerechtfertigte Beihilfe handelt. Im Verlauf der eingehenden Prüfungen hatte sich Großbritannien dazu bereit erklärt, wesentliche Änderungen an den Projektfinanzierungsbedingungen vorzunehmen. Dadurch änderte sich die Sachlage, und die Kommission ist der Auffassung, dass die staatliche Unterstützung weiterhin in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Ziel steht und dass eine unangemessene Wettbewerbsverzerrung im Binnenmarkt vermieden wird.
Die Bundesregierung hat den Beihilfebeschluss der EU-Kommission zu Hinkley Point faktisch und rechtlich analysiert und darauf basierend festgestellt, dass der Beschlusstext keine beihilferechtlichen Aussagen enthält, die nach Ansicht der Bundesregierung so offensichtlich rechtsfehlerhaft sind, dass eine Nichtigkeitsklage hinreichend erfolgversprechend wäre.
Aus diesen Gründen halte ich fest: Es war keine politische Entscheidung, sondern die Anwendung von europäischem Recht. Die EU-Kommission trifft in diesem Bereich keine Entscheidung für oder gegen die Atomkraft, sondern sie prüft rein wettbewerbsrechtliche Fragen. Diese Prinzipien gelten übrigens auch für Förderregelungen für erneuerbare Energien.
An dieser Stelle komme ich zur politischen Antwort auf Ihren Antrag: Die Fraktion Die Linke schreibt, dass durch die Beihilfegewährung der EU-Kommission die klima- und verbraucherfreundlichen erneuerbaren Energien eine massive Benachteiligung erfahren und ausgebremst werden. Hierzu möchte ich Sie auf eine Studie hinweisen, die erstmalig darstellt, in welcher Höhe öffentliche Subventionen 2012 EU-weit gewährt wurden: in Höhe von rund 140 Milliarden Euro. Am meisten profitiert davon haben laut dieser Studie die erneuerbaren Energien mit über 40 Milliarden Euro.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann müssen Sie sagen, welche Studie das war!)
Laut der Studie erhält Deutschland mit 25 Milliarden Euro sogar die höchsten Energiehilfen in der Europäischen Union: 14,7 Milliarden Euro für Solarenergie und 10,1 Milliarden Euro nur für Onshorewindenergie. Hingegen werden fossile Energieträger nur halb so viel gefördert. Kernenergie macht mit 7 Milliarden Euro bei von der EU genehmigten Subventionen in allen 28 Mitgliedstaaten zusammen genau 5 Prozent aus. Man kann nun darüber diskutieren, ob es notwendig ist, diese überhaupt zu subventionieren. Das ist sicherlich diskussionswürdig.
Ich stimme der Fraktion der Grünen zu, dass wir eine risikobehaftete Energieform, wie es die Nuklearenergie ist, nicht fördern sollten. Deshalb haben wir in Deutschland die Energiewende und den Atomausstieg beschlossen. Das ist gut und richtig so. Dennoch müssen wir deutlich sagen: Es ist unser nationales Projekt und keines, welches von allen 28 Mitgliedstaaten genauso mitgetragen wird. Es ist zweifellos wünschenswert, dass benachbarte Länder und auch die EU insgesamt eine besser koordinierte Energiepolitik verfolgen und hierzu auch gezielter auf erneuerbare Energien achten sollten. Dennoch obliegt es uns nicht, andere Mitgliedstaaten zu maßregeln.
Mindestens genauso wünschenswert ist es auch, endlich mehr Wettbewerb in unsere stark subventionierte – ich sage dies bewusst – und regulierte Energiewirtschaft zu bringen. Wir wollen Wettbewerb statt Subventionen.
(Andreas G. Lämmel [CDU/CSU]: Richtig! Genau!)
So interpretiere ich auch Ihre heutigen Anträge. Sie sprechen hiermit endlich ein Thema an, das wir auch in Deutschland haben: Das EEG ist Subvention pur,
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)
von Rot-Grün vor über 14 Jahren als Anschubfinanzierung für die schwach ausgeprägten erneuerbaren Energien richtigerweise eingeführt. Ich denke aber, diese ist zunehmend zu überdenken.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Genau wegen dieses Instruments schaut die EU-Kommission auch bei uns sehr genau hin, inwieweit unser energiewirtschaftlicher Wettbewerb verzerrt wird. Denn der ursprüngliche Gedanke, einen Ausbau durch massive Beihilfen zu fördern oder fördern zu müssen, ist schon länger nicht mehr in diesem Ausmaß gegeben.
(Andreas G. Lämmel [CDU/CSU]: Richtig!)
Wer im Glashaus sitzt, sollte – damit möchte ich schließen – nicht mit Steinen werfen. Deshalb müssen wir in Bezug auf staatliche Subventionen selbst sehr stark aufpassen. Wir sollten niemanden kritisieren, wenn wir nicht ganz sicher sind, dass wir selbst keinen Anlass zur Kritik geben. Wir können Anregungen geben und ein Beispiel für andere Länder sein, aber wir können sie zu nichts zwingen.
Wir haben mit unserem Projekt Energiewende genug eigene Herausforderungen – ich spreche bewusst nicht von Problemen –, die angegangen werden müssen. Wir sollten uns – damit meine ich ganz explizit auch die Opposition – auf die aktuell in Deutschland zu bewältigenden Herausforderungen konzentrieren. In meiner Rede letzte Woche habe ich es bereits so formuliert, und ich möchte es Ihnen auch heute zum Abschluss mit auf den Weg geben: Ich würde mich freuen, wenn Sie ihre ganze Kraft, die Sie jetzt in Anträge stecken, verwenden, um uns bei all unseren Vorhaben zu den wirklich wichtigen Themen in der Energiepolitik zu unterstützen.
(Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Treiben müssen wir Sie! Treiben! – Zurufe von der LINKEN: Oh!)
Danke schön fürs Zuhören.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4810512 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 97 |
Tagesordnungspunkt | Subventionen für Atomkraftwerke in der EU |