24.04.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 101 / Tagesordnungspunkt 23 + ZP 6

Konstantin von NotzDIE GRÜNEN - Zusammenarbeit im Bereich des Verfassungsschutzes

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir diskutieren hier die Zukunft des Verfassungsschutzes, aber eben auch den Innen- und Sicherheitsbereich dieses Landes, einstmals das vermeintliche Aushängeschild konservativer Politik. Und heute? Probleme, Baustellen und Skandale überall.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Trotz der von der Bundeskanzlerin versprochenen rückhaltlosen Aufklärung versuchen derzeit noch fünf Untersuchungsausschüsse in den Ländern – und wahrscheinlich bald auch wieder einer in diesem Hause –, die vollständige Aufklärung der NSU-Morde zu gewährleisten, die bisher leider ausgeblieben ist.

Jede Woche gibt es neue Hiobsbotschaften bei den Geheimdiensten, gestern beim BND. Es hat erst eines Beweisantrages des Untersuchungsausschusses NSA bedurft, um zutage zu fördern, was BND und Bundeskanzleramt jahrelang bestritten haben. Und es gibt eine weitreichende Verstrickung Deutschlands im völkerrechtswidrigen Drohnenkrieg, der eben auch vom deutschen Territorialgebiet aus geführt wird. Das ist der Istzustand nach zehn Jahren Verantwortung der CDU für die Innenpolitik, und so geht es nicht weiter, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine Katastrophe!)

Ihr Antragspotpourri hier heute ist die Fortsetzung dieser Planlosigkeit. Sie stehen hier ohne einen einzigen Vorschlag, Herr de Maizière, zur Verbesserung der parlamentarischen Kontrolle, ohne jegliche Ansätze für einen besseren Daten- und Grundrechtsschutz und ohne eine einzige Idee, wie man im digitalen Zeitalter nachrichtendienstliche Aufklärung und Bürgerrechte besser miteinander vereinbaren kann.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Stattdessen haben Sie angekündigt, hier demnächst die abwegige Weltraumtheorie in Gesetzesform gießen zu wollen. Nach NSU und NSA stocken Sie anlasslos massenhaft Stellen auf und wollen allen Ernstes die hochproblematische V-Leute-Praxis einfach legalisieren und ausbauen. Darum geht es im Kern bei allen schönen Worten, Herr de Maizière.

Das Liken, Twittern und Chatten aller Bürgerinnen und Bürger in diesem Land soll in Echtzeit überwacht werden können, und das alles auch noch ohne eine konkrete gesetzliche Rechtfertigung. All das ist mit uns nicht zu machen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Doch damit nicht genug. Gleichzeitig kommen Sie allen Ernstes in diesen Tagen wieder mit der Vorratsdatenspeicherung um die Ecke. Herr Innenminister, ich will die Gelegenheit für folgende Kritik nutzen: Sie haben gesagt, Ihr Kompromiss – in Anführungsstrichen – wäre eine Chance, einen jahrelangen, teilweise erbittert geführten Streit zu befrieden. Das wäre schön. Die Leitlinien, die Sie vorlegen, widersprechen den Vorgaben des EuGH und des Bundesverfassungsgerichts aber offensichtlich, und das befriedet leider niemanden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Noch vor der Sommerpause wollen Sie Ihren Gesetzentwurf ganz offenbar ohne Anhörung und mit dem Hinweis, dass es ja eh keine Änderungen mehr durch das Parlament geben dürfe, durch dieses Hohe Haus peitschen. Auch das ist ein Affront gegen den Deutschen Bundestag.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Sie legen seit Jahren – und die SPD macht jetzt fröhlich mit – einen verfassungswidrigen Gesetzentwurf nach dem anderen vor, und dann beschweren Sie sich, Herr Schipanski, in der letzten Woche aus der Union auch noch allen Ernstes über das Bundesverfassungsgericht, das seine verfassungsrechtliche Arbeit macht. Das Bundesverfassungsgericht wird beschimpft. Wo sind wir eigentlich?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Beschimpfen tun Sie die Regierung!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Union, die Mechanismen unserer Verfassung sind Konsequenzen aus unserer Geschichte. Das Bundesverfassungsgericht anzugreifen, verfassungswidrige Gesetzentwürfe immer wieder billigend in Kauf zu nehmen und hier vorzulegen und das Parlament zu marginalisieren: Das geht einfach nicht, und wir widersprechen dem ausdrücklich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Alternative zu Ihrem ideenlosen und grundrechtsfeindlichen Weiter-so ist unser Entschließungsantrag.

Als Konsequenz aus dem unsäglichen NSU-Skandal fordern wir eine Zäsur beim Bundesamt für Verfassungsschutz. Das Amt muss aufgelöst und vollkommen neu durchsortiert werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die bisherige V-Leute-Praxis mit all ihren Skandalen muss endlich ein Ende haben. Weder darf der Staat überzeugte Nationalsozialisten beschäftigen und finanzieren, Herr de Maizière, noch darf man mit schweren Straftätern vertrauensvoll zusammenarbeiten. Das ist völlig inakzeptabel.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Burkhard Lischka [SPD]: Das werden wir auch nicht machen!)

Statt des Ausbaus der strategischen Internetrasterfahndung brauchen wir effektive grundrechtsschonende Instrumente, eine gesetzliche Begrenzung der Überwachung der digitalen Kommunikation und ein völlig neues parlamentarisches Kontrollsystem.

Die innere und öffentliche Sicherheit und die Menschen in Deutschland haben Besseres verdient als Ihren Gesetzentwurf.

Ganz herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Nächster Redner ist Stephan Mayer, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4968700
Wahlperiode 18
Sitzung 101
Tagesordnungspunkt Zusammenarbeit im Bereich des Verfassungsschutzes
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