Christian FlisekSPD - Aktuelle Sunde zur internationalen Zusammenarbeit von NSA und BND
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist gut, dass wir aus Anlass einer Aktuellen Stunde im Plenum wieder einmal Gelegenheit haben, über die Arbeit des NSA-Untersuchungsausschusses zu reden; denn der NSA-Untersuchungsausschuss hat seit seiner Konstituierung im letzten Jahr, wie ich finde, seine Arbeit gemacht, und er hat – auch das betone ich ausdrücklich – durch die gemeinsame Arbeit aller Fraktionen in diesem Ausschuss Beachtliches geleistet. Wenn man ein erstes Zwischenfazit ziehen will, dann kann es aus meiner Sicht nur lauten, dass die parlamentarische Kontrolle über die Geheimdienste in Deutschland im Grundsatz funktioniert.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Es ist die Kontrolle dieses Parlaments und seiner Abgeordneten in diesem Untersuchungsausschuss und im Parlamentarischen Kontrollgremium, die aktuell dafür Sorge getragen hat, dass offensichtliche Missstände in den deutschen Geheimdiensten und bei der Aufsicht über die deutschen Geheimdienste auf den Tisch kommen. Wir werden das vollständig weiterhin aufklären, wir werden das sachlich politisch bewerten, und wir werden uns dann auch darüber unterhalten und verständigen, welche Konsequenzen hieraus zu ziehen sind.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Clemens Binninger [CDU/CSU]: Das ist die Reihenfolge!)
Man kann in dieser Aktuellen Stunde – ich sage es einmal so – tüchtig auf die Pauke hauen, aber dafür sind die Dinge eigentlich zu ernst. Es ist eine ganze Reihe von Fragen, die den Anlass für diese Aktuelle Stunde bildet.
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Man muss sie aber auch ernst nehmen!)
– Wir nehmen sie ernst, Frau Göring-Eckardt.
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Kanzlerin ist nicht da! Der Innenminister ist nicht da!)
Eine ganze Reihe von Fragen steht auf der Tagesordnung. Hat der Bundesnachrichtendienst über Jahre hinweg bei seiner Fernmeldeaufklärung Suchbegriffe der NSA verwendet, die gegen deutsches Recht oder – was gleichbedeutend wäre – gegen deutsche Interessen massiv verstoßen haben? In welchem Umfang ist das geschehen? Welche Qualität haben die Informationen, die auf der Grundlage dieser Suchbegriffe an andere Geheimdienste gegeben worden sind? Waren es Informationen über deutsche Unternehmen, europäische Unternehmen, deutsche Politiker, europäische Politiker, europäische Institutionen? Wie konnte es dazu kommen? Wie können wir sicher sein, dass aktuell, also heute, sichergestellt ist, dass auf der Grundlage solcher Suchbegriffe keine Informationen mehr an amerikanische Geheimdienste weitergegeben werden?
Und auch das ist eine Frage: Warum haben offensichtlich Mitarbeiter im Bundesnachrichtendienst über einen längeren Zeitraum diesen Umstand nicht nach oben, an die Hausspitze, gemeldet, und warum ist dieser Umstand nicht an das Bundeskanzleramt als Aufsichtsbehörde weitergegeben worden? Offensichtlich – davon müssen wir ausgehen – ist nur aufgrund der Arbeit des Untersuchungsausschusses dem Bundeskanzleramt überhaupt zur Kenntnis gelangt, dass es solche Selektorenlisten gibt. Das alles deutet auf Organisationsdefizite, vielleicht auch auf Aufsichtsdefizite hin. Aber, meine Damen und Herren – das sage ich gezielt an die Kolleginnen und Kollegen von der Opposition –, wir müssen das sachlich aufklären, und zwar genau in dieser Reihenfolge.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Ich sage eines deutlich, zumindest für meine Fraktion in diesem Untersuchungsausschuss: Wir sind ein Aufklärungsgremium und kein Rücktrittsforderungsgremium. Aber weil das genau so ist, weil wir – das wiederhole ich gern – ein Aufklärungsgremium sind
(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
– seien Sie nicht so hysterisch, bleiben Sie nüchtern –,
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
müssen die Selektorenlisten dem Untersuchungsausschuss so schnell wie möglich zur Verfügung gestellt werden. Sie sind ein Kernbereich für unsere Aufklärungsarbeit, Herr Gysi. Wir brauchen diese Listen. Es gibt für die Vorlage auch geeignete abgestufte Verfahren. Da gibt es nicht nur Schwarz und Weiß; da gibt es Graubereiche. Das muss dem Bundesnachrichtendienst klar sein. Das ist mit Sicherheit dem Kanzleramt klar. Notfalls müssen wir davon auch unsere amerikanischen Freunde überzeugen.
Meine Damen und Herren, wir werden als SPD bei der Reform, die ansteht, klare Schwerpunkte setzen. Wir werden die Ausland-Ausland-Überwachung – da stehen wir an der Seite des ehemaligen Bundesverfassungsgerichtspräsidenten Papier – regeln. Ich bin davon überzeugt, dass wir das tun müssen; denn das, was wir gerade hier diskutieren, betrifft genau den Kernbereich. Wir können nicht immer nur empört mit dem Zeigefinger über den Atlantik zeigen und Standards für den Schutz deutscher Bürger und Unternehmen einfordern und selber genau das nicht leisten.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Paul Lehrieder [CDU/CSU])
Wir müssen hier in Vorleistung gehen. Wenn dieser Untersuchungsausschuss ein Ergebnis haben sollte, dann ist es das, dass wir als Deutsche bereit sind, diese Pionierarbeit zu leisten.
In globalen Zeiten und angesichts global tätiger deutscher Unternehmen, in denen Menschen vieler Nationen arbeiten, macht der Unterschied zwischen Inländern und Ausländern überhaupt keinen Sinn mehr, schon gar nicht in Bezug auf unsere europäischen Partner. Deswegen müssen wir das auf eine solide rechtsstaatliche Basis stellen und die Ausland-Ausland-Überwachung aus dem Graubereich herausholen. Wir müssen sie vor allen Dingen einer parlamentarischen Kontrolle zuführen. Das ist unsere Überzeugung. Die SPD-Kolleginnen und -Kollegen im PKGr und im Untersuchungsausschuss werden ihren Beitrag dazu leisten.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Es spricht jetzt Katrin Göring- Eckardt, Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5034079 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 102 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Sunde zur internationalen Zusammenarbeit von NSA und BND |