06.05.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 102 / Zusatzpunkt 1

Susanne MittagSPD - Aktuelle Sunde zur internationalen Zusammenarbeit von NSA und BND

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer! Das Thema ist sehr interessant; das ist sehr schön. Ich bin froh, dass diese Aktuelle Stunde von der SPD- und der CDU/CSU-Fraktion beantragt worden ist, um über die Kooperationen von BND und NSA in Deutschland zu sprechen.

(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wieso spricht eigentlich Sigmar nicht?)

Denn die Vorwürfe, die dem BND und auch dem Bundeskanzleramt in den letzten Tagen gemacht wurden, sind erheblich und erreichen zumindest in der Öffentlichkeit – deswegen ist der Zuspruch so groß – immer neue Dimensionen.

Aber die Presseberichte lenken die öffentliche Aufmerksamkeit auch endlich wieder vermehrt auf den NSA-Untersuchungsausschuss. Hoffentlich hilft uns diese öffentliche Resonanz bei der Durchsetzung unserer Beweisbeschlüsse im Ausschuss. Das sind inzwischen fast 300. Wir sind ja nicht untätig geblieben. Ich denke, seit einigen Tagen mehren sich offene Fragen, und damit steigt auch die Zahl der Beweisbeschlüsse. Aber schnelle Schlussfolgerungen, wie sie in den letzten Tagen geäußert wurden, helfen bei der wichtigen Aufklärungsarbeit des Untersuchungsausschusses nicht wirklich weiter.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Wir als Untersuchungsausschuss haben einen klar definierten Untersuchungsauftrag und klare Forderungen, um einen hochproblematischen Sachverhalt zu klären, sowohl öffentlich als auch nicht öffentlich. Dabei geht es nicht um Hörensagen, Schlussfolgerungen, Empfindungen oder Ähnliches, sondern es geht um belastende und entlastende Momente. Diese zu bekommen – das haben wir gemerkt –, wird wohl nicht ganz einfach sein. Das haben wir schon gemerkt, als wir schwarze Seiten, blaue Seiten und sogar gar keine Seiten in den Akten hatten. Es gibt externe Orte zum Lesen. Konsultationen ohne Ergebnis hatten wir auch schon. Es wird also nicht aufhören. Aber wir werden die Beweise bekommen. Sie sind unverzichtbar, so unangenehm es vielleicht für den einen oder anderen auch werden könnte.

(Beifall bei der SPD)

Eine sachliche öffentliche Diskussion kann da nur hilfreich sein. Ich betone: sachlich.

Es müssten jetzt alle Fakten auf den Tisch, und dann müssen die Zeugen befragt werden; so herum wird ein Schuh daraus. Einige werden wir eventuell erneut vernehmen müssen; da ist, denke ich, die Belehrung vor der Aussage wohl nicht komplett angekommen.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

Erst dann ist es sinnvoll, Konsequenzen zu fordern: organisatorisch oder rechtlich oder personell. Nur so bleiben der Ausschuss, das Parlament und die Politik glaubwürdig. Auch eine Regierung ist nur so glaubwürdig, wie sie mit eigenen Mängeln umgehen kann.

Die in den vergangenen beiden Wochen aufgeworfenen Fragen zeigen nur die Richtigkeit und Wichtigkeit des NSA-Untersuchungsausschusses. Denn erst durch die Beweisbeschlüsse dieses Ausschusses – es waren nicht die Grünen alleine – scheint sowohl dem BND als auch dem Kanzleramt die Brisanz der von den USA eingesteuerten Selektoren bewusst geworden zu sein. Die aufgeworfenen Fragen bestätigen auch die Richtigkeit und Wichtigkeit unserer im Ausschuss beschlossenen Vorgehensweise. Nur noch einmal zur Erinnerung: Erst kehren wir vor der eigenen Tür, also beim BND und bei dessen Kontrolle. Da scheinen wir mit der parlamentarischen Aufarbeitung offenbar noch lange nicht fertig zu sein.

Aber – vielleicht geht das in der einen oder anderen Diskussion unter –: Die Aufgabe des BND ist unter anderem die Unterstützung der Bundesregierung bei ihren sicherheits- und außenpolitischen Entscheidungen durch Bereitstellung von Erkenntnissen über das Ausland. Manchmal habe ich in dieser Diskussion das Gefühl, das wird ein bisschen vermischt.

Eine weitere Aufgabe ist die informatorische Unterstützung der Bundeswehr bei ihren Auslandseinsätzen. Es ist schon erwähnt worden: Die Bundeswehr ist in 14 Ländern im Einsatz. Das Stichwort lautet hier „Schutz der Truppe vor terroristischen Anschlägen“; das hat das eine oder andere Mal ja offensichtlich geklappt.

Hinzu kommt die Aufgabe, Informationen in Krisen oder bei Entführungen deutscher Staatsangehöriger bereitzustellen. Zurzeit gibt es mehrere Entführungsfälle. Darüber wird nicht öffentlich diskutiert – das ist auch richtig so –; aber das ist wichtig.

Es waren die Entwicklungen nach dem 11. September 2001, die zum Memorandum of Agreement mit der NSA geführt haben. Der Rahmen dieses Agreements ist klar definiert und nachvollziehbar. Wir müssen nun klären, ob und inwieweit sich beim BND im Laufe der Jahre ein gewisses Eigenleben und/oder ein großzügiges Interpretieren der rechtlichen und vertraglichen Rahmen breitgemacht hat – um es einmal milde auszudrücken. Das ist unsere Aufgabe. Wir müssen außerdem klären, ob und wann bei offenkundigen Verstößen des ausländischen Partners Meldungen an die BND-Spitze und das Kanzleramt gegangen sind und welche Folgen dies für die weitere Zusammenarbeit hatte. Ganz besonders interessant sind natürlich die Fragen: Wann und mit welchen Folgen?

Die Aufklärungsarbeit des Ausschusses wird sich dann in einem weiteren Schritt mit den USA und mit Großbritannien und deren Nachrichtendiensten beschäftigen; da sind wir nämlich noch gar nicht angekommen. Es geht um die Fragen: Was haben diese explizit in Deutschland unternommen, um, so wie es Edward Snowden nahelegt, ein engmaschiges Spionagenetz anzulegen, um die weltweite Kommunikation – Stichwort „full take“ – überwachen zu können? Bei all dem müssen wir noch klären, was zutrifft.

Diese Aufklärungsarbeit ist die Aufgabe, der wir nun schon seit über einem Jahr jeden Donnerstag in jeder Plenarwoche bis spät in die Nacht nachgehen. Die polizeiliche Ermittlungsarbeit hat als Grundlage die sieben goldenen W – der eine oder andere Polizist wird sie kennen –: Wer hat wann wo was wie mit wem warum gemacht? Das ist die Grundlage der Ermittlungsarbeit. So werden auch wir weiter vorgehen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dazu gehören Sachbeweise, und die brauchen wir bis morgen – es ist nun einmal so –, und zwar in Form von Selektorenlisten. Sie sind wichtig; denn sie sind Sachbeweise. Auch wenn ich mich da wiederhole: Die Selektorenlisten sind elementar für die Aufklärung. Erste Zeugenbefragungen dazu haben wir letzte Woche beschlossen; da haben wir unseren Plan schon geändert.

Im vergangenen Jahr und bis heute war die Zusammenarbeit im NSA-Untersuchungsausschuss – um auch einmal etwas Positives zu sagen – über die Fraktionsgrenzen hinweg sehr kooperativ und kollegial. Auch wenn es hier und da und bei der einen oder anderen Frage unterschiedliche Meinungen gab, hat uns bisher immer der gemeinsame Aufklärungswille gute Lösungen für die Arbeit des Ausschusses finden lassen. Das wünsche ich mir bei aller Aufgeregtheit der letzten Tage auch weiterhin.

Eins ist klar: Nur wenn wir – als vom Bundestag einstimmig eingesetzter Untersuchungsausschuss – zusammenarbeiten, können wir unserem Auftrag gerecht werden. Denn die Widerstände gegen unseren Aufklärungsauftrag sind auf beiden Seiten des Atlantiks gewaltig. Diese Widerstände gilt es zu überwinden. Da sind wir auf einem guten Weg. Als selbstbewusstes Parlament werden wir zusammen einen Weg finden, um sowohl berechtigten Geheimhaltungsinteressen –

Frau Kollegin, ich muss auch Sie ermahnen.

– ja; ich komme zu meinem letzten Satz – als auch dem öffentlichen und unserem eigenen parlamentarischen Anspruch auf Aufklärung gerecht zu werden. Ich denke, das bekommen wir hin.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Als nächster Redner hat Hans-Christian Ströbele vom Bündnis 90/Die Grünen das Wort.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5034099
Wahlperiode 18
Sitzung 102
Tagesordnungspunkt Aktuelle Sunde zur internationalen Zusammenarbeit von NSA und BND
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