07.05.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 103 / Tagesordnungspunkt 22

Martin DörmannSPD - Geschichte des Bundeskanzleramtes

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Morgen früh werden wir hier im Plenum in einer gemeinsamen Gedenkveranstaltung mit dem Bundesrat den 70. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs würdigen und damit auch die Befreiung von der NS-Diktatur.

Auf die Rede von Professor Heinrich August Winkler bin ich schon sehr gespannt. In seinen Arbeiten hat er sehr präzise und differenziert die Rolle Deutschlands vor und nach 1945 betrachtet. Er hat sich dabei auch immer dezidiert gegen jede Verharmlosung der nationalsozialistischen Verbrechen und Strukturen ausgesprochen. Ich glaube, uns allen hier im Haus muss an einer umfassenden Aufarbeitung der NS-Geschichte und ihrer Folgewirkungen sehr gelegen sein. Dazu gehören auch und gerade die deutsche Nachkriegsgeschichte und die Auseinandersetzung mit den personellen und institutionellen Kontinuitäten, die es eben leider auch gegeben hat. Ja, das ist eine schmerzhafte Erfahrung der deutschen Geschichte, und zwar sowohl der westdeutschen als auch der ostdeutschen Geschichte, die es sorgfältig aufzuarbeiten gilt.

Ganz sicher hat sich die junge Bundesrepublik allzu viele Jahre mit diesem Erbe sehr schwergetan. Es ist bereits erwähnt worden: Es war gut, dass dann unter rot-grüner Regierungsverantwortung eine Kommission die Geschichte des Auswärtigen Amtes aufgearbeitet hat und dass auch die Geschichte des BND in der Frühzeit der Bundesrepublik aufgearbeitet wurde. Dabei können wir aber nicht stehen bleiben.

Es sei aber auch darauf hingewiesen, dass sich die ehemalige DDR, deren Funktionseliten sich übrigens gerne als das bessere Deutschland bezeichnet haben, der Aufarbeitung dieser Kontinuitäten, die es im Osten Deutschlands eben auch gegeben hat, beinahe gänzlich verweigert hat.

In dem vorliegenden Antrag der Fraktion Die Linke wird nun die wissenschaftliche Aufarbeitung zu den NS- Belastungen der frühen Bundesrepublik Deutschland, aber auch nur dieser, thematisiert. Ein besonderer Fokus wird auf die systematische Untersuchung der Rolle des Bundeskanzleramts gerichtet. Zu diesem Zweck solle eine Historikerkommission eingerichtet werden.

Nun ist es so, dass wir in Bezug auf die Rolle des Bundeskanzleramtes, die wichtig ist, im Hinblick auf die NS-Thematik nicht bei null anfangen müssen. Sie ist zum Teil bereits in zahlreichen Untersuchungen und Publikationen dargestellt worden. Auch war sie gerade Teil der Untersuchung zur Erforschung der Frühgeschichte des Bundesnachrichtendienstes in den Jahren 1945 bis 1968. Das Bundeskanzleramt hat der damaligen Kommission Zugang zu allen Aktenbeständen gewährt, soweit diese Gegenstand des Forschungsauftrages waren. Das wurde übrigens auch in großem Umfang in Anspruch genommen.

Dennoch müssen wir uns sehr ernsthaft mit der Frage beschäftigen, wo es noch Defizite in der Aufklärung gibt und welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind. Genau das macht die Große Koalition, und das macht die Bundesregierung. Wir sind nämlich gerade in einem Prozess, in dem geklärt werden soll, wie der gegenwärtige Stand der Forschung ist, ob es weitere Bedarfe gibt und, wenn ja, wo.

Zu verweisen ist zunächst auf die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom März dieses Jahres. Darin wird ein umfassender Überblick über bereits abgeschlossene oder begonnene und laufende Forschungsprojekte von Bundesministerien oder nachgeordneten Behörden zur Aufarbeitung der NS-Vergangenheit in den Häusern gegeben.

Ich will zudem daran erinnern, dass in der vergangenen Wahlperiode ein überfraktioneller Antrag, wenn auch nicht von allen Fraktionen getragen, zu dieser Thematik verabschiedet wurde. Nicht zuletzt auf das Bestreben der SPD-Bundestagsfraktion wurde damals die Forderung nach einer Bestandsaufnahme in den Antrag aufgenommen, und zwar einer Bestandsaufnahme, in der neben einem Status quo der bisherigen Forschung auch die weiterhin bestehenden Forschungsdefizite im Hinblick auf die Geschichte der staatlichen Behörden und Institutionen im frühen Nachkriegsdeutschland aufgezeigt werden sollen, also sowohl in der Bundesrepublik als auch in der DDR. Dass dabei auch die DDR mit in den Blick genommen wird, ist übrigens ein wesentlicher Unterschied zu den Anträgen der Linksfraktion zu diesem Thema.

(Zuruf des Abg. Jan Korte [DIE LINKE])

Herr Korte, Ihr Enthusiasmus wäre noch glaubwürdiger gewesen – es liegt jetzt immerhin ein Antrag vor –, wenn Sie wenigstens mit einem Satz erwähnt hätten, dass es diese Kontinuitäten auch in der DDR gegeben hat.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Jan Korte [DIE LINKE]: Das habe ich doch nicht geleugnet! Darum geht es aber nicht!)

Dem damaligen Auftrag des Bundestages an die Bundesregierung, den ich erwähnt habe, eine solche Bestandsaufnahme zu beauftragen, kommt die Koalition nach. Sie ist bereits fest im Koalitionsvertrag verankert, in dem wir uns verpflichtet haben, die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit von Ministerien und Bundesbehörden voranzutreiben.

Wir lassen dieser Grundsatzposition auch Taten folgen. Die Beauftragte für Kultur und Medien hat diesen Auftrag einer Bestandsaufnahme mittlerweile an das Institut für Zeitgeschichte und an das Zentrum für Zeithistorische Forschung erteilt. Bis zum Ende des Jahres sollen erste Ergebnisse der Studie vorgelegt werden. Es sollen dabei sowohl Forschungsstand als auch Forschungsdefizite bei einzelnen Ressorts aufgezeigt werden, und zwar auch beim Bundeskanzleramt. Damit ist diese Bestandsaufnahme die systematische Vorbereitung für mögliche weitere Untersuchungen über die NS-Belastungen ebendort.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sehen, es bedarf nicht des vorliegenden Antrags, damit sich die Koalition und die Bundesregierung mit einer vertieften Auseinandersetzung und Untersuchung der NS-Geschichte befassen. Welche Schlussfolgerungen dann zu ziehen sind und welche konkrete Ausgestaltung weitere Forschungsaufträge haben sollten, das wird nach Abschluss der genannten Studie zu entscheiden sein, sei es im Hinblick auf Ministerien oder auf das Bundeskanzleramt. Ich denke, das ist der richtige Weg, um mit einem ernsten und wichtigen Thema angemessen und verantwortungsvoll umzugehen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Als nächste und letzte Rednerin in dieser Debatte hat Dr. Freudenstein von der CDU/CSU- Fraktion das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5040849
Wahlperiode 18
Sitzung 103
Tagesordnungspunkt Geschichte des Bundeskanzleramtes
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