Florian HahnCDU/CSU - Regierungserklärung zu Gipfeln Östliche Partnerschaft, G7- sowie EU-CELAC
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Östliche Partnerschaft ist von herausragender Bedeutung – wir haben das schon mehrfach heute gehört –, zu Recht. Es geht dabei um mehr als nur um die Außenpolitik der EU oder Handelserleichterungen; denn wir sind mit unseren Partnerländern nicht nur räumlich verbunden, sondern auch kulturhistorisch. Diese Partnerschaft hat auch eine geopolitische Dimension; das haben die Entwicklungen um die Assoziierungsabkommen mit der Ukraine, mit Georgien und mit Moldau gezeigt.
Russland lässt gegenwärtig leider nichts unversucht, die Annäherung der östlichen EU-Nachbarstaaten zu verhindern. Unsere Botschaft ist klar: Wir wollen gute Nachbarn sein, und wir wollen gute Nachbarn haben. Deshalb sind die Stabilisierung und die Demokratisierung unserer Nachbarländer in unserem ureigenen europäischen Interesse.
Die Östliche Partnerschaft ist aber nicht gegen Russland gerichtet. Es geht nicht um Entweder-oder, sondern um Sowohl-als-auch, und ich bin der festen Überzeugung: Am Ende des Tages wird auch Russland verstehen, dass die Östliche Partnerschaft eine Chance für alle ist: für uns, Europa, für die Partnerländer und für Russland selbst.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Heute, fast auf den Tag genau sechs Jahre nach der Gründung der Östlichen Partnerschaft, ist es Zeit für eine Bestandsaufnahme. Lassen Sie mich deswegen drei zentrale Punkte benennen:
Erstens. Bei der Östlichen Partnerschaft geht es nicht um die Missionierung unserer Nachbarn. Sie hat mit Zwangsbeglückung nichts zu tun und ist kein europäischer Imperialismus, sondern sie ist die natürliche Folge unserer Werte. Sie entspringt der Bereitschaft, Frieden und Freiheit, Sicherheit und Wohlstand zu teilen und gemeinsam zu mehren.
Das sehen auch die Menschen in der Ukraine so. Sie finden Europa so attraktiv, weil wir eben nicht in Einflusssphären denken, sondern die Menschen-, Bürger- und Freiheitsrechte garantieren, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit leben und das Recht der Staaten auf territoriale Integrität und Selbstbestimmung achten.
Das heißt aber auch: Wir dürfen es 25 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs nichts zulassen, dass das Rad der Zeit zurückgedreht und die Freiheit zurückgedrängt wird. Das wäre nicht nur ein Rückschritt für die betroffenen Länder, sondern auch für uns in Europa. Deshalb möchte ich Ihnen, Frau Bundeskanzlerin, für Ihren unermüdlichen Einsatz für den Frieden in der Ukraine danken.
Es ist richtig, dass wir nun die Sanktionen an Fortschritte bei der Umsetzung der Minsker Vereinbarungen knüpfen. Aber auch die Ukraine muss ihre Probleme entschlossener angehen. Das Land braucht Wirtschafts- und Regierungsreformen. Klar ist aber auch: Eine Lösung der aktuellen Krise kann es nur mit Russland geben. Das gilt sowohl für die Ukraine als auch für den Nahen Osten und für den Norden Afrikas.
Wir dürfen den Gesprächsfaden nicht abreißen lassen. Gemeinsam an der europäischen Friedensordnung zu arbeiten, ist auch eine Chance für Russland. Es ist gut und richtig, dass die Bundesregierung klare Kante zeigt und gleichzeitig im Gespräch bleibt. Das ist die Marschroute der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik in der EU.
Zweitens. Sechs Jahre Östliche Partnerschaft haben unmissverständlich klargemacht: Es gibt nicht die eine Strategie für alle Partnerländer. Dafür sind sie einfach zu unterschiedlich. Wir brauchen deshalb ein differenziertes und auf die einzelnen Länder fokussiertes Vorgehen. Es ist an der Zeit, dass Europa konkrete Perspektiven für verschiedene Arten der Partnerschaften entwickelt.
Die EU-Vollmitgliedschaft kann nicht das einzige Ziel sein. Das überfordert die Länder der Östlichen Partnerschaft und vor allem auch uns. Wir brauchen in Europa jetzt eine Vertiefung und nicht eine Erweiterung.
Im Übrigen zeigt sich auch hier, dass unser Weg zu einer privilegierten Partnerschaft mit der Türkei der richtige war. Ich kann nur sagen: Ich bin froh, dass wir keinen Autokraten Erdogan in der EU haben, der das Land islamisiert, Frauen- und Presserechte mit Füßen tritt, die Gewaltenteilung untergräbt und die in Deutschland lebenden Türken gegen ihre neue Heimat und unsere gemeinsame Gesellschaftsordnung aufwiegelt.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Prinzipiell darf es keinen Aufnahmeautomatismus geben – für kein Land. Deswegen ist es richtig, dass wir die Fortschritte bei der Östlichen Partnerschaft an konkrete Reformen binden und die Dokumentation durch die Fortschrittsberichte der EU-Kommission einfordern.
Wir dürfen dabei natürlich keine falschen Erwartungen wecken, und wir dürfen uns auch nicht auseinanderdividieren lassen; denn Europas Trumpf ist Geschlossenheit. Umso unerträglicher ist das Verhalten der griechischen Regierung. Wir müssen deswegen klarmachen: Wer die Solidarität Europas will, muss sich zu Europa bekennen. Wir lassen uns nicht erpressen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Drittens. Was derzeit auf dem Mittelmeer passiert, ist eine humanitäre Katstrophe und mit unseren Werten unvereinbar.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie der Abg. Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Wir werden das Elend der Flüchtlinge nur dann lindern können, wenn wir die Nachbarschaftspolitik mit den nordafrikanischen Staaten intensivieren. Wir unterstützen deshalb die Bemühungen der Europäischen Kommission zur Neuausrichtung der Europäischen Nachbarschaftspolitik – gerade auch hin zu unseren südlichen Partnern.
Aber: Wir alleine können die Probleme Afrikas nicht lösen, schon gar nicht, indem wir eine Massenzuwanderung nach Europa zulassen. Wir dürfen deshalb keine weiteren Anreize schaffen, sondern müssen unseren Dreiklang beherzt umsetzen. Der heißt: Seenotrettung verstärken, Schlepperbanden das mörderische Handwerk legen und Fluchtursachen durch Hilfe in den Herkunftsländern bekämpfen.
An dieser Stelle möchte ich einen besonderen Dank an unseren Minister Müller richten, der mit der Sonderinitiative „Fluchtursachen bekämpfen“ bereits über 100 Projekte auf den Weg gebracht hat. Ich denke da beispielsweise an die Beschulung von insgesamt 80 000 Kindern im Libanon. Das sind genau die richtigen Maßnahmen, die wir brauchen. Deswegen ist es richtig, dass der entsprechende Etat einen Aufwuchs erfahren hat.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Zur Wahrheit gehört auch: Die meisten Asylsuchenden kommen nicht aus Syrien oder Nordafrika, sondern vom Balkan und damit aus sicheren Herkunftsstaaten mit Anerkennungsquoten von unter 1 Prozent. Das sind eben keine Flüchtlinge, die um Leib und Leben fürchten müssen. Wir alle sind aufgefordert – auch die EU-Kommission –, das abzustellen – allein schon im Interesse derer, die unserer Hilfe wirklich bedürfen.
Ebenso entscheidend ist dabei, dass wir zu einer gerechteren Verteilung der Flüchtlinge kommen. Das vereinbarte Quotenmodell ist ein richtiger Schritt. Aber es kann nicht sein, dass Länder, die in den vergangenen Jahren immens von der europäischen Solidarität profitiert haben, sich jetzt einen schlanken Fuß machen. Solidarität ist keine Einbahnstraße, sondern eine gemeinsame Aufgabe für ganz Europa.
In einer so vernetzten Welt wie der heutigen müssen die entscheidenden Akteure natürlich zusammenarbeiten. Deshalb ist es gut, dass sich die führenden Industriestaaten am 7. und 8. Juni zum G-7-Gipfel im bayerischen Elmau treffen. Denn Frieden und Freiheit, Sicherheit und Wohlstand – das schaffen wir nur gemeinsam. Das gilt auch für die Bekämpfung der Geißel der offenen Gesellschaft, den internationalen Terrorismus. Wenn sich der Terrorismus global vernetzt, müssen auch die Nachrichtendienste und die Sicherheitsbehörden eng zusammenarbeiten; das war die Erkenntnis nach 9/11. Deshalb war es folgerichtig, dass die damalige Regierung die Zusammenarbeit des BND mit der NSA vereinbart hat. Ohne diese Zusammenarbeit hätten wir unsere Soldaten in den Auslandseinsätzen nicht ausreichend schützen können.
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Sehr richtig!)
Ohne diese Zusammenarbeit hätten wir auch keinen Anschlag vereiteln können, nicht den des Kofferbombers von Köln und auch nicht den der Sauerland-Gruppe. Diese Zusammenarbeit der Nachrichtendienste hat in den letzten Jahren unzählige Leben gerettet. Deshalb brauchen wir sie auch in Zukunft.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Aber klar ist auch, dass es offene Fragen gibt, die abgearbeitet werden müssen, aber bitte nicht über die Bild am Sonntag, sondern in den demokratisch legitimierten Gremien. Alles andere hat nichts mit staatsbürgerlicher Verantwortung zu tun. Auf Verantwortung kommt es jetzt an, für unsere Freiheit und für unsere Sicherheit. Das eine ist ohne das andere nicht möglich. Das dürfen wir nie vergessen.
Meine Damen und Herren, zum Abschluss: Wir haben vorhin von Toni Hofreiter gehört, dass die Bundeskanzlerin so ungefähr an allem schuld ist,
(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht an allem, aber an manchem!)
wohl auch daran, dass der Weltfrieden noch nicht eingetreten ist. Aber an der Schwäche der Opposition, lieber Herr Hofreiter, sind Sie schon selber mit schuld.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Klaus Barthel das Wort.
(Beifall bei der SPD)
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Electoral Period | 18 |
Session | 106 |
Agenda Item | Regierungserklärung zu Gipfeln Östliche Partnerschaft, G7- sowie EU-CELAC |