21.05.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 106 / Zusatzpunkt 4

Christian FlisekSPD - Aktuelle Stunde zur Freigabe der NSA-Selektoren-Liste

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Die Arbeit des Untersuchungsausschusses genießt seit einigen Wochen wieder erhöhte Aufmerksamkeit. Das zeigt sich auch daran, dass wir jetzt in fast jeder Sitzungswoche eine Aktuelle Stunde dazu haben. Ich denke, das ist gut so, weil wir hier öffentlich debattieren. Man kann eine solche Aktuelle Stunde aber auch für die üblichen Reflexe und Rituale nutzen. Dazu sagen ich, Herr Korte und Herr von Notz: Damit wird man der Sache nicht gerecht,

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

weil sie in Wahrheit viel komplexer ist. Das wissen Sie auch. Es ist eine Abwägungsentscheidung zu treffen zwischen dem elementaren Aufklärungsinteresse dieses Hauses, seiner Abgeordneten, des Untersuchungsausschusses und des PKGr einerseits und dem Staatswohlinteresse der Bundesrepublik Deutschland, dem Interesse an einer funktionierenden Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten und einer funktionierenden nachrichtendienstlichen Kooperation mit amerikanischen Geheimdiensten andererseits.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Wir sind darauf angewiesen in Zeiten internationaler terroristischer Bedrohung. Der Unterschied ist der: Wir wollen diese Kooperation auf den Boden der Verfassung holen – dafür gibt es diesen Ausschuss –, wir wollen Missstände, die es vielleicht gegeben hat, aufklären, und wir wollen gemeinsam dafür sorgen, dass das in Zukunft auch abgestellt wird.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Der Untersuchungsausschuss befragt seit zwei Wochen Zeugen aus den Reihen des Bundesnachrichtendienstes zu dem Komplex Selektoren. Wir reagieren damit auf die sehr schwerwiegenden, massiven Vorwürfe, die derzeit in der Öffentlichkeit diskutiert werden. Es heißt, dass eventuell mithilfe des BND NSA-Selektoren eingespeist worden sind, dass Suchbegriffe verwendet worden sind, um beispielsweise Wirtschaftsspionage zu betreiben oder europäische Partner, Institutionen und Persönlichkeiten auszuspionieren. Das sind schwerwiegende Vorwürfe. Darauf reagieren wir.

Wir haben uns heute in der Beratungssitzung des Ausschusses über alle Fraktionen hinweg auf ein gemeinsames Zeugenprogramm bis zur Sommerpause verständigt. Ich sage sehr deutlich: Es ist sehr unbefriedigend, wenn wir die Zeugen befragen müssen, ohne eigentlich zu wissen, was in dieser Selektorenliste genau steht.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! So ist es!)

Deswegen sagt meine Fraktion sehr deutlich: Wir brauchen unverzüglich in geeigneter Weise Einblick in diese Listen. Wir brauchen diesen Einblick, damit wir mit Substanz unsere Arbeit machen können. Das ist wichtig. Ich glaube, mittlerweile wurden ausreichend Signale gesetzt. Ich denke, auch das Kanzleramt hat dies verstanden.

Ich sage auch: Wenn man das erst einmal akzeptiert, dann wäre es auch schön, wenn man einen zweiten Schritt akzeptierte: dass es dafür eben nicht nur ein, sondern mehrere Verfahren gibt, die in Betracht kommen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Genau!)

Ein Beispiel ist das Treptow-Verfahren, bei dem die Obleute Einblick nehmen können; aber, Herr Kollege Korte, es könnte auch ein Ermittlungsbeauftragter sein. Das ist keine Erfindung, die wir jetzt machen, sondern ein bewährtes Aufklärungsmittel aus der Vergangenheit, mehrfach im Parlamentarischen Kontrollgremium praktiziert.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Sie haben in diesem Zusammenhang von einer Entmachtung des Parlaments gesprochen. Dadurch werden die Erfolge der vergangenen Zeit, in der ein solches Instrument eingesetzt worden ist, mit Füßen getreten.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Ich sage noch eines dazu: Wenn wir uns auf die Einsetzung eines solchen Ermittlungsbeauftragten einigen – ich sehe sehr deutlich, dass das Kanzleramt zusammen mit dem Parlament das Signal setzt, an einer Lösung zu arbeiten, und begrüße das ausdrücklich –, dann muss das nicht der letzte Schritt sein; aber es ist wichtig, dass wir zügig einen ersten Schritt machen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann muss der nächste Schritt kommen!)

Es muss nicht der letzte Schritt sein, weil wir uns abhängig vom Ausgang des Ermittlungsergebnisses dieses Beauftragten selbstverständlich als Parlamentarier alles Weitere vorbehalten. Insofern sage ich: Überlegen Sie sich bitte noch einmal Ihre Position, Ihren Standpunkt und die Äußerungen, die in diesem Zusammenhang gefallen sind. Ich denke, uns ist daran gelegen, dass wir hierbei insgesamt sehr zügig weiterkommen.

Lassen Sie mich noch einen Satz zum Schluss sagen. Wir als SPD sind bereits jetzt davon überzeugt, dass unabhängig davon, wie es mit den Selektoren weitergeht, dringender Regelungsbedarf beim BND-Gesetz und beim G 10-Gesetz besteht. Wir sind der Überzeugung, dass hier zum Teil mit Mitteln des 21. Jahrhunderts gearbeitet wird, diese Regelungen jedoch oft noch aus dem letzten Jahrhundert stammen – ich sage es einmal überspitzt –, aus Zeiten des Kalten Krieges.

Das Denken zwischen Freund und Feind, zwischen Inländern und Ausländern macht keinen Sinn mehr; dieser festen Überzeugung bin ich. Wir müssen zwischen gefährlichen und ungefährlichen Personen unterscheiden; diese gibt es sowohl im Inland als auch im Ausland. Das muss der Ansatz des Denkens und Arbeitens unserer Nachrichtendienste sein. Ich denke, wir müssen uns gemeinsam an die Arbeit machen, verfassungskonforme rechtsstaatliche Rechtsgrundlagen für die Routineüberwachung zu schaffen und dafür zu sorgen, dass sie nicht im Schmuddelbereich, im Graubereich weiterexistiert. Wir müssen sie einer effizienten parlamentarischen Kontrolle zuführen. Das ist es, worauf wir uns konzentrieren sollten, und ich bin jederzeit gern bereit, mit Ihnen zu diskutieren.

Eine Schlussbemerkung noch: Wir sollten uns – egal, auf welcher Seite des Hauses wir sitzen – nicht gegenseitig absprechen, dass wir für das Staatswohl eintreten.

(Jan Korte [DIE LINKE]: Ich habe Seehofer zitiert!)

Wir arbeiten hier, wenn auch manchmal im Dissens, intensiv in den Debatten. Ich finde es sehr wichtig, dass wir die Arbeit des anderen achten; denn wir tragen zusammen mit der Bundesregierung zum Staatswohl bei.

In diesem Sinne herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Nächster Redner ist Stephan Mayer von der CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5114850
Wahlperiode 18
Sitzung 106
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zur Freigabe der NSA-Selektoren-Liste
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