Sybille BenningCDU/CSU - Studienförderung und Studienfinanzierung
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren auch auf der Tribüne! Aber ganz besonders: Meine lieben Kollegen von der Grünenfraktion!
(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Danke schön!)
Was soll dieser Antrag eigentlich? Sie wollen das Deutschlandstipendium abschaffen?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Nicole Gohlke [DIE LINKE]: Ja, ja!)
Ist das Ihre Botschaft an etwa 22 000 Stipendiaten? Für sie gibt es kein Stipendium mehr? Ist das Ihre Botschaft an die vielen Förderer, die allein im letzten Jahr 24 Millionen Euro für das Stipendium gegeben haben: „Euer Geld brauchen wir nicht mehr, wir wirtschaften wieder ohne euch“?
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Geld muss besser und richtig investiert werden!)
Das kann doch wohl nicht wahr sein.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Es ist offenkundig, dass das Deutschlandstipendium ein Erfolg ist. Dass es Kraft kostet, auch in Form von Verwaltungskosten, ein neues, so nie dagewesenes Programm anzuschieben, das ist doch wohl klar.
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wasserköpfe!)
Es ist wie mit neuen Schuhen: Zuerst drücken sie ein bisschen, und dann müssen sie eingelaufen werden, damit man mit ihnen einen langen Weg laufen kann.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Nicole Gohlke [DIE LINKE]: Wie viele Jahre darf es denn drücken? – Zuruf von der CDU/CSU: Nachhaltig!)
– Das ist auch nachhaltig.
Jetzt haben die Hochschulen die Strukturen aufgebaut, jetzt läuft es, und jetzt kommen Sie und sagen: „Alles umsonst, zurück auf null“?
Wissen Sie eigentlich, dass der Bund mit dem Deutschlandstipendium jetzt etwa doppelt so viele Studierende fördern kann wie vorher über die Begabtenstipendien? Dadurch, dass private Förderer wie Unternehmen, Stiftungen oder auch Privatpersonen die eine Hälfte der Stipendien tragen, hat sich in der Tat eine ganz neue Stipendienkultur in Deutschland etabliert,
(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 0,76 Prozent! – Nicole Gohlke [DIE LINKE]: 0,76 Prozent – das ist wirklich eine neue Stipendienkultur!)
eine privat-öffentliche Bildungspartnerschaft, etwas ganz Neues. Gewöhnen Sie sich einmal daran!
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das ist sozusagen eine Stipendienkulturrevolution.
(Lachen des Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 0,76 Prozent!)
So ist es. Sie können ja mitmachen.
So vielfältig wie heute war die Geberseite noch nie. Die Möglichkeit, mit überschaubaren Beiträgen ein überschaubares Engagement zu leisten, lockt auch viele Privatpersonen. Einige Universitäten bieten zum Beispiel auch Crowdfunding an, bei dem mehrere Spender mit kleinen Beiträgen
(Nicole Gohlke [DIE LINKE]: Ja, jeder 10 Euro!)
einen Stipendiaten finanzieren. So werden Menschen erreicht, die zuvor kaum Kontakt oder gar keinen Kontakt zur örtlichen Hochschule hatten.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Gerade diese Förderer sind oft besonders begeistert von diesen engagierten Menschen, die sie sonst nie getroffen hätten. Und so wird auch die Hochschule ein deutlich lebendigerer Teil der Zivilgesellschaft.
Bei den Veranstaltungen zum Deutschlandstipendium, zum Beispiel bei den Vergabefeiern, entstehen jetzt neue Kontakte zwischen Studierenden, Universitäten und Spendern,
(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber dafür brauchen die doch keine Bundesregierung! Das können die alles selber machen!)
von denen alle Seiten profitieren. Hier heißt mitmachen: gemeinsam gewinnen – ganz nach dem Motto des Deutschlandstipendiums „Voneinander lernen, miteinander fördern“.
Viele Unternehmen bieten ihren Stipendiaten zusätzlich zu den finanziellen Mitteln Einblicke in ihre Betriebe. Es entwickeln sich Netzwerke, die in die Region und darüber hinaus auch global wirken. Studierende verschiedener Fächer finden über Projektarbeit zueinander, und durch Verknüpfungen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft sowie Privatleuten bilden sich völlig neue Synergieeffekte.
Aber wer bekommt eigentlich ein Deutschlandstipendium? Jemand, der überdurchschnittliche Leistungen erbringt, und zwar nicht nur in seinem Studienfach.
(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Geisteswissenschaftler offensichtlich nicht!)
Die Stipendiaten sind ehrenamtlich engagiert oder in vielen Fällen der erste Studierende in der Familie oder familiär stark eingebunden oder erst kürzlich nach Deutschland gekommen, mussten dazu möglicherweise sogar Hindernisse überwinden und die deutsche Sprache lernen. Das sind alles Leistungen, die nicht mit Noten zu bewerten sind.
Diese Leistungen einmal anzuerkennen, ist auch eine Frage der Gerechtigkeit. Hier werden nämlich Menschen mit Talenten erkannt, die noch andere Kompetenzen haben, die ebenso elementar wichtig sind wie fachspezifische Begabung.
(Nicole Gohlke [DIE LINKE]: Das stimmt doch einfach nicht! Das ist Augenwischerei!)
Unser Land, wir brauchen Menschen mit Persönlichkeit und einem Sinn für das, was unsere Gesellschaft voranbringt.
(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was hat das mit dem Deutschlandstipendium zu tun?)
Gerade die Anerkennung durch das Stipendium – so haben mir viele erzählt – stärkt ihr Selbstbewusstsein und ihre Motivation, diese hohe Leistung weiterhin zu bringen. Auch wenn 300 Euro niemanden voll finanzieren, so machen sie doch oft den entscheidenden Unterschied aus, ob ein Nebenjob nötig ist, ein Auslandssemester drin ist oder die Belegung von Kursen über den normalen Lehrplan hinaus möglich ist. All das wollen Sie den Deutschlandstipendiaten, den Förderern und den Hochschulen wieder nehmen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Meine Damen und Herren, die Westfälische Wilhelms-Universität in meinem Wahlkreis Münster verzeichnet in diesem Jahr mit 223 Stipendiaten, die von 84 Förderern unterstützt werden, einen neuen aktuellen Rekord. Hier erfolgt die verantwortungsbewusste Auswahl der Stipendiaten zentral unter Beteiligung aller Fachbereiche. Für die Uni Münster ist dieses Verfahren ein Stück gelebte demokratische Kultur.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Gerne weise ich darauf hin, dass die erste Initiative für ein paritätisch gefördertes universitäres Stipendium aus Nordrhein-Westfalen kam.
(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, von Herrn Pinkwart! Pinkwart und Schavan Hand in Hand!)
Weil das NRW-Stipendium so ein großer Erfolg war, wurde es vom Bund übernommen. Mittlerweile – das wissen Sie auch – beteiligen sich drei Viertel aller Hochschulen an diesem Programm. Rund 90 Prozent aller Studierenden können sich an ihrer Hochschule um ein Stipendium bewerben.
(Nicole Gohlke [DIE LINKE]: Weil Druck ausgeübt wurde, sich zu beteiligen! – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 0,76 Prozent kriegen eines!)
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, die Evaluation zum Deutschlandstipendium läuft; das wissen Sie. Das Stipendium ist jetzt gerade einmal im fünften Jahr.
(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schon!)
Eine Evaluation zu einem früheren Zeitpunkt hätte doch wenig Sinn gemacht.
Aber jetzt komme ich gerne zu Ihrem Antrag. Das Stipendium sei bürokratisch? Die Verwendung öffentlicher Mittel verlangt Transparenz, und dazu gehört eben auch ein wenig Bürokratie.
(Nicole Gohlke [DIE LINKE]: Wie beim Mindestlohn! Da braucht man auch Bürokratie! – Weitere Zurufe von der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die Uni Münster macht hier übrigens die Erfahrung einer sehr konstruktiven Zusammenarbeit – hören Sie doch einfach einmal zu! – mit dem zuständigen Landesministerium in Düsseldorf. Frau Ministerin Löhrmann ist, wie Sie wissen, bei den Grünen. Vielleicht könnten Sie sich einmal intern austauschen, was das Deutschlandstipendium Gutes mit sich bringt.
Ist das Stipendium ungerecht – wenn sich alle bewerben können, gleich welcher Herkunft, gleich welchen Einkommens und gleich welchen Studienfaches? Die Zahl der BAföG-Empfänger ist unter den Deutschlandstipendiaten übrigens etwa genauso hoch wie im allgemeinen Durchschnitt aller Studierenden.
Ich komme zu dem Punkt, dass Sie sagen, das Stipendium bringe keine Motivation für ein Studium. Also, die Motivation für ein Studium muss der Student doch erst einmal selbst mitbringen.
(Zuruf der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Das Deutschlandstipendium ist darauf ausgerichtet, junge Menschen, die sich bereits für ein Studium entschieden haben, zu unterstützen. Und hier erweist sich das Deutschlandstipendium, anders als Sie es sagen, als äußerst tauglich.
Sie fordern, die für das Deutschlandstipendium verwendeten Gelder zusätzlich in die BAföG-Mittel zu stecken. Das ist aber meiner Ansicht nach Gießkannenprinzip mit dem monokausalen Auswahlprinzip der Einkommensgrenzen.
(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bitte?)
Das Deutschlandstipendium berücksichtigt verschiedene Kriterien bei der Vergabe und belebt dadurch auch die Diversität der Stipendiaten.
Sie fordern – das haben Sie eben auch in Ihrer Rede gemacht –, die Mittel für geflüchtete Studierende aus Kriegs- und Krisengebieten zu verwenden
(Beifall des Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
und dabei die soziale Situation der Flüchtlinge zu berücksichtigen. Vielleicht ist Ihnen aufgefallen, dass genau diese – im Hinblick auf ein Studium biografischen – Hürden bei der Auswahl zum Deutschlandstipendium insbesondere Berücksichtigung finden.
(Beifall bei der CDU/CSU – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da haben Sie mir nicht zugehört!)
Liebe Zuhörer, vor zwei Tagen war hier in Berlin die Jahrestagung zum Deutschlandstipendium. Ich habe niemanden von Ihnen da gesehen. Wie schade.
(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: PR-Regierungsveranstaltungen muss ich nicht besuchen!)
Sie hätten Dinge erfahren können, die Sie vielleicht gar nicht erfahren wollen.
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir wollten es nicht schmücken mit unserer Anwesenheit!)
Sie hätten zum Beispiel erfahren können, dass die Hochschulen über diese neue Aufgabe auch einen neuen Blick auf die vielen Menschen gewinnen, die mit all ihren Facetten zu ihnen kommen, und dass sich die Hochschulen bei der Auswahl der Stipendiaten nicht reinreden lassen – das haben sie mehrfach gesagt –, auch nicht von den Förderern.
(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da gibt es Gegenbeispiele!)
Und den Stipendiaten respektive den Wissenschaftlern liegt das auch fern.
(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zum Beispiel Stipendien auf Bestellung!)
Mehrfach habe ich den Satz gehört: Wissenschaftler ticken gar nicht so. – Ich habe zum Beispiel auch erlebt, dass Stipendiaten eigene Projekte entwickeln, um, wie sie sagen, etwas zurückzugeben. Sie wollen nicht nur Empfänger des Geldes sein, sondern dafür etwas tun. Der Stifterverband hatte dazu einen Wettbewerb ausgelobt unter dem Motto: Macht was draus! Und das haben sie alle gemacht. Die Sieger wurden ausgezeichnet. Zum Beispiel dafür, dass sie in Brennpunktschulen gehen und Schülern die Schwellenangst vor der Uni nehmen; dass sie für Menschen in Ruanda dafür sorgen, dass im Krankenhaus nicht nur Medikamente, sondern auch Essen verteilt wird, und dass Flüchtlingskinder dabei unterstützt werden, Musik- und Sportangebote wahrzunehmen.
Frau Benning, denken Sie an die Redezeit.
Das ist ehrenamtliches Engagement, das wir alle nicht hoch genug schätzen können. Unsere Gesellschaft braucht nicht noch mehr Selbstoptimierer, sondern Menschen, die über den Tellerrand schauen und sich für andere einsetzen, hier und anderswo. Genau solche Menschen erreicht das Deutschlandstipendium. Was Sie als Ladenhüter bezeichnen, ist unter Studierenden höchst begehrt.
(Nicole Gohlke [DIE LINKE]: Weil das BAföG ausgedünnt worden ist!)
Es gibt weit mehr Bewerber als Stipendien, weswegen die Quote noch deutlich steigerungsfähig ist. Was wir jetzt brauchen, sind mehr Stipendiengeber aus Wirtschaft und Gesellschaft.
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Mittel aus dem Bundeshaushalt fließen doch gar nicht ab!)
Und die brauchen vor allem die Sicherheit, dass ihr Einsatz auch in Zukunft gefragt ist. „ Perspektive für alle“ ist hier das Stichwort.
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht das Deutschlandstipendium! Erhöhen Sie endlich die BAföG-Mittel!)
Deshalb ist Ihr Antrag in jeder Hinsicht kontraproduktiv. Aber er hat uns diese Debatte beschert.
Frau Kollegin.
Vielleicht, nein, hoffentlich trägt sie dazu bei, dass das Stipendium deutlich bekannter wird und mehr potenzielle Förderer überzeugt werden,
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist das unsere Aufgabe, oder was?)
bei dieser Chance für alle – eine echte Win-win-Möglichkeit – mitzumachen. Dann hätte sich die Mühe gelohnt.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Murks fördern wir nicht! Murks wollen wir nicht! – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dafür braucht es keine Bundesmittel!)
Danke, Frau Kollegin Benning. – Nächste Rednerin: Nicole Gohlke für die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5115209 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 106 |
Tagesordnungspunkt | Studienförderung und Studienfinanzierung |