Marianne SchiederSPD - Studienförderung und Studienfinanzierung
Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ja, es ist so: Das Deutschlandstipendium war und ist kein Lieblingsprojekt der SPD-Bundestagsfraktion.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist ja auch Murks!)
Von Anfang an standen wir diesem neuen Förderinstrument absolut kritisch gegenüber. Wir haben unsere Argumente in die parlamentarischen Beratungen eingebracht. Wir haben uns dafür ausgesprochen, die hierfür eingeplanten Mittel lieber dem BAföG zuzuschreiben; das leugnen wir ja gar nicht.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Michael Kretschmer [CDU/CSU]: Ihr habt euch nicht durchsetzen können! – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann tun Sie es doch!)
Wenn ich Bilanz ziehe, stelle ich fest: Unsere Bedenken sind keineswegs ausgeräumt. Im Gegenteil: Sie haben sich leider vielfach bestätigt. Denn es ist wahr: Der Erfolg bleibt weit hinter den Erwartungen zurück.
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Abschaffen!)
Von 2010 bis 2012 wurden 56,7 Millionen Euro für das Deutschlandstipendium eingeplant, aber nur 25,3 Millionen Euro wurden abgerufen, also nicht einmal die Hälfte der Mittel. In den Jahren 2013 und 2014 wurde wiederum nur gut die Hälfte der Mittel abgerufen. Für 2015 sind 47,4 Millionen Euro eingestellt, aber mit Stand vom 10. Mai dieses Jahres waren erst 11,8 Millionen Euro davon verplant.
(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Danke, dass du das Scheitern noch einmal darstellst!)
Zur Erinnerung: Das ursprüngliche Ziel von Schwarz- Gelb war, im Jahr 2011 0,45 Prozent der Studierenden zu erreichen und 2012 1 Prozent der Studierenden. 2011 waren es aber nur 0,25 Prozent und 2012 0,6 Prozent. 2013 stieg der Anteil immerhin auf 0,75 Prozent.
(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ganz viele Nullen! Lauter Nullen!)
Zurzeit, so sagt man uns, liegt der Anteil bei ungefähr 1 Prozent.
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie die schwarze Null!)
In absoluten Zahlen sind dies etwa 20 000 Studierende von rund 2,7 Millionen. Da kann man sich wirklich fragen: Für so wenige? Ich sage: All diejenigen, die Kritik üben, haben recht.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Deswegen
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deswegen: abschaffen!)
war es, lieber Herr Kollege Gehring, doch auch folgerichtig – zuhören ist auch gut –, dass wir im Koalitionsvertrag die ursprüngliche Zielmarke von 8 Prozent auf 2 Prozent korrigiert haben.
(Beifall bei der SPD)
Natürlich sagen auch wir: Der Durchführungsaufwand ist zu hoch.
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Fälschen wir am besten mal die Statistik!)
Man sagt uns aus dem Ministerium, 2014 sei er immerhin auf 20 Prozent reduziert worden. Aber das ist immer noch zu viel, weil man normalerweise von 5 Prozent Durchführungsaufwand ausgehen kann. Zu Recht kritisiert dies natürlich auch der Bundesrechnungshof.
Auch unsere Befürchtungen, dass es in strukturschwachen Regionen schwieriger sein dürfte, die nötigen Mittel einzuwerben, haben sich bestätigt. Ich sage einmal die Zahlen aus Bayern: Von all den in Bayern vergebenen Stipendien konzentrieren sich 44,6 Prozent auf drei Universitäten, nämlich auf die LMU München, auf die TU München und auf die Universität Erlangen- Nürnberg.
(Zuruf von der CDU/CSU: Die kümmern sich!)
An diesen Universitäten studieren aber nur 36,7 Prozent der Studentinnen und Studenten.
Es ist auch richtig, was der Kollege Gehring angesprochen hat: Es gibt eine total einseitige Konzentration auf die MINT-Fächer. Man lässt ein bisschen noch mitlaufen die Rechts- und Betriebswissenschaften; aber die Geisteswissenschaften bleiben weit zurück. Also, das gefällt uns nicht.
(Beifall des Abg. Stefan Liebich [DIE LINKE] – Zuruf von der CDU/CSU: Bist du jetzt dafür oder dagegen?)
Aber in den Koalitionsverhandlungen war es halt so, dass wir vereinbart haben, beim Deutschlandstipendium zu bleiben und zu schauen, ob wir auf dem Weg, den wir mit dem Deutschlandstipendium beschritten haben, nicht die dringend erforderlichen Verbesserungen erreichen können. Ich glaube nicht, dass es großen Sinn macht, wie Sie von Bündnis 90/Die Grünen es fordern, jetzt mittendrin einfach umzukehren.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie lange wollen Sie denn noch warten?)
Sie müssen, wenn Sie über Studienförderung und Studienfinanzierung sprechen, auch anerkennen, dass wir in der Großen Koalition nicht nur vereinbart haben, dass Hochschulen bis zu 2 Prozent ihrer Studierenden mit einem Deutschlandstipendium fördern können, sondern auch, dass wir eine erhebliche, wirklich merkliche Verbesserung im Bereich des BAföGs auf den Weg bringen.
(Beifall bei der SPD)
Die Freibeträge und die Bedarfssätze werden angehoben, der Wohnungszuschlag, die Kinderbetreuungszuschläge, die Hinzuverdienstgrenze, der Förderungshöchstsatz steigen, die Förderungslücke zwischen Bachelor- und Masterstudium wurde geschlossen, und die Antragstellung ist verbessert worden. Also: Sie können versichert sein, dass für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten das BAföG ein Erfolgsmodell ist und bleibt und dass das BAföG auch das Kernstück sozialdemokratischer Bildungspolitik bleiben wird,
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
weil auch wir natürlich erkennen, dass das BAföG einen Rechtsanspruch schafft
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann erhöhen Sie es doch endlich!)
und eine verlässliche, berechenbare Angelegenheit ist für junge Menschen, die aus sozial schwächeren und bildungsferneren Elternhäusern kommen. Denn für uns Sozialdemokraten steht nach wie vor fest, dass Bildung nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängig sein darf,
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
und wir erkennen doch alle miteinander, dass wir von diesem Ziel noch weit, weit entfernt sind, dass diese Abhängigkeit vom Geldbeutel der Eltern im gesamten Bildungssystem und auch an den Universitäten natürlich nach wie vor zu erkennen ist.
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das tut ja weh! – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: BAföG-Erhöhung vorziehen statt PR-Veranstaltung!)
Aber zurück zum Deutschlandstipendium. Mir fällt da nur Konfuzius ein, der einmal gesagt hat: Der Weg ist das Ziel. – Ich räume ein: Es ist ein steiniger Weg, den wir da gehen müssen, um auch beim Deutschlandstipendium die nötigen Verbesserungen noch zu erreichen, diesen Weg begehbarer zu machen. Aber ich hoffe, wir schaffen es und kommen dann doch zu einem guten Ziel.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Anette Hübinger [CDU/CSU])
Für die Unionsfraktion spricht jetzt die Kollegin Cemile Giousouf.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5115223 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 106 |
Tagesordnungspunkt | Studienförderung und Studienfinanzierung |