21.05.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 106 / Tagesordnungspunkt 9

Martin RabanusSPD - Studienförderung und Studienfinanzierung

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will mit zwei Vorbemerkungen einsteigen. Wir haben jetzt viel über das Deutschlandstipendium gehört. Meine Kollegin Schieder hat die kritische Position der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion dazu deutlich gemacht; das brauche ich nicht zu wiederholen. Ich habe mir auch notiert, dass ich eigentlich nichts über Kompromissfindungen in Koalitionsverhandlungen erzählen muss. Nach dem Beitrag von Frau Gohlke kommt mir das anders vor. Jetzt muss ich doch noch etwas zu der Frage sagen, wie Koalitionsverhandlungen laufen und wie Koalitionsverträge zustande kommen. Wenn es daran liegt, dass die Linke so selten Koalitionsverhandlungen führt, dann soll mir das auch recht sein. Denn jede Koalition, an der die Linke nicht beteiligt ist, ist für mich eine gute Koalition.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das war die erste Vorbemerkung.

Die zweite Vorbemerkung ist: Wir sollten nicht so tun, als würde eine Abschaffung des Deutschlandstipendiums die Finanzierung des Hochschulwesens insgesamt retten, lieber Kollege Gehring. Wir stellen völlig zu Recht fest, dass das Deutschlandstipendium vielleicht nicht ganz so viele PS auf die Straße gebracht hat, wie es Schwarz-Gelb irgendwann einmal dachte,

(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Das kann man so sagen! – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Euphemistischer geht es gar nicht!)

und dass der Mittelabfluss, wie auch Kollegin Schieder deutlich gemacht hat, ausgesprochen bescheiden ist.

Wir müssen allerdings auch feststellen, dass eine anderweitige Verwendung der bescheidenen Summe die Hochschulfinanzierung in dieser Republik am Ende des Tages nicht rettet –

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

genauso wenig, wie das Deutschlandstipendium die Qualität des deutschen Hochschulsystems an sich sicherstellen kann. Da würde ich dazu raten, ein bisschen abzurüsten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Uwe Schummer [CDU/CSU])

Denn es ist doch zu deutlich, was der Antrag bringen soll.

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! Stipendien für Flüchtlinge!)

Er kommt jetzt, in der Woche, in der die Jahrestagung zum Deutschlandstipendium stattgefunden hat. Es ist also der Versuch der Opposition, den Windschatten zu nutzen und irgendwie in der Berichterstattung darüber vorzukommen. Das ist ja legitim.

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist auch gelungen!)

– Das mag auch gelungen sein; aber mehr ist es auch nicht. –

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil die SPD mal wieder eingeknickt ist!)

Dennoch finde ich das Vorgehen der Opposition eigentlich schade; denn ich halte eine profundere Debatte über das Stipendienwesen, das wir in Deutschland haben, für durchaus angemessen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Klar, das Deutschlandstipendium ist jetzt der Aufhänger; aber wir haben ja mehrere Instrumente. Das Aufstiegsstipendium wird im Antrag wenigstens genannt. Irgendwo, unter Punkt 3, kommt auch die Begabtenförderung vor. Aber zu meinem Bedauern habe ich von einem Weiterbildungsstipendium beispielsweise gar nichts gelesen. Dabei geht es doch gerade um dieses Instrument. Wir diskutieren so viel über die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung, wir diskutieren so viel über gleiche Förderbedingungen, und dann wird das zentrale Stipendieninstrument, das wir im Bereich Weiterbildung haben, das seit fast 25 Jahren in Deutschland erfolgreich ist und inzwischen über 100 000 Menschen erreicht hat, in einem solchen Antrag noch nicht einmal erwähnt.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Daran sieht man, was Sinn und Zweck dieses Antrages ist: Das ist eben nicht der Versuch, eine strukturierte Debatte anzustoßen, sondern das ist der Versuch, mit einer alten Wurst sozusagen noch ein bisschen grünen Duft zu verbreiten. Das finde ich ein bisschen bedauerlich.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Nach unserer Auffassung ist es durchaus lohnenswert, auf unser Stipendienwesen insgesamt zu schauen: Da ist das Weiterbildungsstipendium, da ist das Aufstiegsstipendium, da sind die Begabtenförderungswerke inklusive unserer Studienstiftung, aber eben auch das Deutschlandstipendium.

(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Und das BAföG!)

Das ist unser Stipendienwesen.

Die Breitenförderung – ich glaube, das hat die Koalition in der Tat unter Beweis gestellt – wird im Rahmen des BAföG verbessert.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Das BAföG ist das passgenaue Instrument für eine sozial orientierte Förderung. Das ändert aber nichts daran, dass es in Sachen Förderung auch einen zweiten Teil gibt, nämlich das Stipendienwesen.

Meine Fraktion und ich möchten uns das in den kommenden Wochen und Monaten ein bisschen genauer anschauen, auch vor dem Hintergrund der Sicherstellung gleicher Förderbedingungen in den Bereichen „berufliche Bildung“ und „allgemeine und akademische Bildung und Weiterbildung“. Der Antrag der Grünen greift zu kurz, da er beim Aufstiegsstipendium nur auf das Büchergeld rekurriert. Auch da muss man ein bisschen genauer hinschauen. Wenn wir das dann gemeinsam vernünftig umgesetzt haben, wie wir von der sozialdemokratischen Fraktion es uns vorstellen – das wird unser Koalitionspartner sicherlich mitmachen –, dann haben wir der Sache einen Dienst erwiesen. Ihr Antrag erweist der Sache leider keinen Dienst.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Herr Kollege Rabanus, gestatten Sie zum Schluss Ihrer Redezeit noch eine Zwischenfrage des Kollegen Gehring?

Eine Redezeitverlängerung? – Bitte schön, Herr Gehring. Gern.

Vielen Dank. – Ich bin sehr gespannt. Die Redner der Koalitionsfraktionen haben in den letzten Debattenbeiträgen gesagt, man solle einmal über unser Stipendiensystem insgesamt sprechen. Das finde ich bemerkenswert. Wir haben in unserem Antrag und unserem Redebeitrag die Aufstiegsstipendien und die Begabtenförderungswerke erwähnt. Wir haben deutlich gemacht, dass die nicht abfließenden Mittel aus dem Deutschlandstipendium in Stipendien für Flüchtlinge fließen sollen. Sie kennen auch unsere anderen Anträge zum Thema Weiterbildungs-BAföG. Wir Grüne wollen die Förderung verschiedener Gruppen mit einer breiten Palette an Maßnahmen ausweiten.

Ich würde gerne den Sinneswandel der SPD verstehen. Herr Rossmann hat 2010 gesagt: Wir sagen Nein zum Stipendiensystem. Ulla Burchardt – das war immerhin die Vorsitzende des Bildungsausschusses in der letzten Legislatur – hat gesagt: Vor allen Dingen ist das ein Programm zum Bürokratieaufbau an den Hochschulen.

(Marianne Schieder [SPD]: Aber nicht insgesamt die Stipendien, sondern das Deutschlandstipendium!)

Ich könnte Ihnen jetzt reihenweise Zitate aus der SPD-Bundestagsfraktion nennen, die belegen, dass das Deutschlandstipendium aus Ihrer Sicht genauso ein Ladenhüter ist wie aus Sicht der Grünen. Ich würde gerne einmal verstehen, warum Sie das inzwischen offensichtlich anders sehen.

(Uwe Schummer [CDU/CSU]: Klüger geworden!)

Vielen Dank für diese ausgesprochen freundliche Frage. Ich will darauf zweiteilig antworten.

Erstens. Herr Kollege, Sie haben gezeigt, dass die Grünen programmatisch eigentlich mehr auf der Pfanne haben als dieser Antrag, über den wir heute debattieren, uns erahnen lässt.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Ich finde das bedauerlich, weil ich glaube – darauf habe ich hingewiesen –, dass Sie mehr auf der Pfanne haben. Das ist der eine Teil.

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist jetzt unter Ihrem Niveau!)

Zweitens. Ich habe darauf hingewiesen, dass ich der irrigen Annahme war, auf die Logik von Koalitionsverhandlungen, darauf, wie Koalitionsverträge zustande kommen und Kompromissfindungen ablaufen, nicht hinweisen zu müssen. Aber das ist natürlich ein sehr wichtiger Punkt.

Ich möchte einmal an einem Beispiel aus meinem Heimatland Hessen deutlich machen, wie Koalitionsbildungen möglicherweise funktionieren: Im nächsten Frühjahr steht der Spatenstich für den Beginn des Baus von Terminal 3 am Frankfurter Flughafen an. Den Spatenstich wird vermutlich der Wirtschaftsminister des Landes Hessen, Tarek Al-Wazir, Bündnis 90/Die Grünen, mit durchführen, obwohl sich, wenn ich das nicht ganz falsch erinnere, ein Gutteil der Grünen in den 1980er-Jahren sozusagen im Umfeld der Baustelle der Startbahn 18 West gegründet hat.

Der Punkt ist, dass wir an bestimmten Stellen, die, glaube ich, jedenfalls für uns Sozialdemokraten weit weniger fundamental sind als die Frage eines Flughafens für die Grünen, bereit sind, Kompromisse zu schließen, und bereit sind, zu sagen: Wir müssen Korrekturen vornehmen. – Wir erwarten auch, dass wir in der Diskussion um die Weiterentwicklung des Stipendienwesens die Unwuchten aus diesem Programm herausbekommen. Ich bin da ganz guter Dinge. Das ist ein Weg, den man gemeinsam beschreiten kann.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Michaela Noll [CDU/CSU]: Das war eine sehr schöne Antwort! – Albert Rupprecht [CDU/ CSU]: Sehr guter Mann!)

Der Kollege Rossmann ist mit einem Zitat erwähnt worden und hat deshalb um eine Kurzintervention gebeten, zu der ich ihm jetzt auch das Wort erteile.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5115285
Wahlperiode 18
Sitzung 106
Tagesordnungspunkt Studienförderung und Studienfinanzierung
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