Andrea WickleinSPD - Bürokratieentlastungsgesetz
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bürokratie durchdringt unser Leben. Egal ob wir einen Kredit oder Pflegeleistungen für unsere Eltern beantragen, eine Firma gründen oder einen Baum fällen wollen, ob wir Fördermittel oder BAföG in Anspruch nehmen oder eine Wohnung mieten wollen – alles hat mit Bürokratie zu tun.
Fast jedes neue Gesetz, das wir beschließen, schafft neue Bürokratie. Es erfordert in seiner Durchführung Verwaltungsaufwand, Kontrollaufwand oder Beantragungsaufwand, Informations- oder Nachweispflichten. Egal, ob wir den Mindestlohn einführen, höhere Standards für Lebensmittel oder Vorschriften für Arbeitsstätten oder den Schutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern erlassen – alles ist mit Bürokratie verbunden.
Bürokratie ist notwendig; denn Gerechtigkeit in unserem Land erfordert klare Regeln und Vorgaben.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Heiko Schmelzle [CDU/CSU])
Wir sollten uns deshalb, bevor wir von Bürokratieabbau sprechen, den hohen Stellenwert von notwendiger Bürokratie bewusst machen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin sehr froh, dass wir heute die Gelegenheit haben, über die Themen „überflüssige Bürokratie“ und „bessere Rechtsetzung“ im Plenum zu prominenter Zeit zu sprechen. Das ist ein gutes Signal; denn es zeigt, dass der Deutsche Bundestag die Bürgerinnen und Bürger und die Unternehmerinnen und Unternehmer ernst nimmt, wenn sie bestimmte Regelungen oder deren Vollzug als Belastung empfinden: nämlich dann, wenn Anträge zu kompliziert oder zu lang und von Einzelnen kaum noch zu bewältigen sind oder aber Berichts- und Informationspflichten zu viel Arbeits- und Lebenszeit in Anspruch nehmen – oder auch, wenn Gesetze zu schwer verständlich sind und in ihrer Umsetzung einen zu hohen Verwaltungsaufwand erfordern. Genau darum geht es heute bei der Einbringung des Bürokratieentlastungsgesetzes.
(Beifall bei der SPD)
Wir freuen uns sehr, dass der Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel mit frischem Wind dieses Thema, welches schon in der letzten Großen Koalition eine hohe Priorität für uns hatte, nach vorne bringt. Er hat 21 konkrete Vorhaben vorgelegt, von denen heute mehrere im Gesetzentwurf stehen. Der Bürokratieabbau hat mit dem vorliegenden Gesetzentwurf neuen Schub bekommen, und wir sind an dieser Stelle ganz an der Seite unseres Wirtschaftsministers.
(Beifall bei der SPD)
Wir freuen uns insbesondere über das Entlastungsvolumen, das erreicht werden konnte. Davon werden gerade der Mittelstand und Start-ups profitieren. Die Schwellenwerte für Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten sowie für Meldepflichten für Existenzgründer und junge Unternehmen werden angehoben. Damit wird der Aufwand für rund 150 000 Unternehmen reduziert. Hinzu kommen weitere Vereinfachungen beim Lohnsteuerabzug für Ehegatten bzw. Lebenspartner und eine Anhebung der Pauschalisierungsgrenze für kurzfristig Beschäftigte. Mit dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf werden wir unsere Wirtschaft um rund 744 Millionen Euro im Jahr entlasten.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, darüber hinaus hat die Bundesregierung weitere Vorschläge beschlossen, die nicht mit diesem Gesetz geregelt werden müssen; wir haben heute schon viel darüber gehört. Wichtig ist auch aus meiner Sicht die „One in, one out“- Regelung, weil sie die Bundesregierung verpflichtet, dann, wenn durch neue Regelungen Belastungen für die Wirtschaft aufgebaut werden, an anderer Stelle Belastungen abzubauen. Deshalb kann ich die Kritik der Grünen und der Linken an dieser Stelle nicht verstehen. Die Bürokratiebremse ist in Wahrheit ein Riesenerfolg. Das wissen auch Sie und sollten ihn nicht kleinreden.
(Beifall bei der SPD)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mir ist es an dieser Stelle wichtig, noch über einen anderen Punkt zu reden, den die SPD-Fraktion sehr gerne mit dem vorliegenden Gesetzentwurf geregelt hätte. Es handelt sich um die steuerliche Behandlung geringwertiger Wirtschaftsgüter. Die SPD-Bundestagsfraktion sieht bei der Anpassung der Schwellenwerte einen dringenden, längst überfälligen Handlungsbedarf.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wer sich als Selbstständiger ein Diensthandy, einen Farblaserdrucker oder einen Bürostuhl kauft, übersteigt schnell den bisherigen Schwellenwert von 410 Euro netto. Nur bis zu dieser Höhe, die übrigens seit Jahrzehnten unverändert ist, ist es aktuell möglich, Wirtschaftsgüter im Jahr der Anschaffung vollständig abzuschreiben. Wir schlagen deshalb eine deutliche Anhebung der Schwellenwerte für die sofortige Abschreibung geringwertiger Wirtschaftsgüter
(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo?)
und gleichzeitig die Abschaffung der Poolabschreibung vor. Das würde zu einer steuerlichen Entlastung führen und gleichzeitig eine substanzielle Vereinfachung der Buchführung mit sich bringen und damit die Unternehmen in mehrfacher Hinsicht deutlich entlasten.
(Beifall bei der SPD)
Leider gibt es da noch den Widerstand vom Bundesfinanzminister. Ich hoffe, dass er noch einlenkt.
An dieser Stelle möchte ich ganz herzlich meinem Kollegen Helmut Nowak von der CDU/CSU-Fraktion für die gute Zusammenarbeit danken. Wir sind uns einig, dass in diesem Punkt dringender Handlungsbedarf besteht.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die SPD wird in der Koalition beim Abbau unnötiger Bürokratie entschlossen die nächsten Schritte gehen. Wir sind dazu in regem Austausch mit Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbänden und Vertretern der Wirtschaft. Wir brauchen auch dabei das Engagement der Bürgerinnen und Bürger. Bringen Sie sich ein! Machen Sie Vorschläge, wie wir gemeinsam weiter vorankommen! Ich bin sicher, diese Anstrengungen lohnen sich.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Nächster Redner ist für die Bundesregierung der Staatsminister Helge Braun.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5225715 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 109 |
Tagesordnungspunkt | Bürokratieentlastungsgesetz |