Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute final über ein Gesetz zur Erhöhung der Sicherheit informationstechnischer Systeme, kurz IT-Sicherheit. Ein solches Gesetz ist überfällig. Immer mehr Prozesse und Abläufe sind computergestützt und basieren auf Datennetzwerken. Die Digitalisierung der Gesellschaft nimmt zu; rasant und umfassend.
IT-Pannen oder gar gezielte Angriffe könnten verheerende Folgen haben. Man stelle sich nur einmal den Ausfall der Wasser- oder der Energieversorgung oder wesentlicher Teile des Verkehrs vor. Die gesamte Gesellschaft käme zum Erliegen. Insofern unterstelle ich, dass alle Parteien ein großes Interesse an einer höchstmöglichen IT-Sicherheit haben. Die Linke hat es jedenfalls.
(Beifall bei der LINKEN)
Der Gesetzentwurf kommt von der Bundesregierung, und über ihm schwebt ein finsterer Schatten; spätestens seit den Enthüllungen von Edward Snowden über die Machenschaften der NSA und weiterer Geheimdienste. NSA und Co. beherrschen das Internet und nutzen es weltweit als riesigen Datenstaubsauger in einem bisher unvorstellbaren Ausmaß, und das ist ein Skandal.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Politisch und praktisch handelt es sich um den bislang größten Angriff auf Bürgerrechte, auf die Demokratie und auf den Rechtsstaat in der Geschichte der Bundesrepublik. Das heißt auch: Weniger IT-Sicherheit ist kaum denkbar.
Und wie sehen die Reaktionen der Bundesregierung darauf aus? – Durchaus digital. Vor die binäre Handlungsalternative von eins oder null gestellt, entschieden Sie sich für null. Ich finde, das grenzt an Verfassungsbruch und ist nicht hinnehmbar.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Wer sich nun in den vorliegenden Gesetzentwurf vertieft, stößt schnell auf Seltsamkeiten. Vieles, was geregelt werden müsste, bleibt ungeregelt. Aber unterm Strich bleiben zwei Gewinner: der BND und der Verfassungsschutz, also Geheimdienste. Die Linke bleibt dabei: Ein Wettlauf der Geheimdienste schafft nicht mehr IT-Sicherheit, sondern weniger. Deshalb sagen wir Nein.
(Beifall bei der LINKEN)
Herr Minister, gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang eine Bemerkung zu Ihrem Einwurf zu unseren eigenen Angelegenheiten, zu den Angriffen auf IT-Systeme des Bundestages. Es ist eine pure Selbstverständlichkeit, dass auch der Deutsche Bundestag die Informationen, die dem Bundesamt für Verfassungsschutz, welches nach dem Gesetz für die Spionageabwehr zuständig ist, nach Recht und Gesetz übermittelt werden müssen, diesem übermittelt. Genauso halte ich es auch für eine pure Selbstverständlichkeit, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz dem Deutschen Bundestag und all denen, die im Moment damit befasst sind, diesen tatsächlich ernsthaften Angriff abzuwehren und Vorkehrungen dafür zu treffen, dass wir besser geschützt sind, seine Erkenntnisse übermittelt, gegebenenfalls auch über schon erfolgreiche Abwehrstrategien in der Auseinandersetzung mit dem Angreifer. So weit, so gut. Aber ich verstehe die Pappkameraden nicht, die in den letzten Tagen in diesem Zusammenhang aufgebaut wurden. Ich verstehe auch nicht die Aufforderung, der Bundestag solle doch bitte mit der genannten Behörde kooperieren.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Damit komme ich zurück zum Gesetzentwurf. IT-Sicherheit ist mehr als Innenpolitik. Deshalb haben für die Linke zwei Strukturveränderungen Vorrang vor allem anderen.
Erstens. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, kurz BSI, sollte aus dem Bundesinnenministerium herausgelöst und zu einer ressortübergreifenden und zeitgemäßen Bundesbehörde entwickelt werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Dazu gehörten ein umfassender Auftrag und klare Qualitätsansprüche und selbstverständlich auch entsprechende finanzielle und personelle Ressourcen.
Zweitens. Das Amt der Beauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit ist noch weiter aufzuwerten, von seiner Ausstattung her, aber auch von den Kompetenzen, bis hin – darüber sollten wir diskutieren – zu einem Vetorecht.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir haben es in dieser Woche erlebt: Bei der Anhörung zu einem Gesetzentwurf, mit dem tiefgehend in den Datenschutz eingegriffen wird, nämlich das geplante Gesetz zum Verfassungsschutz, wurde die Bundesbeauftragte schlicht ignoriert: ein Affront wider den Bundestag und die Demokratie.
(Beifall bei der LINKEN)
Bündnis 90/Die Grünen haben einen Entschließungsantrag zum Regierungsentwurf vorgelegt. Er enthält eine umfassende Mängelliste und einen Forderungskatalog. Darauf werde ich aber nicht im Einzelnen eingehen. Schließlich fordern Sie in Ihrem Antrag, den Regierungsentwurf abzulehnen und sich dem Komplex IT-Sicherheit kompetenter zu widmen. Dem schließe ich mich an. Auch die Fraktion Die Linke wird das tun.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ein schlechtes Gesetz schafft nun einmal nicht mehr Sicherheit im digitalen Zeitalter. Die aber ist für die Bürgerinnen und Bürger, für die Wirtschaft, für die Gesellschaft sowie für die Zukunft dringend geboten.
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Gerold Reichenbach ist der nächste Redner für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5231333 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 110 |
Tagesordnungspunkt | IT-Sicherheitsgesetz |