02.07.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 115 / Tagesordnungspunkt 18

Sylvia Kotting-UhlDIE GRÜNEN - Subventionen für Atomkraftwerke in der EU

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Minister Gabriel war ja einigermaßen pikiert, als Oliver Krischer ihn als „Abrissbirne der Energiewende“ bezeichnet hat.

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Ist auch nicht schön!)

Aber in diesen Tagen verdient er sich diesen Namen endgültig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Gestern lässt er sich die Kohleabgabe aus der Hand schlagen, und heute lehnt er ab, gegen die Subventionierung von Atomstrom zu klagen. Und Sie alle machen mit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Und mit welchen Argumenten? Die Klage sei nicht besonders aussichtsreich, haben Sie im Ausschuss gesagt. Wer hat Ihnen das denn eingeredet? Und selbst wenn: Wenn einem etwas wichtig ist, dann kämpft man dafür, dann kämpft man das durch.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Der Kampf gegen die Atomkraft in Deutschland war auch mal nicht besonders aussichtsreich. Wo wären wir denn heute in Deutschland, wenn wir Grüne uns deswegen damals vom Acker gemacht hätten?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ihr schändlichstes Argument aber ist die angebliche Analogie zum EEG. Wenn diese Sorge einige aus der Erneuerbaren-Branche umtreibt, dann kann ich das noch halbwegs verstehen. Deren Pflicht ist es nicht, sich mit Details des europäischen Wettbewerbsrechts und mit Beihilfegenehmigungen auseinanderzusetzen. Aber Ihre Pflicht wäre, klarzumachen, dass diese Analogie nicht besteht.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das europäische Recht gilt für alle!)

Es ist ein Unterschied, ob ich eine junge, nicht marktgängige Technologie subventioniere oder eine 60 Jahre alte, die sich heute nicht mehr rechnet.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Und es ist ein Unterschied, ob wie beim Ökostrom eine 20-jährige Einspeisevergütung garantiert wird oder ob wie bei Hinkley Point ein – so muss man es nennen – Rundum-sorglos-Paket aus Kreditgarantien, subventionierten Betriebskosten, Inflationsausgleich und Entschädigungsansprüchen geschnürt wird. So ist ein Atomausstieg in Großbritannien auch gleich ausgeschlossen.

Das Marktversagen, auf das sich die Kommission beruft – das hat die Anhörung des Bundestages deutlich ergeben –, reduziert sich auf die Nichtfinanzierbarkeit von Atomkraftwerken.

Nachdem wir heute wissen, was Atomkraft kostet, leistet sich das kein Investor mehr. Nach der Argumentation der Kommission, die Sie sich zu eigen machen, müsste jede überholte Technologie subventioniert werden. Wir wären heute noch in der Postkutsche unterwegs, weil wir die Postkutsche gegen jede Innovation im Verkehrsbereich hätten subventionieren müssen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Aus Artikel 40 des Euratom-Vertrags leitet die Kommission ein gemeinschaftliches Interesse der EU an Hinkley Point her. Ende der 50er-Jahre wäre das noch richtig gewesen. Artikel 40 enthält auch die Verpflichtung zu sogenannten hinweisenden Nuklearprogrammen, die in regelmäßigen Abständen erarbeitet werden müssen. Im letzten hinweisenden Programm von 2007/2008 steht: „Wichtig ist, dass in der EU in Kernenergieprojekte keine staatlichen Beihilfen fließen.“ Der Verweis auf Euratom ist also nicht nur einigermaßen aus der Zeit gefallen, er ist auch noch falsch.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Wahnsinn!)

Herr Koeppen, ein Unterschied ist auch, ob es festgeschriebene Ziele gibt oder nicht. Wir haben heute gemeinschaftlich festgelegte Ziele in der EU zum Ausbau der Erneuerbaren, aber nicht mehr zur Atomkraft. Nehmen Sie das doch mal zur Kenntnis!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ehrlich gemeinte Bekenntnisse brauchen manchmal auch Taten, nicht nur Worte. Das Bekenntnis zur Energiewende ist schön, davon allein kommt sie aber nicht. Das Bekenntnis zum Einsatz gegen Atomkraft auf europäischer Ebene ist auch schön, verpufft aber vor der Realität der Zeitenwende, die das Muster Hinkley Point in der EU einläutet. Das Analyseinstitut Energy Brainpool hat dargelegt, welche Effekte der subventionierte Atomstrom an der Börse haben wird und was das in der Folge für EEG und Energiewende bedeutet. Das kann niemand in diesem Haus wollen, dessen Bekenntnis zur Energiewende ernst gemeint ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Frau Kollegin, denken Sie bitte an die Zeit. Das wäre nämlich auch schön.

(Markus Grübel [CDU/CSU]: Das sind gefühlte zehn Minuten!)

Ich denke an die Zeit. – Mein letzter Appell: Wenn die Bundesregierung gegen diese rückwärtsgewandte Subvention von Atomstrom nicht klagt, macht sie sich mitschuldig an der Bedrohung der Erneuerbaren-Branche und schafft einen neuen Bremsklotz für die Energiewende. Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, können der Bundesregierung heute Ihren Auftrag mitgeben. Entscheiden Sie sich richtig!


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5350880
Wahlperiode 18
Sitzung 115
Tagesordnungspunkt Subventionen für Atomkraftwerke in der EU
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta