Albert StegemannCDU/CSU - Rentenversicherungsrecht
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Sommerpause im Parlament wirft ihre Schatten voraus. Ich freue mich sehr, dass wir uns heute, bevor das Parlament in die wohlverdiente Ruhepause startet, mit der Phase des Ruhestandes im Arbeitsleben beschäftigen. Hierzu hatte ich mir einen Vers notiert, den ich vortragen wollte, um danach in die nächsten Seiten meiner Rede einzusteigen. Diesen Vers kann ich heute aber auch anwenden; denn unser geschätzter Saaldiener Herr Grothkopf wird am 31. Juli dieses Jahres in den Ruhestand gehen. Wir wünschen ihm von hier aus alles, alles Gute!
(Anhaltender Beifall – Die Abgeordneten erheben sich.)
Nach dieser verdienten Wertschätzung und allgemeinem Beifall – das wird von der Redezeit abgezogen – haben Sie wieder das Wort.
(Heiterkeit – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Herr Präsident, dann hätte ich das auch schon gemacht!)
Herzlichen Dank. – Der von mir angewandte Spruch hieß: Mein lieber Pensionär, wir hier im Büro vermissen dich sehr. Du hast mit uns hinter dem Schalter gesessen, wir werden dich niemals vergessen! – Mit solchen oder ähnlichen Sprüchen werden tagtäglich langgediente Mitarbeiter in den Ruhestand geschickt.
Wir müssen feststellen, dass sich die Arbeitswelt seit einigen Jahren grundlegend ändert. Die Erwerbsbiografien werden vielfältiger und bunter. Um hierauf reagieren zu können, muss auch das System der Rente flexibler werden. Dennoch gilt in der allgemeinen Wahrnehmung fälschlicherweise der Grundsatz, dass das Berufsleben zu einem gesetzlich festgelegten Stichtag endet. Damit nähert sich der Renteneintritt unaufhaltsam, ob der Mitarbeiter nun möchte oder nicht, ob er fit ist oder nicht. Vor diesem Hintergrund bin ich Ihnen, liebe Kollegen von den Grünen, sehr dankbar, dass Sie das Thema der flexiblen Rentenübergänge auf die heutige Tagesordnung gesetzt haben.
Ich stimme Ihnen zu, dass wir uns auch fragen müssen, ob das traditionelle Bild noch zeitgemäß ist. Die Regierungsparteien haben vor ziemlich genau einem Jahr im Rahmen des Rentenpakets die ersten Weichen gestellt, damit flexiblere Übergänge gelingen können. So ermöglicht – das wurde hier schon einige Male erwähnt –§ 41 SGB VI das Arbeiten über das Renteneintrittsalter hinaus.
Als Gesetzgeber müssen wir allerdings feststellen, dass diese Möglichkeit in der Praxis bisher viel zu wenig genutzt wurde. Arbeitnehmer und Arbeitgeber sind unsicher, was die konkrete Umsetzung anbelangt. Hier stehen wir in der Verpflichtung. Zugleich braucht es aber auch eine gesellschaftliche Debatte, ein Umdenken im Kopf, um die Notwendigkeit einer solchen Regelung insbesondere vor dem Hintergrund des demografischen Wandels anzuerkennen.
Daher suchen die Regierungsparteien mit der Arbeitsgruppe „Flexi-Rente“ eine langfristige Lösung, die den Bedürfnissen der heutigen Arbeitswelt umfänglich gerecht wird. Uns alle eint das Ziel, dass Arbeitnehmer grundsätzlich frei entscheiden sollen, wann und wie sie den Übergang vom Erwerbsleben in die Rente gestalten. Sofern es die eigene Gesundheit zulässt, soll jeder so lange arbeiten, wie er möchte. Damit aber die Proportionen in der Dreiteilung des Lebens in der Waage bleiben, kommen wir nicht umhin, durchschnittlich länger zu arbeiten, zumindest dann, wenn wir alle älter werden. Erfreulicherweise können wir feststellen, dass das in den letzten Jahrzehnten der Fall war. Am besten lässt sich das an der Rentenbezugsdauer ablesen. So erhielt 1960 ein Rentner in der Bundesrepublik Deutschland durchschnittlich noch zehn Jahre Leistungen von der Rentenversicherung. Mittlerweile liegt die durchschnittliche Rentenbezugsdauer bei fast 20 Jahren. Die Ausweitung der Lebensarbeitszeit – die sogenannte Rente mit 67 – war daher eine richtige Entscheidung.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nein!)
– Doch!
Ein weiterer Grund, Menschen ein längeres Berufsleben zu ermöglichen, ist der Bedarf an Fachkräften. Viele Firmen und Institutionen können in einer sich rasch wandelnden Arbeitswelt nicht auf erfahrene Mitarbeiter verzichten. Seien wir doch ehrlich: Die Zeiten der Frühverrentung wie in den 90er-Jahren sind vorbei. Der Großteil der Unternehmen hat kein Interesse daran, den gut ausgebildeten 60-jährigen Mitarbeiter mit einem goldenen Handschlag zu verabschieden. Hierfür braucht es allerdings vernünftige Rahmenbedingungen und altersgerechte Arbeitsplätze. Zugleich gilt es aber auch, so manche Vorurteile älteren Mitarbeitern gegenüber abzubauen. Daher noch einmal: Politik kann Anstöße geben und Regeln festlegen. Wirklich entscheidend ist aber auch eine gesellschaftliche Debatte.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Letztlich – das sollte nicht vergessen werden – gibt es schlicht und einfach den Wunsch von zukünftigen Rentnern, weiterzuarbeiten. Gerade der Kontakt mit den bekannten Kollegen und eine tägliche Aufgabe machen den Alltag wertvoll. Wenn wir von einem selbstbestimmten Altern reden, gehört dies auch dazu, getreu dem Motto: Wer rastet, der rostet.
Insofern ist festzustellen, dass Politik und Gesellschaft in den vergangenen Jahren entscheidende Schritte in die richtige Richtung getan haben. So ist die Erwerbstätigenquote bei den 55- bis 64-Jährigen in den letzten fünf Jahren um fast 30 Prozent gestiegen. In Europa nimmt Deutschland damit einen Spitzenplatz ein, was die Beschäftigung älterer Menschen anbelangt.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
– Genau. – Es kommt allerdings noch ein kleines Aber: Die Rente mit 63 wirkt dieser Entwicklung aktuell etwas entgegen; aber insgesamt stimmt die Richtung.
Der Auftrag liegt also klar vor uns. Und doch gebe ich zu: Wir haben in den letzten Wochen sehr intensiv diskutiert; denn wie so oft steckt der Teufel – vor allen Dingen im Rentenrecht – im Detail.
Da wäre zum Beispiel der Punkt der Hinzuverdienstgrenzen vor Erreichen des regulären Renteneintrittsalters. Die Grünen sprechen dieses Problem in ihrem Antrag an, und sie haben recht: Hier hakt es, hier sind Änderungen notwendig – allerdings nicht in der Form, wie Sie sie vorschlagen. Die von Ihnen ins Spiel gebrachte Regelung würde dazu führen, dass gerade im kommunalen Ehrenamt eine Zweiklassengesellschaft entstünde. Es darf nicht passieren, dass im Gemeinderat zwei Vertreter sitzen, die aufgrund unterschiedlich hoher Verdienste im Berufsleben abweichende Abzüge von ihrer Entschädigung hinnehmen müssen. Ihre Idee ist gut gemeint, aber nicht gut gemacht. Aus Sicht der CDU/ CSU-Fraktion lässt sich die offene Baustelle durch höhere Hinzuverdienstgrenzen lösen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir brauchen eine deutliche Anhebung, allerdings ohne dabei neue Anreize zur Frühverrentung zu setzen. Ich bin optimistisch, dass dies gelingen wird.
Beim Thema Arbeitgeberbeiträge sind wir eng beieinander. Nach geltendem Recht zahlen Arbeitgeber für einen älteren Beschäftigten weiterhin den Anteil an die Rentenversicherung, obwohl sich dieser nicht rentenerhöhend auswirkt. Dies ist nicht nachvollziehbar. Daher sollten Rentner zukünftig mit diesen Beiträgen ihr Ruhegehalt weiter aufbessern können.
Darüber hinaus möchte ich den Punkt der Gesundheit nennen. Wie lange jemand arbeiten kann, hängt maßgeblich von seiner Gesundheit ab. Vor diesem Hintergrund müssen wir uns noch stärker mit präventiven und Rehamaßnahmen beschäftigen. Hier schwebt uns ein ganzes Bündel von Maßnahmen vor: Die Erhöhung des Rehabudgets im Rentenpaket war ein erster Schritt dazu. Zukünftig sollten sich Leistungen stärker an der individuellen gesundheitlichen Situation orientieren. In diesem Kontext sind eine engere Abstimmung zwischen Renten- und Krankenversicherung und eine Stärkung der Selbstverwaltung unerlässlich. Es sollte außerdem sichergestellt werden, dass Menschen, die teilweise erwerbsgemindert sind, weiter am Arbeitsleben teilhaben können, zum Beispiel auf einem alternativen Arbeitsplatz.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
In der Summe bleibt festzuhalten, dass Deutschland auf dem Feld der Integration von Älteren in den Arbeitsmarkt auf dem richtigen Weg ist. Diesen gilt es konsequent weiterzugehen: mit stärkeren Anreizen und Sicherheit für alle Beteiligten, allerdings nicht mit einer Antistressverordnung oder sonstigen bürokratischen Hindernissen. Die Politik sollte den Menschen nicht vorschreiben, wie sie ihr Leben führen sollen, sondern Rahmenbedingungen schaffen, damit sie leben können, wie sie es wollen. Kurz gesagt: Die Entscheidung, wann jemand in Rente geht, sollte nicht bei der Politik liegen. Zugleich dürfen individuelle Entscheidungen nicht die Solidargemeinschaft gefährden; denn bei aller Freiheit steht die Politik in der Verantwortung, die langfristige Finanzierbarkeit sicherzustellen.
Viele der von Ihnen gestellten Forderungen sind gut gemeint und manche auch richtig. Ich kann Ihnen aber versichern, dass die Regierungsparteien zeitnah vernünftige und noch geeignetere Lösungen vorlegen werden. Diese sollten es älteren Arbeitnehmern erlauben, weiterhin im Berufsleben zu bleiben, sofern sie das können und auch wollen. Wir können und wollen als Gesellschaft nicht auf ihre Ideen und ihr Können verzichten. Deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab.
Herzlichen Dank. Schöne Sommerpause.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Abschließender Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Ralf Kapschack für die SPD.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU])
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5355126 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 116 |
Tagesordnungspunkt | Rentenversicherungsrecht |