Kerstin RadomskiCDU/CSU - Allgemeine Finanzdebatte
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ich die Vorredner von der Opposition gehört habe, war ich enttäuscht.
(Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir können gerne noch einmal reden!)
In einer meiner letzten Reden habe ich Sie aufgefordert, sich doch einmal mit uns über ein Ende der Neuverschuldung in den letzten beiden Haushalten zu freuen. Nun muss ich aber erleben, dass der Kollege Tobias Lindner hier ein Foto der Haushalts-AG der CDU/CSU-Fraktion zeigt, auf dem eine von mir gezeichnete schwarze Null zu sehen ist. Herr Bartsch sitzt, nachdem ihm das Foto von Tobias Lindner übergeben wurde, da und schaut es sich an. Das scheint bei Ihnen noch nicht angekommen zu sein.
(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Ich bin fasziniert! Ich rahme es ein! – Lothar Binding (Heidelberg) [SPD]: Das ist ein Missverständnis! – Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Sie haben offensichtlich noch immer nicht verstanden, dass wir es zum ersten Mal seit Jahrzehnten im Bund geschafft haben, ein Ende der Neuverschuldung herbeizuführen. Vielleicht sind wir so schnell, dass der eine oder andere nicht mehr Schritt halten kann; denn wir erwarten nun sogar ein Haushaltsplus in Milliardenhöhe. Das liegt natürlich an der guten Konjunktur und der guten Beschäftigungslage in unserem Land.
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: An den niedrigen Zinsen!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, wenn wir auf unsere Nachbarländer schauen, dann stellen wir fest, dass diese uns um die Entwicklungen in Deutschland beneiden, um unsere wirtschaftliche Stärke und unsere soliden Finanzen und darum, dass wir das alles trotz sehr bewegter Zeiten haben. Unser Garant für diese Finanzpolitik und das Augenmaß, das dieser Politik zugrunde liegt, und auch für das unbedingte Pochen auf Reformen in Griechenland ist Wolfgang Schäuble, unser Finanzminister, dem dafür unser Dank gilt.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Gerade angesichts eines Haushaltsplus in Milliardenhöhe kommt es jetzt darauf an, Augenmaß zu bewahren und sich nicht in ideologische Verteilungskämpfe zu versteigen; denn in diesen Wochen erleben wir eine Situation, die keiner von uns erwartet hat und die uns als verantwortliche Politiker vor enorme, vor allem auch finanzielle Herausforderungen stellt. Ich möchte mich heute in dieser Debatte deshalb auch dem Flüchtlingsthema und seiner Finanzierung zuwenden.
Hunderttausende Flüchtlinge kommen derzeit in unser Land, von denen viele auch dauerhaft bleiben werden. Angesichts dieses Ausmaßes brauchen wir gemeinsame Lösungen statt Streit und parteipolitische Grabenkämpfe. Die Beschlüsse der Koalition vom Sonntagabend sind wegweisend für die kommenden Wochen und die zu erwartenden Mehrkosten; denn die Bundesarbeitsministerin hat gegenüber dem Finanzminister für das kommende Jahr schon einen Mehrbedarf von 3,3 Milliarden Euro angemeldet. Wir wissen alle, dass dies auch andere Ressorts betreffen wird.
Für die Flüchtlinge, die kommen, geht es um viel, etwa um Sprachkurse oder Maßnahmen zur Aufnahme einer Arbeit. Viele Menschen, die in diesen Wochen ankommen, hatten bisher nicht das Lebensziel, ihre Heimat zu verlassen. Sie waren Ladenbesitzer, Ärzte, Handwerker; aber ihre Heimat ist zerstört. Diese Menschen benötigen unsere Hilfe. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wissen, dass das nicht leicht wird und auch unsere Bevölkerung vor Herausforderungen stellt. Dennoch – das möchte ich auch in einer Debatte wie dieser sagen, in der es eher um große Zahlen als um einzelne Schicksale geht – nehmen wir Flüchtlinge auf, die vor Krieg und Terror fliehen und bei uns Schutz suchen, und wir heißen sie auch willkommen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Wir nehmen ebenso die Sorgen von Teilen der Bevölkerung angesichts der neuen Situation ernst; aber dumpfe Vorurteile gegen Flüchtlinge bringen niemanden weiter.
Lassen Sie mich im Rahmen dieser Beratungen einige Beispiele dafür nennen, dass der Bund deutlich mehr leistet als bisher. Im Bundeshaushalt 2016 wurden die Mittel des Bundesinnenministeriums für Integrationskurse um 40 Millionen Euro auf 309 Millionen Euro erhöht. Im vergangenen Jahr haben rund 700 000 Menschen einen Integrationskurs erfolgreich abgeschlossen. Natürlich wissen wir alle: Die Teilnehmerzahlen werden noch steigen. Die Bundesregierung plant, Integrationskurse auch für geduldete Asylbewerber mit guter Bleibeperspektive zu öffnen. Zudem gibt es in den Städten Berlin, Dortmund, Duisburg und München ein Modellprojekt, vom Bund finanziert, mit sozialpädagogischer Betreuung der Kursteilnehmer.
Wir wissen alle: Der Erwerb von Deutschkenntnissen ist eine, wenn nicht sogar die entscheidende Grundvoraussetzung für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben in unserem Land. In den rund 600 Stunden umfassenden Sprachkursen lernen die Teilnehmer Deutsch, aber auch wichtige Themen des alltäglichen Lebens, wie zum Beispiel „Arbeit und Beruf“ oder „Ausbildung und Erziehung“.
In diesem Zusammenhang möchte ich einer Forderung nach der Aussetzung der Schulpflicht für Kinder von Asylbewerbern, die vor einigen Tagen zu hören war, eine klare Absage erteilen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Wir dürfen die Jüngsten – und das ist fast ein Drittel derer, die um Asyl bitten – nicht im Stich lassen, sondern müssen ihnen ein Fundament der Bildung und Berufsperspektive geben.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD sowie des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])
Deshalb ist es richtig, dass das Bundeskabinett unter Leitung von Angela Merkel vor kurzem beschlossen hat, dass die Bundesagentur für Arbeit nicht länger zustimmen muss, wenn es um Praktika zur Berufsorientierung für Geduldete und Asylbewerber geht. Das Bundesprogramm für junge Flüchtlinge „Willkommen bei Freunden“ wird von vielen zusätzlichen Maßnahmen begleitet, darunter die kindgerechte Ausstattung von Flüchtlingsunterkünften, die Förderung von Müttern mit Migrationshintergrund und eine gezielte Unterstützung junger Migranten. Es gibt unzählige weitere Maßnahmen, zum Beispiel die Möglichkeit, in Zukunft auch BAföG und Berufsbildungsbeihilfe zu beantragen oder an der assistierten Ausbildung teilzuhaben, die verhindern soll, dass es zu Ausbildungsabbrüchen kommt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch am heutigen Tag gilt es, festzuhalten, dass der Bund seiner Verantwortung nachkommt und die notwendigen finanziellen Mittel zur Verfügung stellt.
Aber wenn man jüngsten Zahlen des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen hört, dann wird einem anders: Derzeit können vier von zehn Kindern in den Konfliktländern Syrien, Libyen, Irak, Jemen und Sudan nicht zur Schule gehen. Das sind nicht weniger als rund 14 Millionen junge Menschen, die ihrer Bildungsperspektive beraubt sind.
Dabei ist mit Blick auf den Bundeshaushalt auch nicht zu vergessen, dass Deutschland allein seit Ausbruch des Bürgerkriegs in Syrien mit mehr als 1 Milliarde Euro vor Ort geholfen hat. Wir können nicht von heute auf morgen alles ändern; aber die eben genannten Maßnahmen sind ein erster Schritt, die Situation zu verbessern.
Doch auch ohne Fokussierung auf die aktuelle Flüchtlingsthematik ist es eine Tatsache, dass wir in unserem Land generell mehr Lehrer, Erzieher und Sozialarbeiter benötigen. Beim jüngst veröffentlichten ifo-Bildungsbarometer 2015 bestätigten rund drei Viertel der Befragten, dass die Schul- und Bildungspolitik ein zentrales Thema für die Menschen in unserem Land ist und dass dieses Thema auch für ihre persönliche Wahlentscheidung wichtig ist.
So möchte ich zumindest kurz noch darauf eingehen, dass der Bund auch in anderen Bildungsbereichen stärker tätig wird, zum Beispiel bei der Modernisierung und Stärkung der beruflichen Bildung. Die Ausgaben hierfür werden um 7 Prozent erhöht. Die Ausgaben für den internationalen Austausch und die Zusammenarbeit in der beruflichen Bildung werden um 15,6 Prozent gesteigert. Und nicht zuletzt: Das BAföG für Studierende wird im kommenden Jahr um 5,5 Prozent erhöht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Aufwüchse in diesen Zukunftsfeldern sind wichtig für unser Land. Für den Gesamtetat betone ich zum Abschluss noch einmal: Halten wir trotz des Haushaltsplus Maß, um die notwendigen Ausgaben für die Zukunft tätigen zu können! So müssen natürlich zunächst einmal die konkreten Kosten der Flüchtlingshilfen betrachtet werden und muss die Steuerschätzung im Herbst abgewartet werden.
(Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Das ist ganz richtig!)
Begeben wir uns angesichts der jüngsten Entwicklungen nicht in parteipolitische Grabenkämpfe, sondern wenden wir uns gemeinsam der Verantwortung zu und werden dieser auch gerecht! Die Menschen, die unsere Hilfe benötigen, haben dies verdient – und natürlich auch das deutsche Volk.
Danke schön.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Vielen Dank. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, es liegen keine weiteren Wortmeldungen zur allgemeinen Finanzdebatte vor.
Es wäre schön, wenn Sie jetzt zügig Ihre Plätze einnehmen würden. Dann hätte nämlich der Bundesminister Hermann Gröhe, dem ich jetzt das Wort für die Bundesregierung gebe, die notwendige Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5752025 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 119 |
Tagesordnungspunkt | Allgemeine Finanzdebatte |