25.09.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 125 / Tagesordnungspunkt 21

Hilde MattheisSPD - Stärkung der pflegerischen Versorgung

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich und meine Fraktion freut sich, weil wir nach vielen Jahren Überzeugungsarbeit heute wirklich ein Herzstück einer Pflegereform auf den Weg bringen – ein Herzstück!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich glaube, wir können für uns in Anspruch nehmen, dass wir das, was wir in der Opposition immer vertreten haben, jetzt in der Regierung umsetzen.

(Beifall bei der SPD – Axel Schäfer (Bochum) [SPD]: Sehr wahr!)

Das ist ein wichtiger Schritt; denn uns allen ist klar: Wir brauchen in der Pflege große Anstrengungen, und diese großen Anstrengungen gehen dahin, nicht nur mehr Geld in die Pflege zu geben, sondern auch strukturelle Verbesserungen zu erreichen.

(Beifall bei der SPD)

Diese strukturellen Verbesserungen hängen fest und eng mit dem Pflegebedürftigkeitsbegriff zusammen. Wenn wir es nicht geschafft hätten, weg von der Mangelerhebung und hin zu einem Teilhabeaspekt zu kommen, hätten wir noch so viele Leistungsverbesserungen auf den Weg bringen können – wir hätten es nicht erreicht, individuell zu helfen.

Deshalb ist es so wichtig, dass wir dieses Herzstück nicht nur diskutieren, sondern auch auf den Weg bringen. Sie und Sie von der Opposition haben vor wenigen Jahren – da bitte ich Sie, einfach einmal Ihre Reden nachzulesen – mit uns genau diese Forderung erhoben. Ich fand es damals gut und richtig, dass wir eine breite Übereinstimmung hatten. Deshalb appelliere ich an Sie: Begleiten Sie uns durchaus kritisch-konstruktiv! Auch wir werden im parlamentarischen Verfahren an der einen oder anderen Stelle sicherlich nicht nur Nachfragen haben, sondern auch Schwerpunkte anders setzen. Denn unser gemeinsames Streben muss es sein, dass wir in dieser Großen Koalition das hinkriegen, was wir den Menschen versprochen haben, nämlich auch in der letzten Lebensphase Lebensqualität zu erhalten.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Maria ­Michalk [CDU/CSU] – Abg. Pia Zimmermann [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Das geht damit, dass man auf der einen Seite mehr Geld in dieses Sozialversicherungssystem hineinholt. Mehr Solidarität wäre auch uns als SPD noch lieber. Daran werden wir arbeiten; denn die solidarische Absicherung dieser wichtigen Sozialversicherungssäule ist unser Ziel. Aber wir können nicht alles auf einmal erreichen; das ist richtig.

Frau Mattheis, darf die Kollegin Zimmermann eine Frage stellen?

Bitte, Frau Zimmermann; gern.

Bitte schön.

Vielen Dank, Frau Mattheis, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Zu meiner Frage. Sie sagen, dass es darum geht, was wir den Menschen versprochen haben, und dass wir nachlesen sollen, was in unseren Reden stand. Im Wahlprogramm der SPD zur letzten Bundestagswahl stand die Bürgerinnen- und Bürgerversicherung. Da frage ich mich: Wie gehen Sie denn jetzt damit um, vor allen Dingen auch vor dem Hintergrund, dass die private Pflegeversicherung – mein Kollege, Herr Weinberg, hat es erwähnt – 2014 eine Rücklage von 25 Milliarden Euro – jetzt wahrscheinlich noch mehr – hatte? Um das einmal anhand von Versorgungszeiten deutlich zu machen: Es ist so, dass die private Pflegeversicherung mit dieser Rücklage 32 Jahre lang ihre Pflegeleistungen erbringen kann, während die sogenannte soziale Pflegeversicherung das mit ihrer Rücklage nur ein Vierteljahr lang kann. Wie wollen Sie das denn politisch bewältigen, um da zu einem Gleichgewicht zu kommen und das, was auch Sie selbst fordern, nämlich die solidarische Bürgerinnen- und Bürgerversicherung, umsetzen zu können?

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Frau Zimmermann, wir kennen die Zahlen. Ich habe gerade gesagt, dass das unser Ziel ist und bleibt: Wir wollen mehr Solidarität in diesem System. Wir wollen eine Bürgerinnen- und Bürgerversicherung, die diesen Namen auch verdient. Ich glaube auch, dass Sozialversicherungssysteme nie abgeschlossen sind, Frau Scharfenberg. Man muss immer daran arbeiten, dass das System besser wird. Und wir erreichen jetzt mit diesem wichtigen Schritt, dass es besser wird.

Das, was wir in die Koalitionsverhandlungen eingebracht haben, was wir Wort für Wort mit unserem Koalitionspartner fest vereinbart haben, können wir jetzt umsetzen – mit der Reform, mit dem Pflegestärkungsgesetz II.

(Beifall bei der SPD)

Worum geht es dabei? Es geht im Kern darum, die Beratung auszudehnen. Wir haben mit dem PSG I wichtige Leistungsverbesserungen verabschiedet, die jetzt passgenau eingefügt werden müssen. Das bedeutet: Wir müssen genau schauen, ob eine niedrigschwellige Beratung – das wird einer unserer Schwerpunkte sein – mit diesem Grundstein tatsächlich verwirklicht werden kann. Dabei geht es darum, die Kommunen sehr viel mehr zu stärken, damit diese die Infrastruktur planen können, um niedrigschwellige Pflegeangebote auszubauen. Das ist für uns ein wichtiger Punkt.

(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Pflege-AG ist doch gescheitert! Das ist doch alles nur Gerede!)

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, mehr Gerechtigkeit in dieses System zu bringen. Deshalb müssen wir hinterfragen, ob mit dem gedeckelten Betrag für Zusatzleistungen, mit Eigenanteilen unser Ziel tatsächlich erreicht wird, ob das wirklich mehr Gerechtigkeit im System schafft. Diese Fragen werden wir erörtern müssen. Und dabei setze ich schon auf eine breite Unterstützung. Ich glaube, davon brauche ich Sie auch gar nicht zu überzeugen; denn das haben wir alle hier so diskutiert. Das Anliegen, dass Menschen in ihrer letzten Lebensphase die größtmögliche Solidarität von uns, von der Solidargemeinschaft, erfahren sollen, tragen wir gemeinsam. Dieses Anliegen wollen wir mit dem Pflegestärkungsgesetz I und dem Pflegestärkungsgesetz II verwirklichen.

Wir werden hier aber ebenfalls noch zu besprechen haben, was die Ergebnisse der Bund-Länder-Arbeitsgruppe bedeuten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Und wir werden noch das Pflegeberufegesetz zu besprechen haben. Das sind die wichtigen Bausteine. In diesem Kontext sollten wir alle miteinander diskutieren, wie wichtig es ist, dass wir die Reform des Pflegebedürftigkeitsbegriffs jetzt gemeinsam auf den Weg bringen. Dabei setze ich auf Ihre Unterstützung.

Ich glaube, auch in der Opposition muss man an manchen Stellen einmal sagen: Ja, die Zielsetzung stimmt, auch wenn nicht alles in Reinkultur umgesetzt werden kann. – Aber die Reform des Pflegebedürftigkeitsbegriffs betrifft unsere Ansprüche in Reinkultur, die wir immer gemeinsam formuliert haben. Ich meine, man sollte auch in der Opposition manchmal über den eigenen Schatten springen und dem zustimmen, was da an Grundsteinen gelegt wird. Um diese Zustimmung bitte ich Sie; denn wir brauchen an dieser Stelle eine breite gesellschaftliche Debatte und eine breite gesellschaftliche Unterstützung.

Natürlich gibt es bei der Umsetzung einige Hürden zu überwinden – Stichworte „Übergangsregelungen“ und „Begutachtung“. Wir müssen schauen, ob das neue Begutachtungssystem funktioniert. Aber stellen Sie sich einmal vor, was passieren würde, wenn wir das in dieser Phase der Pflegereform nicht hinbekommen würden!

(Mechthild Rawert [SPD]: Das wäre eine Katastrophe!)

Wir hätten viel versprochen, aber nichts für die Menschen gewonnen.

In diesem Sinne: Ich würde mich über eine breite Unterstützung und durchaus auch über eine kritische Begleitung während der parlamentarischen Beratungen freuen. Aber wir sollten uns klarmachen, dass wir den Kern dieser Reform nicht aus dem Auge verlieren dürfen, den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Nun spricht der Kollege Erwin Rüddel für CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5852194
Wahlperiode 18
Sitzung 125
Tagesordnungspunkt Stärkung der pflegerischen Versorgung
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta