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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schönen Dank zurück an Kirsten Tackmann für die geleistete gemeinsame Arbeit. Ja, es war gut, dass wir das auf die Reise gebracht haben. Wir haben gerade eindrücklich erlebt, warum es gut war, dass wir unsererseits ein deutliches Signal an unsere Milchviehbetriebe gesendet haben.

Herr Minister Schmidt, Sie und viele aus Ihren Reihen haben uns Milchbauern noch vor einem halben Jahr das Blaue vom Himmel versprochen: Die Zukunft liegt im Export, die Zukunft liegt auf dem Weltmarkt, die langfristigen Aussichten sind bestens, die Welt wartet auf unsere Milch, sie braucht unsere Milch. – Mit der Realität hat das nichts, aber auch gar nichts zu tun.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Das mag bei Kees de Vries nicht angekommen sein. Er hat vieles versprochen, zum Beispiel 32 Cent für die Milch. Wer bei dem Preis nicht wirtschaften könne, solle Beamter werden. Solche Dinge hörten wir von ihm. Gut, das hat sich alles als Märchenstunde erwiesen. Die Realität ist leider hart. Sie von der Union, oftmals auch vom Bauernverband, haben durch Ihr ständiges Wachstumsmantra die Milchviehbetriebe bis an den Rand des Abgrunds geführt. Gewachsen sind in den letzten Jahren doch nur die Milchpulvertürme der Exportmolkereien, geförderte Milchpulvertürme, die uns heute gehörig um die Ohren fliegen.

Milchpulver als deutsches Premiumprodukt für die Versorgung der Welt, demnächst dann auch noch über Syrien abgeworfen – Sie können nicht verhehlen, dass Sie sehr lange im Verteidigungsbereich waren; ich hoffe, dass wir dann ein Transportflugzeug haben, das das alles leisten kann –, Milchpulver als bestmögliche Wertschöpfung für unsere Betriebe, das ist doch völlig absurd, Herr Minister.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Diese Botschaft glaubt Ihnen, Herr Minister, doch draußen kein Mensch mehr. Für 25 Cent kann kein Betrieb melken, keiner in Deutschland,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

vor allem nicht die Betriebe, die Sie so hoch gelobt haben, die Wachstumsbetriebe, die resilient und für die Zukunft gut aufgestellt seien. So waren Ihre Worte. Gerade diese Betriebe hat es ganz heftig erwischt.

Die Anzahl der Milchbetriebe ist in den letzten zehn Jahren um ein Drittel gesunken und hat in den letzten sechs Monaten vor dem Wegfall der Milchquote um 2,2 Prozent auf unter 75 000 abgenommen. Das, meine Damen und Herren von der Union, das, Herr Agrarminister Schmidt, ist der Erfolg Ihrer Politik. Wo ist denn, Herr Minister Schmidt, die versprochene rosige Zukunft für die Milchviehbetriebe? Wo sind denn die Zukunftsmärkte, die Sie versprochen haben? Chinas Importe an Milchpulver sind von Januar bis Mai dieses Jahres um 54 Prozent im Vergleich zum Vorjahr eingebrochen. Ich sehe da keine großen Märkte. Sie müssen mir erklären, wie das als Zukunftsabsatzmarkt deklariert werden kann.

Allein Indien hat in den letzten fünf Jahren – auch das muss man zur Kenntnis nehmen – seine Erzeugung um 25 Prozent gesteigert. Auch da gibt es inzwischen eigene Bemühungen, die sehr erfolgversprechend sind. Sicher, es bleiben ja noch so demokratische Freunde – für die CSU ist das wahrscheinlich nicht so schwierig – wie Saudi-Arabien, Iran und Ägypten. Der Absatz unserer Butter dort hat sich tatsächlich etwas gesteigert; das ist richtig. Aber meinen Sie wirklich, unseren Milchviehbetrieben verkaufen zu können, dass dies der sichere Hafen der Zukunft ist, auf dem man Existenzen gründen kann, auf dem man die Zukunft aufbauen kann? Diese Heilsversprechen glaubt Ihnen keiner mehr.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Wie sonst, Herr Minister Schmidt, sind die anhaltenden Proteste zu erklären, zu denen es kommt, wann immer Sie irgendwo im Land auftauchen? Diese Proteste entstehen, egal wo Sie hinfahren, ob nach Brüssel, nach Fulda, nach München oder am vergangenen Samstag zur Anuga in Köln. Die Milchbauern und ‑bäuerinnen bezeugen ihre Wut. Sie sind vor Ort. Sie kämpfen gegen Ihre Politik. Das hat zumindest immerhin dazu geführt, wie wir heute hörten, dass Ihr Personenschutz deutlich verstärkt worden ist. Man hat Angst vor den wild gewordenen Milchbauern.

Ihre heilige Dreifaltigkeit aus Union, Bauernverband und Agrarindustrie hat ausgedient, Herr Minister.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bis heute haben Sie nämlich keinerlei Vorschläge zur Lösung der Probleme vorgelegt. Warum haben Sie denn auf den Bericht des Bundeskartellamtes zur Situation auf dem Milchmarkt nicht reagiert? Jetzt wollen Sie darüber sprechen. 2012 war es an der Zeit, über die Machtlosigkeit der Milcherzeuger zu reden. Ja, Sie vertreten natürlich einseitig nur die Interessen der Molkereien.

Überproduktion muss eingedämmt werden; das ist die Aufgabe der Stunde, nichts anderes.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Wir haben zu viel Milch. Der Milchüberschuss in der Welt beträgt 10 Millionen Tonnen; das kann jeder nachlesen. Genau seit 2010 werden in Europa 10 Millionen Tonnen mehr erzeugt. Jeder kann doch erklären, dass das eindeutig zu viel ist.

Ihre Politik führt dazu, dass insbesondere die Wachstumsbetriebe schließen müssen. Wir stehen vor einem Strukturbruch mit volkswirtschaftlichen Verlusten in Milliardenhöhe. Da helfen keine freiwilligen Verbindlichkeiten, Herr Minister, die Sie ja so gerne jeden Tag, fast jede Stunde verkünden. Besonders schlimm: Die Milch wandert aus den benachteiligten Grünlandgebieten ab, wo sie hingehört; dort hat sie oft eine hohe Bedeutung für die Erhaltung der Arten. Wir brauchen endlich ein Krisenmanagement, das die Menge an den europäischen Bedarf anpasst.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, der Milchmarkt kann nur mit einer nachfrageorientierten Produktion funktionieren. Herr Minister Schmidt, wir fordern Sie zum x‑ten Mal auf – diesmal beide Fraktionen der Opposition gemeinsam –: Folgen Sie doch endlich den Empfehlungen der Länderagrarministerkonferenz. Setzen Sie sich endlich für ein Krisenmanagement, für eine flexible Angebotsregulierung, national und europäisch, ein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Nutzen Sie die Möglichkeiten für eine Marktregulierung, indem Sie die Auszahlung konditioniert an eine Mengenreduzierung binden. Stärken Sie die Marktmacht der Milcherzeuger durch die Abschaffung der Andienungspflicht –

Herr Kollege Ostendorff, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?

– lassen Sie mich diesen Gedanken gerade noch zu Ende bringen, dann gerne –, durch Verbesserungen im Wettbewerbsrecht und eine Stärkung der Erzeugerbündelung. Helfen Sie den Milchviehbetrieben, die auf Grünland, oft in benachteiligten Regionen, produzieren.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Herbert Behrens [DIE LINKE])

Milchbäuerinnen und Milchbauern haben nicht mehr die Zeit, darauf zu warten, dass dieser Minister endlich einen Weg findet, ohne Gesichtsverlust zur Vernunft zu kommen. Vielleicht will der Minister es aber auch gar nicht.

Jetzt bitte Ihre Zwischenfrage.

Jetzt erteilt der Präsident dem Kollegen Franz-Josef Holzenkamp das Wort zu einer Zwischenfrage.

Herr Präsident, ich habe auch bewusst so lange gewartet, bis Sie mir das Wort erteilen. – Herr Kollege Ostendorff, ich möchte zunächst bemerken, dass wir – ich glaube, da sind wir uns alle einig; das wissen wir auch von unserer gemeinsamen Ausschussarbeit – uns alle um die Milchviehbetriebe wirklich sorgen und dass wir alle um richtige, um bessere Wege für die landwirtschaftlichen Betriebe streiten. Im Übrigen geht es den Schweinehaltern, insbesondere den Sauenhaltern, schon seit längerer Zeit nicht viel besser.

Aber ich möchte die Frage stellen: Wie wollen Sie die Außengrenzen absichern? Denn das muss ja Voraussetzung sein, um innerhalb von Europa ein eigenes, unabhängiges, hohes Preisniveau zu halten. Wie wollen Sie die Außengrenzen sichern, und wer soll das dann eventuell bezahlen? Wer soll die Kosten für die Kompensation tragen?

Wie Sie wissen, Kollege Holzenkamp, bewegen wir uns europäisch. Die Befürchtung, dass dann sofort von außerhalb Europas Milchmengen in die Europäische Union fließen, die unsere Freigaben besetzen würden, habe ich nicht. Das mag uns unterscheiden. Sie mögen dann bitte erklären, was Sie erwarten, wann Indien den Markt hier überschwemmt. Ich glaube, in Indien ist im Moment noch Luft für die eigene Versorgung. Auch der chinesische Milchbauer wird noch nicht in der Lage sein, den Gang nach Bayern anzutreten. Ich sehe diese Gefahr nicht.

Europa ist in der Lage, die Milchmenge mit seiner Stärke nachfrageorientiert zu regulieren, wie ich es gesagt habe. Das ist die Lösung; anders wird es nicht gehen.

Sie sehen es doch an den Zahlen: 730 Millionen Tonnen Erzeugung in der Welt, 720 Millionen Tonnen Verbrauch. Seit 2010 – ich habe es gesagt – gab es eine Steigerung um 10 Millionen Tonnen, und zwar in Europa. Sonst hat niemand gesteigert, auch die USA kaum. Diese 10 Millionen Tonnen, die Europa seit 2010 zugelegt hat – auch Deutschland hat leider erheblich zugelegt –, machen jetzt den Preis kaputt.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Darauf mögen Sie dann bitte noch eine Antwort geben. Das können wir hier leider nicht machen, das müssen wir gleich bilateral klären.

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Wilhelm Priesmeier für die SPD.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5975469
Wahlperiode 18
Sitzung 130
Tagesordnungspunkt Milchmarkt
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