16.10.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 131 / Zusatzpunkt 5

Christian FlisekSPD - Einführung einer Speicherfrist und Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, nahezu zum Schluss der heutigen Debatte lohnt es sich durchaus, noch einmal, wenn man so will, auf die Geschäftsgrundlage unserer Diskussion hier zu blicken und sie sich noch einmal klarzumachen.

Wir haben im Jahre 2010 ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts bekommen wegen Verstoßes gegen das Fernmeldegeheimnis, das die damalige Regelung zur Vorratsdatenspeicherung für nichtig erklärt hat. Wir haben vier Jahre später ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs bekommen, das die zugrundeliegende Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung wegen Verstoßes gegen die Grundrechtecharta für unwirksam erklärt hat. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, zur Wahrheit der Analyse gehört eben auch, dass keines der beiden Urteile – der Kollege Dr. Ullrich hat darauf zu Recht hingewiesen – eine Regelung zur Speicherung von Kommunikationsverkehrsdaten per se für unzulässig erklärt hat.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Beide Urteile sehen einen sehr engen, einen klar umrissenen Möglichkeitsraum für eine solche Regelung vor. Das ist, wenn Sie so wollen, die Geschäftsgrundlage, die wir seit 2014 vorfinden. Damit war auch klar, dass die Debatte um die Wiedereinführung einer wirksamen und rechtskonformen gesetzlichen Regelung nicht beendet war – und ich füge hinzu: insbesondere nicht in Zeiten, in denen wir durchaus eine Bedrohungslage durch terroristische Anschläge haben, wie zuletzt in Paris Anfang des Jahres auf die Redaktionsräume von Charlie Hebdo . Man kann das ignorieren; aber ich glaube, die Bürgerinnen und Bürger erwarten auch von uns, dass wir diese Belange hier aufmerksam und sachlich diskutieren, dass sie hier eine Rolle spielen.

Wir haben in den letzten Monaten hierzu eine intensive Debatte geführt, auch in meiner Partei; ich sage das mit Stolz. Das ist keine Schwäche. Es ist eine Stärke der Sozialdemokratie, dass wir uns bei diesen Fragen mit einer intensiven Debatte auseinandersetzen.

(Beifall bei der SPD – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, wenn man sich danach richtig entscheidet!)

Das ist im Übrigen einer der Gründe, warum wir seit 152 Jahren existieren.

Herr Kollege, der Kollege Ströbele würde gerne eine Zwischenfrage stellen. Lassen Sie die zu?

Momentan nicht.

Bitte schön. Fahren Sie fort.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Kunst war es jetzt, diesen verbliebenen Möglichkeitsraum so auszuloten, dass er unter strikter Achtung der verfassungsrechtlichen Vorgaben und unter Wahrung der Grundrechte und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ausgefüllt wird. Die einzelnen Stellschrauben der Regelung waren so auszutarieren, dass eine wirksame, aber vor allem eine grundrechtsschonende Regelung herauskommt. Und es ist der SPD – vor allen Dingen auch Bundesminister Maas – zu verdanken, dass das in dieser Form gelungen ist.

(Beifall bei der SPD)

Ich bin davon überzeugt, dass dieser Gesetzentwurf unter anderen zeitlichen oder auch unter anderen politischen Verhältnissen eine ganz und gar andere Handschrift tragen würde. In der Form, wie wir ihn jetzt vorfinden, trägt er eine sozialdemokratische Handschrift, und das ist gut so. Die Tonlage dieses Gesetzes ist eine ruhige und keine hitzige, eine abwägende und keine überdrehte Tonlage.

Wir wissen auch aus der öffentlichen Anhörung, dass die Forderungen aus Sicherheitskreisen sehr viel schärfer waren. Wir haben aber auch gesagt: Sicherheitspolitik ist kein Wunschkonzert, sondern gerade das Geschäft eines Abwägens mit Augenmaß. Deswegen kann ich sagen: Vor uns liegt heute der mit Sicherheit grundrechtsschonendste Ansatz, den wir jemals – zumindest in Europa, auf jeden Fall in Deutschland – zu Speicherfristen gesehen haben. Herr Bundesminister Maas hat diesen Gesetzentwurf bereits in seinen Einzelheiten vorgestellt.

Lieber Kollege von Notz, wir verbringen viel Zeit miteinander,

(Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)

zum Beispiel im Untersuchungsausschuss, ja gestern, an jedem Donnerstag, sehr, sehr lange.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt!)

Wir teilen nicht jedes Argument. Ich höre dir sehr intensiv zu; aber ich würde nie sagen, dass das eine lapidare Rede war. Auch ich würde mir manchmal wünschen, dass man sich gerade auch bei den Debatten, die hier besonders hitzig geführt werden, nicht in der Tonlage vergreift, insbesondere wenn man selber, wie du das gerade getan hast, mit Interventionen klarmacht, dass man sehr viel Wert auf die Wahl von Begriffen legt.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, es bleibt zusammenfassend festzustellen: Diese Regelung sieht vor: Es werden erheblich weniger Daten gespeichert. Es wird sehr viel kürzer gespeichert, und vor allen Dingen unter sehr viel strengeren Voraussetzungen, und zwar im Inland, gespeichert.

Frau Künast, lassen Sie mich eines sagen: Sie benutzen ja nahezu jedes Urteil, um es auf Ihre Linie zu bringen. Wir greifen dem Safe-Harbor-Urteil, wenn Sie so wollen, mit der Umsetzung dieses Gesetzes geradezu vor, eben weil wir eine im Rahmen der EU-Kommission durchaus strittig diskutierte Regelung im Inland vorsehen.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist der eine Teil!)

Genau aus diesen Gründen, die im Safe-Harbor-Urteil stehen, sagen wir: Wir wollen, dass die Daten im Inland gespeichert werden, und wir stellen uns mit denselben Argumenten der Kommission entgegen. Ich finde, das ist gut.

Frau Künast, eines will ich auch sagen: Ich kann nicht verstehen, dass Sie als Vorsitzende des Rechtsausschusses, als jemand, der das gesamte Verfahren begleitet hat, behaupten, hier werde ein Gesetz im Schweinsgalopp, im Eiltempo, durch den Bundestag gepeitscht,

(Zurufe von der LINKEN)

noch dazu, man nutze die Flüchtlingskrise aus, um diesen Gesetzentwurf jetzt zu verabschieden. Liebe Frau Künast, ich sage Ihnen ganz offen: Ich verstehe das nicht. Die Eckpunkte liegen seit dem 15. April vor.

(Thomas Strobl (Heilbronn) [CDU/CSU]: Das ist wohl wahr!)

Wir haben den ganzen Sommer darüber debattiert. Wir haben eine öffentliche Anhörung durchgeführt. Wir haben hier eine sachliche erste Lesung gehabt.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Am Montagabend haben Sie den Tagesordnungspunkt beantragt! Am Montagabend!)

So ein Beitrag, Frau Künast, ist ein Beitrag zur Politikverdrossenheit. Ich finde das von der Vorsitzenden des Rechtsausschusses nicht in Ordnung.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So viel Angst habt ihr?)

Die Zeit.

Ich möchte zum Schluss kommen. – Meine Damen und Herren, man muss kein euphorischer Anhänger der alten Vorratsdatenspeicherung gewesen sein, um dennoch diesem Gesetzentwurf heute mit gutem Gewissen zustimmen zu können; denn es ist ein Gesetzentwurf mit Augenmaß.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Abgeordneten Ströbele das Wort.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5978398
Wahlperiode 18
Sitzung 131
Tagesordnungspunkt Einführung einer Speicherfrist und Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten
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