05.11.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 133 / Tagesordnungspunkt 3

Hubert HüppeCDU/CSU - Hospiz- und Palliativversorgung

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wir werden morgen eine Debatte über die Zulässigkeit oder das Verbot der Beihilfe zur Selbsttötung führen.

(Mechthild Rawert [SPD]: Was ein anderes Thema ist!)

Die Debatte darüber führen wir seit vielen Monaten. Egal wie das morgen ausgeht, eines hat diese Debatte auf jeden Fall bewirkt, nämlich dass wir uns vermehrt über Palliativmedizin und Hospize Gedanken machen. Das ist, denke ich, ganz wichtig.

Es ist zwar schon ein paarmal gesagt worden, trotzdem möchte auch ich es sagen: Hermann Gröhe hat, als er das Amt übernommen hat, das tatsächlich sofort zur Chefsache gemacht. Das fand ich richtig.

(Beifall des Abg. Dr. Harald Terpe [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich fand es auch sehr gut – Harald Terpe hat es gerade gesagt –, dass alle Parteien mitgewirkt haben und alle Parteien die Chance hatten, sich einzubringen, und man nicht, wie es manchmal reflexartig geschieht, gesagt hat: Jetzt kommt es von den anderen, jetzt lehnen wir das ab. – Vielmehr hat man gefragt: Was ist gut? Was können wir übernehmen? Was ist wichtig für die Menschen? Ich finde, das ist sehr gut für dieses Parlament. So kann man auch hier durchaus von einer Sternstunde sprechen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir verabschieden heute den Entwurf eines Hospiz- und Palliativgesetzes. Ich glaube, dies ist auch ein wichtiger Beitrag zur Suizidprävention; über einen Antrag dazu werden wir noch sprechen. Wir wollen, dass die Menschen würdig sterben können. Wir wollen, dass Sterbende menschliche Zuwendung bekommen. Wir wollen, dass jedem die beste pflegerische, medizinische und seelsorgerische Hilfe angeboten wird. Und wir wollen, dass jeder Mensch die letzte Phase seines Lebens in der Umgebung verbringen kann, in der er wirklich sterben will. Da viele zum Schluss mit ihren Angehörigen zusammen sein wollen, wollen wir auch, dass den Angehörigen geholfen wird, die sich um ihre Verwandten oder Partner kümmern, sie pflegen und ihnen helfen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es ist auch richtig, dass wir gestern im Gesundheitsausschuss noch einige Änderungen angenommen haben, vor allen Dingen einige Änderungen, mit denen die ambulante Hilfe gestärkt wird. Da ging es nämlich um wichtige Punkte, die wir bis dahin noch nicht berücksichtigt hatten. Wir haben zwar seit 20 Jahren eine Hospizbewegung und eine verbesserte Palliativmedizin, aber es ist offensichtlich noch längst nicht alles erreicht. Ich verstehe auch, wenn man sagt, dass der Gesetzentwurf noch nicht alles enthält.

Aber, ich denke, ganz wichtig ist auch: Wir haben gestern im Zuge der Veränderungen an diesem Gesetz noch einmal zahlreiche Berichtspflichten eingeführt. Ich bin kein Freund von vielen Berichtspflichten; das gebe ich zu. Aber gerade im Bereich der Palliativversorgung haben wir ja erlebt, dass wir manches beschlossen haben, das dann von den Beteiligten nicht so umgesetzt worden ist. Deswegen sagen wir: Ihr müsst uns noch einmal darlegen, ob ihr es wirklich so umgesetzt habt, ob die Qualität besser geworden ist und – vor allen Dingen – ob es für die Menschen besser geworden ist, die in ihren letzten Stunden die Hilfe brauchen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

In der eben schon einmal zitierten Studie der Bertelsmann-Stiftung wurde gezeigt, dass drei Viertel der Menschen zu Hause sterben möchten, aber nur 20 Prozent der Menschen tatsächlich zu Hause sterben. Knapp die Hälfte der Menschen verbringt ihre letzten Tage im Krankenhaus, ein Drittel in Pflegeheimen.

Tatsache ist aber auch, dass das kein Zufall ist. Vielmehr hängt es von der entsprechenden Unterstützung in der Region ab. Das kann man auch an den unterschiedlichen Zahlen sehen: Wo viele niedergelassene Ärzte eine Zusatzqualifikation in der Palliativmedizin haben, da, wo wir Netze haben, wo wir viele Ehrenamtliche haben, wo die Versorgung ambulant unterstützt wird, verbringen mehr Menschen ihre letzten Tage zu Hause. In Nordrhein-Westfalen sterben 49 Prozent in einem Krankenhaus, in Baden-Württemberg nur 41 Prozent. Das hat damit zu tun, dass dort die Versorgung besser ist. Ich habe jetzt zwei Länder genannt, die eine ähnliche politische Führung haben. Bei diesen Zahlen geht es aber nicht um einen politischen Streit, sondern sie verdeutlichen die Tatsache: Da, wo ambulant geholfen wird, können die Menschen zu Hause sterben, also da, wo die meisten von uns – übrigens auch ich – sterben möchten.

Dies setzen wir mit diesem Gesetz um. Wir geben den ambulanten Hospizen mehr Geld. Wie viele von Ihnen habe auch ich in meinem Wahlkreis in den letzten Monaten mit Ehrenamtlichen gesprochen. Viele Hospizdienste haben das Problem, dass sie die Finanzierung erst spät bekommen und daher nicht wissen, ob sie am Ende des Jahres noch Geld haben, um im nächsten Jahr weiterzuarbeiten. Jetzt haben wir gesagt: Sie bekommen das Geld von der ersten Sterbebegleitung an. – Das ist ganz wichtig.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich will es noch einmal sagen: Es sind die 80 000 Ehrenamtlichen in diesem Bereich in Deutschland, die den Hospizgedanken tragen. Aber es sind nicht nur die Ehrenamtlichen – ihnen wurden eben schon zu Recht gedankt –, sondern auch ganz viele Angehörige, die sich selber zum Teil aufgeben und helfen. Wenn es Helden im Alltag gibt, dann sind es die Angehörigen, die bis zuletzt dabei sind und helfen, wenn ihr Partner, wenn ihr Sohn, wenn ihr Vater, wenn ihre Mutter stirbt. Wir müssen sie so unterstützen, dass sie dazu in der Lage sind.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Birgit Wöllert [DIE LINKE])

Wichtig ist auch, dass die Menschen wissen, welche Hilfen es gibt. Ich habe in den vielen Diskussionen gemerkt, dass das nicht der Fall ist. Wenn Sie in Ihrem Wahlkreis bei einer Veranstaltung darüber sprechen, dann weiß dort niemand – wenn nicht gerade Fachleute dabei sind –, welche Möglichkeiten der Unterstützung es gibt. Es ist nicht bekannt, was der Unterschied zwischen einer Palliativstation im Krankenhaus und einem Hospiz ist. Deswegen ist es wichtig, dass wir in diesem Gesetz geschrieben haben, dass die Menschen wissen sollen, welche Möglichkeiten es gibt. Wenn dann der Ernstfall eintritt, muss sichergestellt werden, dass sie entsprechend beraten werden und dass sie die Hilfe auch so in Anspruch nehmen können, dass sie ihren Bedürfnissen gerecht wird. Das, denke ich, ist ein ganz wichtiger Punkt bei diesem Gesetz.

Manchmal wird gefragt – es gibt ja ein paar Stellungnahmen dazu –: Warum zahlt ihr für die stationären Hospize nicht alles? Warum zahlt ihr nur 95 Prozent? Vorher waren es 90 Prozent; bei den Kinderhospizen waren es schon länger 95 Prozent. Obwohl ich ein großer Freund der Kinderhospize bin, finde ich es richtig, dass die Höhe der Mittel für die Erwachsenenhospize angeglichen worden ist. Kinderhospize sind ganz wichtig. Aber jeder weiß, dass es für ein Erwachsenenhospiz schwieriger ist als für ein Kinderhospiz, Spenden zu bekommen. Deswegen ist es wichtig, dass wir die Erwachsenenhospize gleichgestellt haben. Es war ein Wunsch, zumindest der meisten Ehrenamtlichen, das nicht voll zu finanzieren, weil es eben kein Geschäft ist. Vielmehr wollen sie diesen Gedanken in die Bevölkerung tragen, dafür werben und dafür auch Spenden einsammeln; auch das gehört zum Engagement.

Ich komme zum Schluss. Ich hoffe, meine Damen und Herren – ich hoffe das nicht nur, sondern ich weiß und wünsche es auch –, dass dieses Gesetz dazu beiträgt, dass die Menschen in der schwächsten Phase ihres Lebens die Hilfe bekommen, die sie brauchen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auf der Ehrentribüne hat die Präsidentin der Saeima der Republik Lettland, Frau Murniece, mit ihrer Delegation Platz genommen, die ich ganz herzlich hier im Deutschen Bundestag begrüßen möchte.

(Beifall)

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir begrüßen Sie sehr herzlich, und wir freuen uns über die gute Zusammenarbeit, die es zwischen unseren Parlamenten gibt und in deren Fortsetzung wir große Erwartungen setzen. Herzlich willkommen!

(Beifall)

Nun hat die Kollegin Helga Kühn-Mengel für die SPD-Fraktion das Wort.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6098724
Wahlperiode 18
Sitzung 133
Tagesordnungspunkt Hospiz- und Palliativversorgung
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