Elke FernerSPD - Lohngleichheit für Frauen und Männer
Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Liebe Kolleginnen! „ Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“, das war vor gut 150 Jahren eine der zentralen Forderungen der deutschen und der internationalen Frauenbewegung. Im Jahr 2015 beträgt die Lohndifferenz zwischen Frauen und Männern in Deutschland immer noch 22 Prozent. Damit befinden wir uns mit Estland ganz hinten, am Ende der Skala in der Europäischen Union. Nächstes Jahr wird die Lohndifferenz 21,6 Prozent betragen. Was für ein Fortschritt! Ich sage Ihnen: Da müssen wir nun wirklich ein bisschen mehr Tempo machen; sonst erleben noch nicht einmal unsere Enkeltöchter, dass es gleichen Lohn für gleiche Arbeit gibt.
Im 21. Jahrhundert geht es aber nicht mehr nur um gleichen Lohn für gleiche, sondern auch um gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit. Da die Ursachen für die Lohndifferenz vielfältig sind, gibt es auch nicht nur die eine Lösung, sondern wir brauchen mehr Maßnahmen, und zwar ein ganzes Bündel von Maßnahmen. Da reicht es nicht aus, wenn mehr Frauen in den Tarifkommissionen sind – und zwar auf beiden Seiten des Tisches –, sondern da brauchen wir ein bisschen mehr.
Wir haben mit dem gesetzlichen Mindestlohn, mit der verbesserten Möglichkeit zur Erlangung der Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen und, damit verbunden, mit einer Stärkung der Tarifbindung einen ersten wichtigen Schritt hin zu mehr Lohngerechtigkeit gemacht. Im Niedriglohnsektor und gerade in den nicht tarifgebundenen Betrieben arbeiten sehr viele Frauen. Insofern bin ich der Überzeugung, dass im Jahr 2017 schon ein Effekt zu spüren sein wird, auch im Hinblick auf den Gender Pay Gap.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ein weiterer Grund für die Lohndifferenz ist die Teilzeitarbeit. Eine niedrigere Bezahlung von Teilzeitarbeit pro Stunde ist durch das Teilzeit- und Befristungsgesetz verboten. Es geschieht trotzdem, am meisten bei den Minijobberinnen, aber auch bei denjenigen, die nur ihre Arbeitszeit reduziert haben. Es kommt hinzu, dass die Teilzeitbeschäftigten kaum an betrieblicher Qualifizierung und kaum bis gar nicht an betrieblichen Aufstiegsmöglichkeiten teilhaben. Das führt im Laufe der Zeit natürlich wieder zu mehr Lohnungleichheit statt zu mehr Lohngleichheit. Vor allen Dingen fehlt der Anspruch auf Rückkehr zur früheren Arbeitszeit. Dieses Problem werden wir im nächsten Jahr angehen. Auch das ist ein wichtiger Beitrag zur Herstellung der Entgeltgleichheit.
(Beifall bei der SPD)
Damit werden wir mit der beruflichen Sackgasse, die Teilzeit bedeutet, Schluss machen und Teilzeit auf das zurückführen, wofür sie eigentlich gedacht war, nämlich auf eine zeitlich befristete Episode im Erwerbsleben von Frauen, aber auch von Männern. Dann wird Teilzeit kein unfreiwilliger Dauerzustand mehr sein.
Das Nächste, was wir brauchen, ist mehr Transparenz. Um überhaupt feststellen zu können, ob Entgeltungleichheit vorhanden ist, braucht man mehr Transparenz. Es ist schon ein bisschen komisch, dass gerade in Deutschland die Antwort auf die Frage: „Was verdient der Kollege, bzw. was verdient die Kollegin?“ das bestgehütete Geheimnis ist. Das ist in anderen Ländern anders. Wir wollen natürlich keine Lohnlisten veröffentlichen, sondern wir wollen die Entgeltstrukturen sichtbar machen – darauf haben wir uns in dieser Koalition verständigt –, und zwar bei Betrieben ab 500 Beschäftigten. Das ist auch gut so. Denn nur wenn man die Entgeltungleichheit kennt, kann man sich auf den Weg machen, Entgeltgleichheit herzustellen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir haben auch vereinbart, dass die festgestellte Entgeltungleichheit durch die Unternehmen mithilfe verbindlicher Verfahren und gemeinsam mit den Beschäftigten unter Beteiligung der Interessenvertretung im Betrieb beseitigt wird; es geht also nicht nur darum, die Entgeltungleichheit zu dokumentieren, sondern auch darum, etwas dagegen zu tun. Wir haben darüber hinaus einen individuellen Auskunftsanspruch der Beschäftigten vereinbart.
Ich möchte an dieser Stelle klar und deutlich sagen: Schon heute ist Entgeltdiskriminierung verboten. Es ist nicht so, als ob das erlaubt wäre. Allerdings geschieht es. Das liegt auch daran, dass diejenigen, die davon betroffen sind – ob direkt oder indirekt –, ihren Rechtsanspruch einzeln vor Gericht durchsetzen müssen. Wir alle wissen: Wer seinen Job behalten will, der wird das im Zweifel nicht tun. Deshalb brauchen wir zusätzliche gesetzliche Regelungen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Bleibt das Thema „Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit“. Gerade die Berufe, für die sich Frauen in großer Zahl entscheiden, werden schlechter bezahlt als die Berufe, für die sich Männer überwiegend entscheiden. Ich frage hier jetzt einmal in die Runde: Ist es wirklich gerecht, dass das Heben von Steinen – beispielsweise bei einem Maurer – mit fast 3 000 Euro im Monat besser entlohnt wird als das Heben von Menschen in der Altenpflege, wo die höheren Einkommen bei 2 700 Euro und die sonstigen Einkommen bei 2 400 Euro liegen? Ist es richtig, dass ein Produktionshelfer im Bäckerhandwerk ein höheres Einkommen hat als die Bäckereifachverkäuferin, die eine Ausbildung von drei bis dreieinhalb Jahren mit anschließender Prüfung gemacht hat?
(Mechthild Rawert [SPD]: Nein!)
Es gibt also auch Diskriminierungen, die in Tarifverträgen angelegt sind. Im Koalitionsvertrag steht, dass wir uns gemeinsam mit den Tarifpartnern auf den Weg machen wollen, die Tarifverträge zu überprüfen, und ich begrüße ausdrücklich, dass Gewerkschaften wie die NGG und die IG Metall schon dabei sind, das zu tun.
(Beifall bei der SPD)
Wir müssen aber auch eine gesellschaftliche Debatte darüber führen, dass die sozialen Berufe, wie die in der Pflege oder in der Erziehung, besser entlohnt werden müssen.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Der Streik der Erzieherinnen war vor diesem Hintergrund völlig berechtigt.
Ich denke, wir müssen auch darüber reden, wie wir die Ausbildung organisieren; denn es ist auch nicht gerecht, dass die einen eine Ausbildungsvergütung bekommen, während die anderen teilweise auch noch Schulgeld zahlen müssen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Daneben müssen wir auch über das Berufswahlverhalten von jungen Frauen und Männern reden, das sich in den letzten 30 Jahren kaum verändert hat. Das hat etwas mit Rollenmustern, aber auch mit einer späten und teilweise unzureichenden Information über Verdienst-, Aufstiegs- und Weiterentwicklungsmöglichkeiten sowie über die Möglichkeiten der Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu tun. Auch hier müssen wir ansetzen.
Insofern brauchen wir ein ganzes Bündel von Maßnahmen, und ich bin sehr froh, dass die Grünen Vorschläge dazu gemacht haben, insbesondere weil Teile dieser Vorschläge eine sehr große Ähnlichkeit mit dem Gesetzentwurf haben, den wir als SPD-Fraktion in der letzten Wahlperiode in den Bundestag eingebracht haben.
Um auch noch einmal auf die Frage zurückzukommen, ob das, worauf wir uns verständigt haben und wozu wir bald einen Vorschlag vorlegen werden, ausreicht:
(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)
Auch hier gilt der Grundsatz, dass wir einen unumkehrbaren Einstieg zu mehr Lohngerechtigkeit brauchen. Ehrlich gesagt ist mir hier, wie bei der Quote, der Spatz in der Hand lieber als die Taube auf dem Dach. Lassen Sie uns diesen Einstieg in dieser Wahlperiode machen und auch gerne darum streiten, wie man das besser und schneller hinbekommen kann. Ich bin aber froh, dass es in diesem Haus zumindest über das Ob keinen Streit mehr gibt.
Schönen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten CDU/CSU – Mechthild Rawert [SPD]: Ich möchte die Taube in der Hand!)
Das Wort hat die Kollegin Karin Maag für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6107535 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 134 |
Tagesordnungspunkt | Lohngleichheit für Frauen und Männer |