Clemens BinningerCDU/CSU - Kontrolle bundesnachrichtendienstlicher Tätigkeit
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal bin ich positiv überrascht, dass dieses Thema heute Abend auf so viel Interesse im Plenum stößt.
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wieso?)
Das hat sicherlich nichts mit der anschließenden namentlichen Abstimmung zu tun. Vielmehr sind Sie alle nur hier, weil Sie Interesse an der parlamentarischen Kontrolle haben.
(Claudia Roth (Augsburg) [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Damit wir Sie hören!)
Insofern vielen Dank für Ihr Interesse.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es liegt nicht an Ihnen!)
– Es liegt nicht an mir? Das ist ein harter Zwischenruf.
Ich hoffe, dass es mir gelingt, ein paar Dinge klarzustellen. Ich bin Ihnen dankbar, Kollege Hahn, dass Sie mit einem Satz begonnen haben, der die ganze Debatte eigentlich fast überflüssig macht.
(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Nein, überhaupt nicht!)
– Doch. – Wer zu Beginn seiner Rede zum Tagesordnungspunkt betreffend die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste sagt: „Unsere programmatische Grundaussage, dass wir die Nachrichtendienste abschaffen wollen, bleibt bestehen“, vergibt sich nach meiner Auffassung das Recht auf die Kontrolle und die Reform der Kontrolle.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Das ist doch Quatsch!)
Wenn man eine faire, objektive und nachhaltige parlamentarische Kontrolle ausüben will, kann man nicht gleichzeitig sagen: Eigentlich hat die Kontrolle nur das Ziel, die von mir zu Kontrollierenden abzuschaffen. – Dann bekommen Sie auf Dauer ein Glaubwürdigkeitsproblem.
Nun muss man wissen, dass das Parlamentarische Kontrollgremium durchaus eine besondere Stellung hat. In Artikel 45 d unserer Verfassung sind wir, die Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums, ausdrücklich genannt, weil wir etwas machen, was die anderen Ausschüsse nicht machen können. Wir sind stellvertretend für das ganze Plenum mit dieser Aufgabe betraut. Wir werden – auch die Vertreter der Opposition – in geheimer Wahl mit Kanzlermehrheit gewählt – das ist nichts Triviales –, weil wir hier die Interessen des ganzen Hauses vertreten. Wenn wir über parlamentarische Kontrolle reden und hier Reformbedarf sehen – auch wir tun das; ich komme gleich darauf zurück –, dann sollten wir uns bewusst sein, dass es eine Kontrolle sein muss, die unserem Anspruch genügt und nicht zum Ziel haben kann, Nachrichtendienste sturmreif zu schießen, weil es im Parteiprogramm steht.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Nebenbei glaube ich, dass wir der Sicherheit unseres Landes keinen Gefallen tun würden, wenn wir auf Ihrem Weg, Herr Hahn, voranschreiten würden. Wir sind uns doch hoffentlich einig, dass die Herausforderungen, vor denen wir stehen – auch die Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus –, Nachrichtendienste notwendig machen. Wie sollen wir sonst an Erkenntnisse herankommen? Wie sonst sollen wir zu Beurteilungen gelangen, die für unsere Sicherheit von Bedeutung sind? Deshalb kann es zumindest für meine Fraktion – das gilt mit Sicherheit auch für die Kollegen von der SPD und wahrscheinlich ebenfalls für die Kollegen von den Grünen – an der Grundaussage, dass unsere wehrhafte parlamentarische Demokratie Nachrichtendienste braucht – über die Kontrolle können wir ja reden –, keinen Zweifel geben.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ich versuche nun, mich mit Ihrem Antrag konkret auseinanderzusetzen, auch wenn er das Ziel hat, die Dienste abzuschaffen. Ich habe die darin enthaltenen Forderungen genau gelesen. Ich will gleich vorausschicken: Bei zwei oder drei Forderungen können wir uns durchaus annähern.
(Zuruf von der CDU/CSU: Was?)
– Das kommt vor. Wir versuchen, es objektiv zu machen.
(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Wir auch!)
Eigentlich geht es Ihnen aber nur um eines – das zieht sich wie ein roter Faden durch –: den Mitwisserkreis vergrößern, mehr Teilnehmer, weniger Geheimhaltung und am liebsten gleich alles an das schwarze Brett hängen.
(Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Das nennt man Transparenz!)
So funktioniert die Kontrolle von Nachrichtendiensten aber wirklich nicht. Deshalb kann man Ihren Vorlagen überhaupt nicht nahetreten. Wir Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums sind gewählt. Aus diesem gutem Grund gibt es keine Stellvertreterregelung.
Wenn Sie sagen, wenn jemand länger ausfalle, dann sei eine kleine Fraktion nicht mehr in dem Gremium vertreten, dann antworte ich: Für solche längeren Phasen, die ich niemandem wünsche, gäbe es auch die Möglichkeit, ein anderes Mitglied der Fraktion für diese Dauer zu wählen. Das wird Ihnen niemand verwehren. Es gibt Möglichkeiten, für Ersatz zu sorgen. Aber einfach nur mehr Öffentlichkeit herstellen und den Kreis der Personen, die Brisantes erfahren, einfach erweitern zu wollen, bringt keinen Mehrwert für die Kontrolle. Wo ist da wirklich der Mehrwert? Sie haben mehr Mitwisser, aber keine bessere Kontrolle. Deshalb kann man alle diese Punkte rundherum ablehnen.
Wo ich etwas näher bei Ihnen bin – bei aller Vorsicht, weil ich weiß, dass auch die Kollegen der SPD und, wie ich glaube, auch die Kollegen der Grünen es so sehen –, ist, dass wir als Gremiumsmitglieder zukünftig die Erlaubnis haben sollten, die Fraktionsvorsitzenden über besondere Sachverhalte zu informieren. Das halte ich für notwendig angesichts der Bedeutung, die wir hier im Hause haben, und auch angesichts der Bedeutung der Aufgabe. Das sind Punkte, die wir, wie ich glaube, schon verändern müssen.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Lieber nicht!)
– Volker, auch du wirst manches erfahren müssen. So ist es halt.
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Kommen wir zum Punkt Öffentlichkeit. Wir tagen grundsätzlich geheim. Jeder, der das seriös bewertet, muss das einräumen. Das Dilemma wird sich nicht auflösen lassen, weil die Sachverhalte, die wir erfahren, zu brisant sind und weil eine Veröffentlichung die Arbeitsfähigkeit unserer Dienste gefährden würde. Aber dass man – die USA machen es auch – einmal im Jahr eine öffentliche Befragung der Präsidenten der Nachrichtendienste durchaus anberaumen kann, unter Berücksichtigung des Geheimschutzes, könnte am Ende nicht nur der Kontrolle, sondern auch der Akzeptanz der Dienste in unserer Gesellschaft dienen. Über solche Dinge kann man mit uns reden. Aber einfach den Mitarbeiterkreis zu erweitern, die Zahl der Wissenden zu erhöhen und das Ganze mit dem Ziel zu machen, die Nachrichtendienste am Ende abzuschaffen, darüber kann man mit uns nicht reden und auch nicht verhandeln. Das ist eine klare Aussage.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Herr Kollege Hahn, Sie sind derzeit der Vorsitzende des Gremiums, und ich bin Stellvertreter. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie mit zwei Sätzen den Kollegen, die heute Abend hier sind, weil sie das Thema interessiert, sagen, dass sich bei der parlamentarischen Kontrolle doch schon einiges verbessert hat. Wir haben in dieser Legislatur, zum ersten Mal übrigens, sieben konkrete Kontrollaufträge benannt. Das war alles öffentlich, und ich verrate hier keine Geheimnisse. Die reichen von der Thematik der V-Leute bis hin zur Zusammenarbeit des BND in anderen Bereichen.
Wir haben eine Task Force gebildet. Auch das hatten wir noch nie. Das sind Mitarbeiter, die in unserem Auftrag die Nachrichtendienste aufsuchen dürfen, sich dort Akten zeigen lassen dürfen und dort Mitarbeiter befragen dürfen. Dieses Mittel setzen wir ein. Wir setzen es auch bei dem aktuellen Thema ein, das Sie angesprochen haben, nämlich bei der Frage, ob die Suchbegriffe des BND möglicherweise gegen das Gesetz oder gegen das Auftragsprofil verstoßen. Auch da haben wir unsere Task Force eingesetzt.
Wir werden unserer Kontrollaufgabe gerecht. Deshalb müssen wir, wenn wir über Reformen sprechen, über die größte Schwachstelle der parlamentarischen Kontrolle sprechen. Das ist die Selbstkritik, Herr Kollege Hahn. Alle, die in diesem Gremium einmal waren, werden zugeben müssen, dass man als Abgeordneter, der noch andere Aufgaben hat, überhaupt nicht die notwendige Zeit hat, um die Kontrollinstrumente, die das Gesetz vorsieht, anzuwenden. Uns fehlt schlicht und einfach die Zeit. Man brauchte viele Tage und Wochen im Jahr, um Behörden aufzusuchen und Mitarbeiter zu befragen. Wir machen das, aber alles nur sehr punktuell.
Herr Kollege Binninger, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?
(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Ich wollte eine Kurzintervention!)
– Okay. Dann machen wir anschließend eine Kurzintervention.
Ich würde auch die Frage zulassen. Dann sind wir durch.
Deshalb sind wir zurzeit dabei, die größten Schwachpunkte mit einer Reform zu beseitigen. Wir sagen gemeinsam mit den Kollegen der SPD: Es wäre hilfreich, wenn wir im Gremium eine hochrangige Person – Sie können sie Geheimdienstbeauftragter nennen oder Ständiger Bevollmächtigter – hätten, die mit einem Arbeitsstab das ganze Jahr in unserem Auftrag diese Kontrollfunktion ausübt, sich also ganzjährig dieser Aufgabe widmet. Dann hätten wir ein Kontrollniveau, das sehr viel höher wäre als das, das wir erreichen können. Man hätte am Ende Ergebnisse, und das würde zur Versachlichung manch aufgeregter Debatte beitragen.
Wir als vom Parlament Gewählte hätten trotzdem das Sagen, wir würden die Aufträge erteilen. Dabei kämen selbstverständlich alle Kollegen gleichermaßen zum Zuge. Wir verfahren nicht nach Opposition und Regierung. Ich glaube, das ist der zentrale Ansatz. Die Instrumente, die wir zwar anwenden dürfen, aber so gut wie nie anwenden – das ist der ehrliche Befund –, können wir an einen Stab geben, der uns zugeordnet ist und diese Aufgabe machen kann. Dann sind wir auch auf einem Weg, dass die parlamentarische Kontrolle so ausgeführt wird, dass sie der Dimension der Aufgabe gerecht wird, dass sie unserem Anspruch gerecht wird, dass sie aber auch den Diensten nutzt. Ich sage immer: Ich stelle mich vor die Dienste. Das kann ich aber nur, wenn ich sie vorher konsequent kontrolliert habe. Dann kann ich mich davorstellen. Fehler benennen und sagen: „Das ist kein Fehler“, beides muss man können. Dazu brauchen wir diesen Stab.
Wir werden wahrscheinlich im nächsten Jahr einen konkreten Gesetzentwurf vorlegen. Ich bitte Sie herzlich, uns dabei zu unterstützen. Das wäre eine wirkliche Reform der parlamentarischen Kontrolle. Ihr Papierchen ist getragen von dem ersten Satz: Eigentlich wollen wir die Nachrichtendienste abschaffen. Dafür sind wir, aber auch die Mehrheit in diesem Hause, nicht zu haben.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Jetzt erhält der Kollege Dr. Hahn das Wort zu einer Kurzintervention.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6144312 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 136 |
Tagesordnungspunkt | Kontrolle bundesnachrichtendienstlicher Tätigkeit |