24.11.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 138 / Tagesordnungspunkt I.6

Stephan MayerCDU/CSU - Einzelpläne Innen, Datenschutz und Informationsfreiheit

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Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen! Der Haushalt des Bundesinnenministeriums für das kommende Jahr ist klar und eindeutig im Lichte von zwei großen, vielleicht sogar epochalen Herausforderungen zu sehen: einerseits der Flüchtlingskrise, andererseits der Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus.

Natürlich ist es vollkommen zynisch, verwerflich und menschenverachtend, wenn man Flüchtlinge unter Generalverdacht stellt, wenn man eine unmittelbare Kausalität zwischen diesen beiden Herausforderungen herstellt. Die Flüchtlinge sind nicht Täter, sie sind Opfer. Viele der Flüchtlinge, die zu uns kommen, insbesondere aus dem syrischen Bürgerkrieg, fliehen ja gerade vor den schrecklichen Gräueltaten des sogenannten „Islamischen Staates“ oder des Assad-Regimes.

Aber, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, wenn es sich bewahrheiten sollte, dass zwei der Attentäter von Paris zumindest als Flüchtlinge getarnt über Griechenland nach Europa eingereist sind, dann zeigt uns dies doch, dass die Flüchtlinge zwar nicht Täter sind – natürlich nicht –, aber offenbar diese Flüchtlingskrise vom sogenannten „Islamischen Staat“ instrumentalisiert wird, um vereinzelt auch Kämpfer des sogenannten „Islamischen Staates“ nach Deutschland und nach Europa zu bringen. Das zeigt uns, wie ich glaube, schon ganz deutlich: Wir müssen unsere EU-Außengrenze noch besser sichern. Es darf nicht weiter zugestanden werden, dass unkontrolliert und unregistriert Personen nach Europa einreisen. Diese vorläufigen Erkenntnisse der schrecklichen Attentate von Paris müssen uns hier auch eine ganz klare Mahnung sein.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, die barbarischen Angriffe und Attentate von Paris haben Frankreich gegolten, aber gemeint war die gesamte westliche Welt. Der islamistische Terror hat Westeuropa erreicht. Das waren Angriffe nicht nur auf Menschen, sondern das waren Angriffe auf unsere westlichen Werte und unsere westliche Lebensweise. Und deshalb gilt, auch eines hier klar zu sagen: Wir dürfen uns vom sogenannten „Islamischen Staat“ nicht in die Knie zwingen lassen.

Es gibt auch aus meiner Sicht überhaupt keinen Grund zu Panik oder Hysterie. Unsere Sicherheitsbehörden sind gut aufgestellt. Wir haben insbesondere in den letzten Monaten sowohl die personelle als auch die finanzielle Ausstattung der Sicherheitsbehörden auf Bundesebene deutlich verbessert. Wir haben aber auch gesetzgeberisch an der einen oder anderen Stelle die notwendigen Nachbesserungen und Intensivierungen vorgenommen.

Wir haben, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, in den letzten Jahren unsere Gesetzgebung immer wieder der Bedrohungslage und den Anforderungen der Sicherheitsbehörden angepasst. Wenn ich nur daran erinnern darf: Wir haben in den letzten Monaten die Mindestspeicherfristen in Deutschland wieder maßvoll eingeführt. Wir haben das Terrorismusbekämpfungsgesetz wieder verlängert. Wir haben auch im Strafrecht zwar maßvolle, aber aus meiner Sicht sehr effektive Verbesserungen vorgenommen, indem wir beispielsweise die Terrorfinanzierung jetzt verstärkt unter Strafe stellen, indem wir die geplante Ausreise von Dschihadisten in den Krieg nach Syrien verstärkt unter Strafe stellen. Wir haben das Personalausweisgesetz geändert, indem wir analog zum Passgesetz die Möglichkeit geschaffen haben, ausreisewilligen Dschihadisten den Personalausweis rechtzeitig zu entziehen, um damit die Ausreise zu verhindern. Das waren aus meiner Sicht sehr maßvolle, sehr verantwortungsbewusste, aber sehr effektive gesetzliche Änderungen, sodass überhaupt kein Grund besteht, jetzt in gesetzgeberischen Aktionismus zu verfallen.

(Beifall bei der SPD)

Aber – das sage ich auch dazu –: Wir müssen mit Sicherheit im Lichte der Erkenntnisse der Ermittlungen nach den Anschlägen von Paris uns auch ansehen, ob nicht an der einen oder anderen Stelle Verbesserungen erforderlich sind. Wichtig ist mir persönlich, dass wir deutlich mehr Stellen bei den Bundessicherheitsbehörden geschaffen haben. Es werden auch im Haushalt 2016  1 000 zusätzliche Stellen bei der Bundespolizei geschaffen, über 300 Stellen zusätzlich beim Bundeskriminalamt. Es gibt – das kann man an dieser Stelle auch offen sagen – deutlich mehr Stellen sowohl für das Bundesamt für Verfassungsschutz als auch für den Bundesnachrichtendienst. Damit kommen wir den Erfordernissen in dieser gesteigerten und intensivierten Bedrohungssituation in vollem Umfang nach und werden ihnen gerecht.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, insgesamt erfährt der Haushalt des Bundesinnenministeriums einen Aufwuchs von 1,5 Milliarden Euro. 5 500 zusätzliche Stellen werden geschaffen. Das ist ein klares Signal, insbesondere was die zweite große Herausforderung anbelangt: die Flüchtlingskrise. Ich sage hier eines ganz offen: Monatliche Zuzugszahlen von derzeit 180 000 oder 200 000 oder vielleicht sogar mehr sind auf Dauer in Deutschland nicht verkraftbar.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Deshalb kommt es aus meiner Sicht auf eine Quadriga an, auf vier Punkte:

Wir brauchen erstens eine bessere Ordnung und eine bessere Struktur, vor allem auch schnellere Verfahren. Wir sind hier entsprechend tätig geworden. Wir haben innerhalb von nur zwei Jahren die Belegschaft des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge verdoppelt. Man muss sich dies auch einmal vorstellen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ist die mit weitem Abstand am schnellsten wachsende Bundesbehörde. Auch im Haushalt 2016 setzen wir ein klares Signal, indem noch einmal zusätzlich 4 000 Stellen beim BAMF geschaffen werden. Schon heute sind über 1 000 sogenannte Entscheider im BAMF tätig, um die Verfahren deutlich zu beschleunigen. Wir sind hier auf einem sehr guten Weg. Es geht erstens also um eine bessere Struktur und Ordnung, um eine lückenlose Registrierung und Kontrolle all derjenigen, die zu uns kommen.

Es geht zweitens um eine schnellere und bessere Integration derer, die langfristig bei uns bleiben werden. Auch hier haben wir mit dem neuen Haushalt 2016 klare Signale gesetzt, indem 250 Millionen Euro zusätzlich für Integrationskurse zur Verfügung stehen, insgesamt über eine halbe Milliarde Euro: 560 Millionen Euro allein für Integrationskurse, 45 Millionen Euro für die Migrationsberatung für Erwachsene und 40 Millionen Euro für Integrationsprogramme und für das Programm „Integration durch Sport“. Wir kommen unserer gesellschaftspolitischen Verantwortung in vollem Umfang nach.

Es geht drittens um die konsequente Rückführung derjenigen, die kein Bleiberecht in Deutschland haben, die abgelehnt sind. Auch hier ist noch mehr zu tun, insbesondere seitens der Länder. Ich sage aber auch ganz deutlich: Wir als Bund haben unsere Hausaufgaben dadurch gemacht, dass wir mit dem Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz deutlich gemacht haben, dass Dinge in Zukunft nicht mehr gehen, die von manchen Ländern in der Vergangenheit sehr extensiv angewandt wurden, wie beispielsweise in Niedersachsen: Dort musste der Abschiebetermin zweimal im Vorfeld angekündigt werden. Im Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz ist klar vorgesehen, dass in Zukunft Abschiebetermine nicht mehr im Vorfeld angekündigt werden dürfen. Wir erwarten jetzt auch von den Ländern, dass sie die neue Bundesgesetzgebung entsprechend umsetzen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Der dritte Punkt ist, ganz klar, die Reduzierung der Zuzugszahlen. Ich habe die Hoffnung, dass insbesondere die Gespräche mit der türkischen Regierung, vor allem mit dem türkischen Präsidenten Erdogan, am kommenden Wochenende dazu führen, dass wir hier wirklich zu tragfähigen Ergebnissen kommen. Die Hoffnung liegt ganz klar darauf, dass wir durch eine bessere Verständigung insbesondere mit der Türkei – die Türkei ist in diesem Zusammenhang ein Schlüsselland – zu einem effektiveren und konsequenteren Schutz der EU-Außengrenzen kommen, damit die Zahl der Zuzüge nach Europa zurückgeht. Sollte dies nicht gelingen, müssten wir als Nationalstaat mit Sicherheit überlegen, was wir an unseren Außengrenzen verstärkt tun können, um die Flüchtlingszahlen effektiv und schnellstmöglich deutlich zu reduzieren.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, der Haushalt des BMI trägt auch in anderweitiger Hinsicht die klare Handschrift insbesondere der CDU/CSU. Es war uns ein großes Anliegen, das Technische Hilfswerk deutlich zu stärken. Ich bin insbesondere den Haushältern sehr dankbar, dass es gelungen ist, einen Aufwuchs der Mittel für das Technische Hilfswerk um insgesamt 43 Millionen Euro zu erreichen – das sind 208 zusätzliche Stellen.

Ich sage einmal ganz konkret, wozu das führt: Es führt zu einer Entlastung des Ehrenamtes. Die zusätzlichen Stellen werden nicht in der Stabsstelle in Bonn, sondern in den Regionen, in den 66 Geschäftsstellen, geschaffen; die Zahl der Mitarbeiter wird jeweils von jetzt sieben auf neun ausgebaut, vor allem mit technischen Mitarbeitern, die in der Lage sind, vor allem Wartungs- und Reparaturleistungen für das Ehrenamt zu übernehmen. Das bedeutet eine ganz konkrete Entlastung des Ehrenamtes. Dafür ist das Technische Hilfswerk sehr dankbar; das darf ich in meiner Funktion als Präsident der THW-Bundesvereinigung sagen. Es ist darüber hinaus ein klares Signal, das die Koalition hier für die deutliche Stärkung des ehrenamtlichen Engagements setzt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir stärken darüber hinaus auch die Bundesdatenschutzbeauftragte. Die Bundesdatenschutzbeauftragte ist ab dem 1. Januar kommenden Jahres eine unabhängige und eigenständige Oberste Bundesbehörde. Es werden 7,5 zusätzliche Stellen geschaffen und eine halbe Million Euro zusätzlich zur Verfügung gestellt.

Darüber hinaus – auch das ist ein wichtiges Zeichen, das von diesem Haushalt ausgeht – stärken wir den Sport in Deutschland. Die 15 Millionen Euro, die in diesem Jahr zusätzlich zur Verfügung stehen, werden im kommenden Jahr verstetigt. Wir stellen 10 Millionen Euro zusätzlich für die Bewerbung Hamburgs für die Olympischen Sommerspiele 2024 zur Verfügung – in der Hoffnung, dass der Bürgerentscheid am kommenden Sonntag positiv ausgehen möge. Wir stellen auch 10 Millionen Euro für die Entschädigung der DDR-Dopingopfer zur Verfügung – ein wichtiges Signal.

Ich komme zum Schluss. Ein letzter Punkt, der mir aber auch besonders am Herzen liegt, betrifft ein Anliegen, das insbesondere der Bund der Vertriebenen schon lange vorbringt; jetzt wird es endlich umgesetzt. Es wird eine finanzielle Grundlage geschaffen, um ehemalige deutsche Zwangsarbeiter zu entschädigen. 50 Millionen Euro stehen hier in den kommenden Jahren zur Verfügung. Dafür sind all diejenigen dankbar, die seit Jahren, teilweise seit Jahrzehnten, auf eine angemessene Entschädigung gewartet haben. Aber es geht nicht nur um die finanzielle Entschädigung, sondern auch um das klare Signal, das von dieser Haushaltsentscheidung ausgeht. Auch dafür ein herzliches Dankeschön!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich glaube, man kann sagen: Wir befinden uns in schwierigen Zeiten, aber der Haushalt des Bundesinnenministeriums für 2016 trägt den gestiegenen Anforderungen Rechnung.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank. – Als nächster Redner hat Dr. Lars Castellucci von der SPD-Fraktion das Wort.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Bartholomäus Kalb [CDU/CSU])


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6207559
Wahlperiode 18
Sitzung 138
Tagesordnungspunkt Einzelpläne Innen, Datenschutz und Informationsfreiheit
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