Gerda HasselfeldtCDU/CSU - Einzelplan Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir blicken in diesen Tagen auf zehn Jahre unionsgeführte Bundesregierung zurück:
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zehn Jahre Angela Merkel! Haben Sie das dem Seehofer schon mal gesagt?)
zehn Jahre Bundeskanzlerin Angela Merkel, zehn erfolgreiche, gute Jahre für die Menschen in Deutschland,
(Beifall bei der CDU/CSU)
und das trotz vieler internationaler Krisen, die jeweils zu Beginn einer Legislaturperiode nicht vorhersehbar waren. Deshalb war es gut und richtig, dass immer wieder eine solide Haushaltspolitik gemacht wurde, eine Haushaltspolitik mit Puffern für schwierige Zeiten. Genau das bewährt sich auch in dieser Phase wieder: dass Haushaltspuffer vorhanden sind, um schwierige, nicht vorhersehbare Herausforderungen finanziell und politisch zu meistern.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Deshalb möchte ich bei dieser Gelegenheit dem Bundesfinanzminister und allen Haushältern der Koalitionsfraktionen herzlich dafür danken, dass sie gerade auch bei diesem Haushalt große Anstrengungen unternommen haben, um den Weg der soliden Haushaltspolitik weiter zu begleiten, nicht nur in diesem Jahr, sondern auch in der mittelfristigen Finanzplanung.
Meine Damen und Herren, es ist schon mehrfach angesprochen worden: In der aktuellen Situation – nicht nur in Frankreich, aber da ist sie uns nach den letzten Wochen noch besonders im Blick – offenbart sich eine neue Dimension des Terrors in Europa, die uns gemeinsam ganz besonders herausfordert. Für uns ist klar: Wir stehen an der Seite Frankreichs. Unser Mitgefühl gilt den Opfern und deren Angehörigen.
Es ist aber auch klar, dass die Menschen dann Fragen stellen, dass sie uns und sich fragen: Tun wir alles für die Sicherheit der Bürger? Ich denke, diese Frage ist berechtigt. Es sind auch Fragen berechtigt, die in die Richtung gehen: Was können wir tun, damit Menschen sich nicht radikalisieren? Was können wir in der Prävention tun? Was müssen wir tun, wenn es um die Ausstattung der Sicherheitsbehörden und Sicherheitsdienste geht? Wie steht es um die Zusammenarbeit der Sicherheitsdienste in Deutschland und in Europa? Tun wir alles in Bezug auf Ausbildung und Qualifizierung der Sicherheitskräfte? All das, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind Fragen, die wir uns stellen müssen und auf die wir auch eine ehrliche Antwort geben müssen – keine Schnellschüsse. Aber es darf auch keine Denkverbote geben, wenn wir darüber nachdenken, wie wir unsere Bürger schützen und ihre Sicherheit gewährleisten können. Das ist nämlich die oberste Aufgabe jedes Staates.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Deshalb war es auch richtig und notwendig, dass der Entwurf eines Gesetzes zur Speicherung von Verbindungsdaten endlich eingebracht wurde. Deshalb war und ist es auch richtig, dass wir mit diesem Haushalt erneut unter Beweis stellen: Wir lassen unsere Sicherheitsdienste nicht alleine. Ein deutlicher Aufwuchs sowohl im personellen Bereich als auch bei der sachlichen Ausstattung der Sicherheitsdienste – Bundeskriminalamt, Bundespolizei, Bundesamt für Verfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst – wird mit diesem Haushalt auf den Weg gebracht. Das ist die richtige Antwort auf das, was wir zu leisten haben.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich würde mir allerdings auch wünschen, dass die Länder in ihrer Kompetenz, nämlich bei der personellen und sachlichen Ausstattung der Polizei, dasselbe machen. Bayern ist auch hier wieder Vorbild, die gestrige Entscheidung des Kabinetts ist allen noch im Bewusstsein: Verbesserung der sachlichen und der personellen Ausstattung, Aufstockung des Personals, das in der Schleierfahndung tätig ist. Meine Damen und Herren, eine solche Antwort der Länder ist notwendig. Ich würde mir wünschen, dass andere Länder nachziehen und so vorgehen, wie Bayern es vorgemacht hat.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich möchte bei der Gelegenheit meinen persönlichen Dank und meine Anerkennung gegenüber denjenigen Frauen und Männern zum Ausdruck bringen, die tagtäglich die Arbeit für unsere Sicherheit tun, die für unsere Sicherheit ihre Gesundheit, ja teilweise ihr Leben aufs Spiel setzen und sich für die Sicherheit von uns allen, der Menschen in unserem Land, voll einbringen. Dafür herzlichen Dank!
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Frank Junge [SPD])
Deutschland – das spüren wir in der Heimat und auch dann, wenn wir gelegentlich im Ausland sind – ist ein starkes Land, ökonomisch stark, politisch stark, stark im sozialpolitischen Bereich. Es ist ein Land mit hohem Ansehen, mit einem großartigen Engagement seiner Bürgerinnen und Bürger, mit einer funktionierenden Verwaltung und hochmotivierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Das sehen und spüren wir insbesondere bei der zweiten Herausforderung, die heute schon mehrfach angesprochen wurde, nämlich der Aufnahme der vielen Flüchtlinge.
In Bayern spüren wir das in ganz besonderer Weise, noch stärker als in allen anderen Regionen des Landes: Nach wie vor kommen dort täglich zwischen 5 000 und 10 000 Flüchtlinge an, die versorgt werden müssen, untergebracht werden müssen, teilweise weitergeleitet oder begleitet werden müssen. All das wird erledigt von vielen hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Kommunen, der Behörden, der Polizei und der Sicherheitsdienste, aber auch von vielen ehrenamtlichen Helfern. Ihnen gebühren unser Dank und unsere Anerkennung. Ohne die Leistung der Hauptamtlichen, ohne die Leistung der Kommunen und ohne die Leistung der Ehrenamtlichen und deren Organisationen würden wir diese große Herausforderung nicht schultern können.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wir spüren bei den vielen Gesprächen, die wir alle mit den vor Ort Tätigen führen, auch, dass die Grenzen der Belastbarkeit erreicht, ja manchmal überschritten sind. Wir spüren, dass die Aufnahmekapazität und die Integrationskraft der Bevölkerung an Grenzen stoßen, ja die Grenze überschritten ist.
(Abg. Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)
– Sie können gerne eine Zwischenfrage stellen, Frau Kollegin.
Frau Deligöz, Sie haben das Wort.
Vielen Dank. – Frau Hasselfeldt, dass es einen inhaltlichen Dissens gibt, das gehört zur Politik dazu. Aber dennoch pflegen wir gewisse Umgangsformen, deren Grenzen allerdings manchmal überschritten werden. Das hat am Wochenende das Beispiel aus Bayern gezeigt. Sind Sie nicht der Meinung, dass sich Herr Seehofer bei der Kanzlerin für sein Verhalten entschuldigen müsste?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)
Ach, wissen Sie, Frau Kollegin: Wie sich jeder Einzelne von uns verhält, das ist seine persönliche Entscheidung.
(Zuruf von der LINKEN: Nicht in so einer Position!)
Sie können davon ausgehen, dass der Gesprächsfaden nicht abreißt und das Verhältnis zwischen der Bundeskanzlerin und dem bayerischen Ministerpräsidenten ein sehr gutes, ein sehr offenes ist,
(Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
ein Verhältnis,
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das seinesgleichen sucht!)
das dem Lande dient. Das wird auch durch das Austragen unterschiedlicher Meinungen nicht getrübt.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Angesichts der Belastungsgrenzen ist es notwendig, dass wir uns über einige Dinge im Klaren sind. Das Erste ist: Wir müssen klar unterscheiden zwischen den Schutzbedürftigen und denen, die aus anderen Gründen zu uns kommen. Wir müssen unsere Hilfe auf die wirklich Schutz- und Hilfebedürftigen konzentrieren.
Das Zweite ist: Um dieses zu erreichen, müssen wir dafür sorgen, dass die Zahl der Flüchtlinge reduziert wird und dass wir eine Begrenzung bekommen. Das ist die zweite Botschaft.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das Dritte ist: Wir müssen wissen, wer zu uns kommt, wo sich die Menschen in unserem Land aufhalten, wer durchreist oder wer einreist. Das heißt, die Registrierung muss konsequent durchgeführt und unter den jeweiligen Behörden abgestimmt werden.
Ein Viertes, das meines Erachtens wichtig ist: Wir müssen wieder dahin zurückkommen, dass der Antrag auf Asyl dort gestellt wird, wo die Flüchtlinge zuerst europäischen Boden betreten.
(Beifall bei der CDU/CSU)
An all diesen Punkten müssen wir gemeinsam arbeiten. Wir müssen um die richtige Entscheidung ringen. Es ist doch ganz normal, dass die einen jenen Weg und die anderen einen anderen Weg als zielführender betrachten. Wir ringen und wir haben gerungen, und ich sage Ihnen ganz offen: Wir unterstützen die Bundeskanzlerin bei allem, was sie auf europäischer und internationaler Ebene unternimmt, um die Zahl der Flüchtlinge zu reduzieren. Wir unterstützen genauso den Bundesentwicklungshilfeminister bei seinen Bemühungen, die Fluchtursachen zu bekämpfen. Er hat in seinem Haushalt die entsprechenden Schwerpunkte gesetzt. Er hat den Aufwuchs in seinem Haushalt auf die Bekämpfung der Fluchtursachen konzentriert. Dafür sind wir sehr dankbar.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wir wissen aber auch, dass die Bemühungen auf europäischer und internationaler Ebene nicht schnell, nicht sofort die gewünschten Ergebnisse bringen werden. Es geht um die Verbesserung der Situation in den Flüchtlingslagern. Das ist wahrscheinlich noch am schnellsten zu realisieren. Es geht aber auch um die Sicherung der Außengrenzen – das ist schon mehrfach angesprochen worden – und nicht zuletzt um die Einrichtung der sogenannten Hotspots, die nicht nur für die Registrierung, sondern auch für die Rückführung und für die Verteilung in Europa zuständig sein sollten. Auch darum geht es. Ich weiß, dass das dicke Bretter sind, die zu bohren sind, und ich bin dankbar, dass die Bundeskanzlerin mit ihrer Regierung diese Bretter bohrt. Wir wünschen ihr dabei viel Erfolg.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wir wissen, dass daneben auch nationale Maßnahmen notwendig sind. Wir haben das Asylpaket I verabschiedet, in dem es um die Einstufung weiterer Staaten als sichere Herkunftsstaaten ging. Liebe Kolleginnen und Kollegen, zur Wahrheit gehört: Wir hätten Hunderttausende von Flüchtlingen weniger im Land, wenn es uns gelungen wäre, diese Einstufung als sichere Herkunftsstaaten schon früher zu realisieren, und zwar damals, als wir das gefordert haben.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Zur Wahrheit gehört, dass dies durch eine monatelange, fast ein Jahr lang andauernde Diskussion im Bundesrat verzögert wurde, weil wir dazu auch die Zustimmung der Grünen gebraucht haben, und diese ließ lange auf sich warten.
Zu diesem Asylpaket gehört auch die Reduzierung von Fehlanreizen, zum Beispiel dadurch, dass in den Erstaufnahmeeinrichtungen nicht länger Geld-,
(René Röspel [SPD]: Deswegen kommen die alle zu uns!)
sondern vorrangig Sachleistungen gewährt werden sollen. Dazu gehört, dass konsequent zurückgeführt wird, dass konsequent abgeschoben wird, und zwar ohne Ankündigung. Ich erwarte, dass die Länder das, was sie selbst mitentschieden haben, alle miteinander – nicht nur Bayern – so vollziehen, wie es beschlossen wurde.
(Beifall bei der CDU/CSU – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Zu Recht!)
Jetzt sind wir beim Asylpaket II. Ich darf, ähnlich wie Volker Kauder, meine Hoffnung zum Ausdruck bringen, dass das, was die drei Parteivorsitzenden beschlossen haben, was intensiv vorbereitet wurde und gut durchdacht ist – besondere Aufnahmeeinrichtungen, Aussetzung des Familiennachzugs für zwei Jahre bei subsidiär Schutzbedürftigen –, als Gesetzentwurf so eingebracht wird, wie es unter den Parteivorsitzenden verabredet ist. Da sind vielleicht noch einige Gespräche notwendig, aber ich bin zuversichtlich, dass dies erreicht wird.
Mit der Herausforderung, die die Aufnahme von Flüchtlingen darstellt, ist eine doppelte Verantwortung verbunden: Wir haben die Verantwortung, denjenigen, die unsere Hilfe und unseren Schutz brauchen, wirklich zu helfen. Wir haben aber auch eine Verantwortung gegenüber der heimischen Bevölkerung. Beides müssen wir im Auge behalten. Deshalb ist es uns so wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Aufnahmekapazität, dass die Integrationskraft des Landes nicht unbegrenzt ist, sondern ihre Grenzen hat, und diese müssen wir erkennen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Meine Damen und Herren, dieser Haushalt setzt Prioritäten. Er setzt Prioritäten bei der neuen Herausforderung, die ich gerade angesprochen habe, aber auch im Bereich der notwendigen Investitionen. Wir setzen das fort, was wir schon in den vergangenen Jahren gemacht haben: Wir legen einen deutlichen Schwerpunkt auf den Bereich Bildung und Forschung, und wir legen einen deutlichen Schwerpunkt auf die Investitionen in den Bereichen Verkehr und Breitbandausbau. Bei beidem – Verkehr und Breitbandausbau – hat der Bundesverkehrsminister vieles nachzuholen, was in den vergangenen Jahrzehnten liegen geblieben ist, und manches aufzuarbeiten, was in den Ländern an entsprechender Planungsarbeit nicht geleistet wurde. Auch hier war Bayern übrigens wieder vorbildlich. Er hat aber gleichzeitig auch den Blick nach vorne zu richten. Denn das, was für die weitere gute Entwicklung unserer Wirtschaft notwendig ist, nämlich eine funktionierende Verkehrsinfrastruktur und Breitbandinfrastruktur, darf nicht einfach hintanstehen. Es ist eine wichtige Zukunftsaufgabe für die weitere positive Entwicklung unseres Landes.
(Beifall bei der CDU/CSU – Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann gehen wir aber den falschen Weg!)
Wir vergessen bei alldem aber nicht diejenigen, die unsere Hilfe brauchen: die Pflegebedürftigen, die Kranken. Die Bundeskanzlerin hat es angesprochen. Das, was wir in den vergangenen Wochen an Verbesserungen in der Pflegeversicherung, in der Krankenhausversorgung und in der Palliativmedizin beschlossen haben, darf nicht untergehen. Auch das ist Politik dieser Bundesregierung, von diesen Koalitionsfraktionen für die Menschen im Land.
(Beifall der Abg. Emmi Zeulner [CDU/CSU])
So sind die Markenzeichen dieser Regierung in meinen Augen erstens Solidität, zweitens Solidarität, drittens Stabilität und viertens Sicherheit. Das sind die Markenzeichen dieser Regierung. Diese Markenzeichen tun dem Land und seinen Menschen gut.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Als nächste Rednerin spricht die Staatsministerin Aydan Özoğuz für die Bundesregierung.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 139 |
Tagesordnungspunkt | Einzelplan Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt |