Anja HajdukDIE GRÜNEN - Einzelplan Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bei aller Kollegialität, lieber Volkmar Klein: Diesem Etat können wir so nicht zustimmen, insbesondere weil der Etat für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in den Haushaltsberatungen im Unterschied zu anderen Etats, die kräftig gewachsen sind, dreifach bestraft wurde. Das muss man bei nüchterner Betrachtung feststellen, und das muss man hier auch laut aussprechen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Der Kollege Leutert hat schon gesagt: Es gibt keinen Aufwuchs, sondern eine Kürzung um 17 Millionen Euro. – Man könnte noch sagen, das sei, gemessen am Gesamtetat, vielleicht keine so hohe Summe. Aber es geht um die nüchterne Bilanz: Was ist eigentlich während der Haushaltsberatungen passiert, nachdem das Kabinett einen großen Aufwuchs beschlossen hat? Ich habe Minister Müller in unseren Beratungen so verstanden, dass er darum gebeten hat, der Haushaltsausschuss möge noch mehr tun, so wie dieser auch beim Etat des Innenministeriums und im Bereich der humanitären Hilfe dreistellige Millionenbeträge draufgelegt hat. Das haben Sie hier nicht getan. Sie haben sich dagegen entschieden. Ich halte das für falsch.
Zu dem, was Sie umgeschichtet haben – Sie nennen das „Fokussierung“, Herr Klein –, muss ich feststellen: Ja, es ist wichtig, bei der Krisenbewältigung und bei der Infrastruktur etwas obendrauf zu legen. Das fordern auch wir; das fordern wir auch weiterhin. Aber es ist nicht richtig, gleichzeitig bei der Technischen Zusammenarbeit und der Finanziellen Zusammenarbeit entsprechend zu kürzen. Die Programme der KfW sind gerade sehr positiv öffentlich evaluiert worden. Da kann ich Ihnen nur sagen: So funktioniert das nicht. Ihr Nullsummenspiel geht in diesem Bereich nach hinten los.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Wir reden hier über einen Etat, bei dem es heute eine große Einigkeit gab; dazu hat sich auch die Kanzlerin geäußert. Es geht darum, Fluchtursachen nachhaltig zu bekämpfen, Ausbildung zu fördern und Perspektiven vor Ort zu schaffen. Das tun wir insbesondere mit Projekten, die wir mit Mitteln dieses Etats fördern. Insofern ist es ein schlichter Widerspruch, dass Sie hier nichts tun.
Es ist aber noch schlimmer. Wir haben in der Bereinigungssitzung – am frühen Morgen – die Entscheidung getroffen, dass die sogenannten Verpflichtungsermächtigungen, also nicht die Barmittel für den Haushalt 2016, sondern das, was in Zukunft in der Finanzplanperiode verausgabt werden darf – gerade der Haushalt des BMZ lebt quasi von den Verpflichtungsermächtigungen –, um 7 Prozent zu kürzen sind. Davon gibt es Ausnahmen; das BMZ gehört aber nicht dazu. Wir haben beim Finanzministerium um eine Auflistung angefragt: Nur bezogen auf das BMZ bedeutet das eine Mittelkürzung um 500 Millionen Euro in der Finanzplanperiode. – Herr Klein, es tut mir leid: Nach dieser Analyse können wir nicht zustimmen. Die Haushaltsberatungen haben den Etat des Entwicklungsministers deutlich geschwächt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Michael Leutert [DIE LINKE])
Wir benötigen eine Stärkung der Vereinten Nationen und ihrer Sonderorganisationen, deren Handlungsfähigkeit und internationale Solidarität. Es ist der Öffentlichkeit doch wirklich nicht vermittelbar, dass der UNO-Flüchtlingskommissar Guterres erwähnen muss, dass die Flüchtlingskrise durch den Mangel an Geldern für humanitäre Aufgaben ausgelöst wurde, weil die Lebensmittelrationen in Flüchtlingslagern in den Anrainerstaaten Syriens halbiert wurden. Die Menschen dort haben nicht nur keine Perspektive, sondern auch Angst vor Hunger.
Wir wissen, dass Deutschland seine Zusagen an dieser Stelle erhöht und auch – wir haben das abgefragt – gehalten hat.
(Sibylle Pfeiffer [CDU/CSU]: So ist das!)
Wenn wir aber wollen, dass sich Deutschland bei den anderen Geberländern durchsetzen und sie dafür gewinnen kann, dass sie ihre Zusagen endlich auch erfüllen, dann wäre es doch folgerichtig, dass wir selber die VN-Organisationen dauerhaft und solide finanzieren. Deswegen schlagen wir vor, unseren Zuschuss zum Welternährungsprogramm gleich auf 100 Millionen Euro zu erhöhen und nicht erst tätig zu werden, wenn wir den Mangel feststellen. Daneben können wir auch gleich die Gesamtfinanzierung der VN – ich spreche nicht nur vom Welternährungsprogramm – um 150 Millionen Euro steigern. Hier hätte ich mir Ihre Fokussierung und Ihre Anträge dazu gewünscht. Die Kanzlerin hat heute Morgen selber darauf verwiesen, dass sie nicht will, dass wir bezogen auf diese Töpfe der Vereinten Nationen in einem Jahr wieder da stehen, wo wir uns heute befinden. Hier besteht wirklich riesiger Handlungsbedarf.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Ich komme zum nächsten Punkt.
Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung von Frau Pfeiffer?
Ja, gerne.
Frau Pfeiffer, bitte.
Frau Kollegin Hajduk, Sie wissen genau wie ich, dass die UN-Organisationen über das Auswärtige Amt finanziert werden, und Sie wissen auch, dass wir die UN-Organisationen trotzdem auch über den BMZ-Haushalt unterstützen. – Das wollte ich Ihnen nur noch einmal sagen.
Es ist richtig, dass die Mittel über das Auswärtige Amt – –
(Abg. Sibylle Pfeiffer [CDU/CSU] nimmt wieder Platz)
– Bleiben Sie bitte stehen.
Nein, Frau Pfeiffer kann sich hinsetzen. Sie steht aber in Gedanken weiter. – Bitte.
Wenn die Präsidentin das sagt! Es gilt ja immer das Wort der Präsidentin. – Es ist richtig, dass die Mittel über das Auswärtige Amt zur Verfügung gestellt werden; aber es gibt auch über das BMZ – das liegt mir ja vor – Mittel, die wir dort einzahlen. Es gibt hier einen Grundbeitrag, und diesen können wir erhöhen. Daneben haben wir ein Winterprogramm, dessen Mittel wir gerade erhöht haben. Deswegen ist es ein Irrtum der Großen Koalition, die humanitäre Hilfe nur über den Auswärtigen Ausschuss zu erhöhen. Es wäre genauso notwendig, auch die Mittel des BMZ zu erhöhen.
Wenn ich Ihre Frage so verstehen darf, dass Sie noch einmal darüber nachdenken wollen,
(Sibylle Pfeiffer [CDU/CSU]: Das war keine Frage!)
dann wäre einiges gewonnen. Wir könnten unserem Entwicklungsminister an dieser Stelle mehr Mittel zur Verfügung stellen, und das ist auch notwendig.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Sibylle Pfeiffer [CDU/CSU]: Das war eine Feststellung, keine Frage!)
Ich komme zu einem weiteren Punkt, der mir wichtig ist. Wir stehen kurz vor dem Gipfel in Paris. Wir brauchen ein starkes Signal der Bundesregierung, dass wir die Klimaziele nicht nur in Deutschland einhalten wollen, sondern dass wir auch zu den Zusagen stehen, die wir in Kopenhagen gegeben haben. Ich bin tief davon überzeugt, es wäre ein ganz starker Appell, wenn Deutschland sagen könnte: Wir legen einen Plan vor – wir Grüne haben einen solchen Aufholplan entworfen –, auf dessen Grundlage wir sowohl das 0,7-Prozent-Ziel bis 2020 erreichen als auch die Zusage verwirklichen können, 8 bis 9 Milliarden Euro für den internationalen Klimaschutz bereitzustellen. Ein solcher Aufholplan in Höhe von 1,2 Milliarden Euro plus 500 Millionen Euro für den Klimaschutz mit jährlichem Aufwuchs wäre jetzt genau das Signal, das die Themen Fluchtursachen und globale Verantwortung im internationalen Kontext beschreiben und unsere Rolle, die wir wahrnehmen wollen, glaubwürdig unterstreichen würde.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Ich kann nicht verstehen, Herr Klein, dass Sie vor diesem Hintergrund erklären, weil wir zwischenzeitlich bezogen auf die ODA-Quote besser liegen werden – es kann sein, dass wir nächstes Jahr bei 0,55 Prozent liegen, aber auch nur zwischenzeitlich, nicht langfristig –, sei die Erreichung der ODA-Quote nicht mehr unser Ziel. Das können Sie in diesen Zeiten doch nicht nach außen vertreten.
(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Das hat er doch gar nicht gesagt!)
– Gut, dann hat er das nicht gesagt. – Aber dann sagen Sie doch, dass wir dieses Ziel erreichen wollen. Nur dann sind wir glaubwürdig. Das wäre ein starkes Signal an die internationale Gemeinschaft. Ich kann Ihnen nur sagen: Machen Sie sich unseren Aufholplan für das 0,7-Prozent-Ziel zu eigen! Machen Sie sich unseren Klimaplan für 2020 zu eigen!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Zeigen Sie mehr Herz und mehr Mut!
Und zeigen Sie, dass die Redezeit zu Ende ist.
Ich komme zum Schluss. – Die Kanzlerin hat heute Morgen gesagt:
Wir können, wenn jeder seinen Beitrag leistet, in Zusammenarbeit die Probleme bewältigen.
Das waren die Worte der Kanzlerin.
Wir schaffen das. Aber es wird vieler Anstrengungen bedürfen und auch eines hohen Maßes an neuem Denken.
Machen Sie sich das zu eigen! Machen Sie sich auf den Weg!
Schönen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Danke, Frau Kollegin Hajduk. – Nächste Rednerin: Dr. Bärbel Kofler für die SPD.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6211989 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 139 |
Tagesordnungspunkt | Einzelplan Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung |