27.11.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 141 / Tagesordnungspunkt II

André BergheggerCDU/CSU - Haushaltsgesetz 2016

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die Haushaltswoche – das war ja mit Händen zu greifen – stand unter dem Eindruck der schrecklichen Ereignisse von Paris. Ein bestimmendes Thema – das war, glaube ich, auch für jeden zu erkennen – war der Umgang mit den steigenden Flüchtlingszahlen und den entsprechenden Auswirkungen auf die verschiedenen Einzelpläne.

Frau Lötzsch, ich habe versucht, Ihnen genau zuzuhören. Ich denke, ich werde das Haushaltsgesetz an dieser Stelle anders – ich würde einmal sagen: realistisch – beschreiben.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Der Bundeshaushalt ist aus meiner Sicht ein Stück weit wie eine wärmende Decke zu Hause. Die ganze Familie kann darunter Platz finden. Schnell hört man: Eigentlich ist sie viel zu kurz, egal wie man sie zieht. – Manch einer klagt schon im Vorfeld über kalte Füße, obwohl noch gar nichts passiert ist.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Fest steht aus meiner Sicht: Die Decke ist begrenzt, genau wie die Einnahmen im Haushalt. Wir wollen nämlich keine Steuererhöhungen, und wir wollen, gerade in der jetzigen Zeit, möglichst keine neuen Schulden. Schwierig wird es, wenn an allen Ecken und Enden gezogen wird. Hier müssen wir ansetzen. Es kommt also, bildlich gesehen, auf die richtige Lage der Decke an, politisch gesprochen: auf die richtige Prioritätensetzung.

(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Gibt es nur eine Decke, oder was?)

Wir müssen Wichtiges von wirklich Wichtigem unterscheiden. Für uns steht fest, dass der Umgang mit der Situation der steigenden Flüchtlingszahlen die höchste Priorität genießt. Die Finanzen haben sich nach dieser Aufgabe zu richten, sie haben sich unterzuordnen. Das hat unser Finanzminister immer wieder betont; und das tun sie auch. Dieser Auffassung kann ich mich nur anschließen. Das hat aber für die anderen Politikfelder zur Folge, dass wir zwar Wünschenswertes an zahlreichen Stellen sehen, aber nicht mit höchster Priorität. Wir können, bildlich gesprochen, die Decke vielleicht etwas glattstreichen und damit vergrößern, aber wir können nicht so stark an der Decke ziehen, dass sie reißt. Dann wird uns allen kalt. Der Haushalt – das will ich damit sagen – darf nicht über Gebühr belastet werden. Wir wollen handlungsfähig bleiben, und wir müssen vor allen Dingen finanzielle Risiken, die es auch gibt, berücksichtigen und uns möglichst darauf vorbereiten.

Hier nur zwei Beispiele aus dem Politikfeld der Flüchtlingspolitik, um es zu verdeutlichen.

Wir reden zurzeit darüber, 3 Milliarden Euro aus dem EU-Haushalt für Flüchtlingshilfe in der Türkei zu geben. Wahrscheinlich ist es, dass diese Summe nicht vollständig aus dem laufenden EU-Haushalt finanziert und im Finanzplan abgebildet werden kann. Das heißt aber im Umkehrschluss, dass die fehlenden Beträge von den Mitgliedstaaten aufzubringen sind. Da sind wir nach den uns bekannten Quoten sicherlich mit 20, 21, 22 Prozent an den offenstehenden Beträgen beteiligt.

Was ist mit dem UNHCR, der Flüchtlingsorganisation der Vereinten Nationen? Ist er dauerhaft ausreichend finanziert, um seine Aufgaben wahrnehmen zu können? Wir alle kennen die Diskussionen über die Rationen, über die Lebensmittelversorgung in den großen Flüchtlingseinrichtungen nahe der syrischen Grenze. Der UNHCR wird im Wesentlichen aus freiwilligen Beiträgen und aus Spenden finanziert. Ist er vollständig finanziert? Auf Dauer? Müssen wir da eventuell noch nachlegen?

(Johannes Kahrs [SPD]: Reden wir über einen Nachtragshaushalt?)

– Das kannst du gleich machen, Johannes.

(Johannes Kahrs [SPD]: Nee!)

Ich will damit nur sagen: Wenn der Haushalt aus den Fugen gerät, nützt das niemandem. Wir müssen also auf solide Haushaltsführung achten. Vorsicht ist geboten, vorausschauendes Handeln ist angezeigt. Das gilt aus meiner Sicht auch für die Bundesländer. Wir müssen Maß halten und erst einmal das umsetzen, was wir vereinbart haben, bevor wir neue politische Aufgaben angehen.

Ich weise an dieser Stelle noch einmal darauf hin, dass 9 von 16 Bundesländern im letzten Jahr einen Überschuss im Haushalt erwirtschaftet haben – 9 von 16! Wichtig wäre, dass die Länder das Geld, das wir hier bereitstellen und das für die Kommunen gedacht ist, direkt an die Kommunen weiterleiten. Wenn wir das gemeinsam angehen, dann können wir vieles erreichen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Mit diesem Haushalt 2016 setzen wir trotz der genannten Rahmenbedingungen wichtige Akzente:

Erstens. Es gibt keine Neuverschuldung. Das Triple ist geschafft: 2014, 2015 und im Plan 2016 keine neuen Schulden. Grundlage hierfür ist natürlich eine wachstumsorientierte Konsolidierung des Haushaltes durch das Finanzministerium unter Federführung unseres Finanzministers. Ich wiederhole gerne, was die Einstellung dort ist – das wurde auch schon bei der Einbringung des Haushalts erwähnt –: Spare in der Zeit, so hast du in der Not! – So verschaffen wir uns Handlungsspielräume. Diese Politik trägt jetzt Früchte: Zusätzliche Ausgaben im Rahmen der Bewältigung der Flüchtlingskrise in einer Größenordnung von 7,8 Milliarden Euro – diese Zahl ist mehrfach erwähnt worden – können im Wesentlichen aus der Rücklage finanziert werden. Das ist eine Leistung, auf die wir immer wieder hinweisen können. Grundlage dafür ist die solide Haushaltspolitik der vergangenen Jahre gewesen.

Der zweite Punkt: Wir werden keine Steuererhöhungen vornehmen. Der Staat darf nicht dauerhaft mehr ausgeben, als er einnimmt. Wir haben das den Menschen versprochen, und wir werden das auch halten. Das wird auch mit diesem Haushaltsgesetz deutlich. Ich denke, gerade in der jetzigen Situation ist es ein deutliches Signal an die Bürgerinnen und Bürger.

Drittens. Wir werden sogar weitere Steuerentlastungen vornehmen – das ist besonders erfreulich –, und zwar im Umfang von 5,5 Milliarden Euro. Die Stichworte seien hier noch erwähnt: Erhöhung des Grundfreibetrages, des Kinderfreibetrages, des Kindergeldes und des Kinderzuschlages. Zudem schaffen wir den Einstieg in den Abbau der kalten Progression.

Der vierte Akzent: Wir werden weiterhin Investitionen in die Zukunft tätigen. Insbesondere die Mittel für den Bereich Bildung und Forschung wachsen mit diesem Haushalt an, um mehr als 1 Milliarde Euro auf jetzt 16,4 Milliarden Euro. Unter anderem umfasst dies Verbesserungen beim Meister-BAföG und die Stärkung der Innovationsförderung in den neuen Bundesländern. Wir werden in den kommenden drei Jahren das 10-Milliarden-Euro-Investititionspaket, das bereits beschlossen ist, weiter umsetzen. Der Schwerpunkt liegt hier auf der Verkehrsinfrastruktur, der digitalen Infrastruktur – wir haben vorhin den Einzelplan beraten –, der Energieeffizienz, dem Klimaschutz und der Städtebauförderung. All das sind wichtige Investitionen, die die Grundlage für weiteres Wachstum in Deutschland legen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Trotz dieser großen Investitionssummen haben wir eine Investitionsquote, die weiterhin bei nur ungefähr 10 Prozent des Haushaltsvolumens liegt. Im Vergleich dazu liegen die Ausgaben für Soziales bei rund 50 Prozent des Haushaltsvolumens. Dieses Verhältnis müssen wir aus meiner Sicht dauerhaft im Auge behalten. Wir müssen versuchen, die Investitionen zu stärken und sie auch in den nächsten Jahren zu erhöhen.

Der Schwerpunkt dieses Haushalts liegt sicherlich auf der Bereitstellung von Mitteln zur Bewältigung der Flüchtlingssituation. Dabei liegt wiederum ein deutlicher Schwerpunkt auf dem Etat des Innenministers; dieser wächst um 1 Milliarde Euro. Den Etat haben wir am Dienstag ausführlich diskutiert. Deswegen hier nur wenige Stichworte: Das BAMF erhält 4 000 neue Stellen, und die Mittel für Integrationsmaßnahmen werden deutlich, auf über 320 Millionen Euro pro Jahr, erhöht: für die Integration der Flüchtlinge mit Bleibeperspektive bei uns.

Die Sicherheitsbehörden werden gestärkt. Insbesondere erhält die Bundespolizei in den nächsten Jahren bis zu 3 000 neue Stellen sowie Sachmittel, unter anderem, um Bearbeitungsstraßen für die zügige Registrierung der Flüchtlinge aufzubauen. Um 500 Millionen Euro wächst der Etat der Bundespolizei. Ich denke, das ist eine große Leistung.

Außerdem haben wir das THW – viele von uns haben es gestern beim Termin „MdB trifft THW“ wahrgenommen – sowohl personell als auch materiell verstärkt. Man sieht, dass dies die Motivation noch einmal deutlich anhebt und als Anerkennung verstanden wird.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE])

Aus meiner Sicht ist die Anhebung des Etats des Bundesinnenministers ein starkes Bekenntnis zur Sicherheit unserer Bürger.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich möchte deutlich herausstellen: Unter dem Eindruck der aktuellen Ereignisse in Frankreich, in Belgien und bei uns sehen und spüren wir doch quasi, dass Sicherheit und Freiheit eng miteinander verbunden sind; sie sind keine Gegensätze, sondern sie bedingen sich. Ich will an dieser Stelle deutlich für uns sagen: Wir unterstützen ausdrücklich die Arbeit unserer Sicherheitsbehörden.

Zum Schluss ein Fazit: Die Haushaltsbettdecke, um das Bild noch einmal aufzunehmen, reißt nicht, auch wenn viele daran ziehen. Und an die Adresse der Opposition – Tobias Lindner hört schon zu – zu dem latenten Einwurf, dass ihre Themen nicht ausreichend berücksichtigt seien: Ich glaube, in dieser Situation haben wir einen sehr verantwortungsvollen, ausgewogenen Haushalt vorgelegt. Wir mussten Prioritäten setzen – haben es auch getan –, Wünsche mussten zum Teil zurückgestellt werden, weil sie nicht wirklich wesentlich waren, aber insgesamt ist der Haushalt, wie ich denke, eine sehr gute Ausgangsposition für das Handeln im nächsten Jahr.

Ich weiß nicht, ob ich so bibelfest bin, wie es unser Fraktionsvorsitzender ist, der es diese Woche ja auch unter Beweis gestellt hat. Deswegen schließe ich lieber mit einem Zitat von Goethe: „Wer sich nicht nach der Decke streckt, dem bleiben die Füße unbedeckt.“ – In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung zum Haushaltsplan.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Als nächste Rednerin hat Ekin Deligöz für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6219024
Wahlperiode 18
Sitzung 141
Tagesordnungspunkt Haushaltsgesetz 2016
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