Jürgen HardtCDU/CSU - Bundeswehreinsatz gegen Terrororganisation IS
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da ich die Hoffnung nicht ganz aufgegeben habe, dass bei den Grünen der eine oder andere noch mit sich ringt, möchte ich ganz konkret auf Sie, liebe Frau Kollegin Göring-Eckardt, antworten.
Die Frage, die Sie zu Anfang und zum Ende Ihrer Rede gestellt haben, nämlich, mit wem wir mit diesem Mandat gegen den IS kämpfen, ist ganz klar zu beantworten: mit unseren Freunden aus Frankreich, mit den französischen Streitkräften. Der französische Präsident hat uns um Hilfe und Unterstützung gebeten. Deshalb stehen wir Frankreich zur Seite, sowohl im Mittelmeer, wo der Flugzeugträger unterwegs ist, als auch durch Luftbetankung und durch Zurverfügungstellung von Aufklärungsdaten. Deswegen ist diese Frage meines Erachtens doch recht einfach zu beantworten.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Dann möchte ich noch einen Gedanken mit Ihnen teilen. Die Grünen stellen die völkerrechtliche Grundlage für diesen Einsatz infrage. Wesentliches Element dieser völkerrechtlichen Grundlage ist unserer Meinung nach die UN-Resolution 2249. Sie ist am 20. November im Wesentlichen dadurch zustande gekommen, dass der französische Staatspräsident mit großem Verhandlungs- und Vermittlungsgeschick dafür gesorgt hat, dass diese Resolution von allen fünf Vetomächten des Sicherheitsrates mitgetragen wird. Wenn Sie sagen, dies ist keine ausreichende Grundlage für unsere von Frankreich geforderte Unterstützung, sagen Sie auch, dass der französische Staatspräsident es nicht vermocht hat, die notwendige Unterstützung bei den Vereinten Nationen zu bekommen. Das kann man machen. Das muss man aber insbesondere dann nicht machen, wenn es eine genügend solide Rechtsgrundlage gibt. Es gibt Rechtsauffassungen, nicht zuletzt die des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages, die besagen, dass diese Rechtsgrundlage eindeutig ist. Ich würde Sie wirklich bitten, auch im Zeichen der Solidarität, diese filibusterartig vorgetragene, beckmesserische, seminarmäßig differenzierte Betrachtung der Rechtsfrage hintanzustellen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Dann möchte ich, liebe Frau Kollegin Göring-Eckardt, auch die Frage nach den Daten beantworten. Wir haben das vorhin im Auswärtigen Ausschuss ausführlich diskutiert. Wir entscheiden darüber, was mit unseren Daten geschieht. Wir geben keine Streams der Daten an das entsprechende Hauptquartier der Streitkräfte weiter, sondern wir entscheiden über die Nutzung. Deswegen können wir auch ausschließen, dass diese Daten in russische Hände gelangen. Wir können damit auch ausschließen, dass sie über russische Kanäle an Assad weitergehen. Diese Sorge würde ich Ihnen gerne an dieser Stelle nehmen.
(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Und die Türkei? Die Türkei ist auch interessant!)
– Auch die Türkei wird verantwortungsvoll mit diesen Daten umgehen.
(Lachen bei Abgeordneten der LINKEN – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das glauben Sie doch nicht im Ernst! Das ist doch absurd, wirklich absurd!)
– Selbstverständlich wird unser NATO-Partner Türkei verantwortungsvoll mit diesen Daten umgehen. Wir werden natürlich keine Daten übermitteln, die im Kampf gegen den IS nicht benötigt werden.
Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung von Herrn Gehrcke?
Herr Gehrcke, bitte schön.
Herzlichen Dank, Herr Kollege. Danke, Frau Präsidentin. – Ich will mich nur vergewissern, ob ich das richtig gehört habe – ob ich es richtig verstanden habe, ist dann eine andere Frage. Sie haben gesagt, die Türkei werde mit den Daten verantwortungsvoll umgehen. Das kann man im Protokoll nachlesen. Das heißt aber, dass die Türkei die Daten, die von den deutschen Recce-Tornados erhoben werden, erhält.
(Florian Hahn [CDU/CSU]: Nein!)
Wie sie dann damit umgeht, ist eine ganz andere Frage. Im Auswärtigen Ausschuss ist betont worden, die Türkei bekomme diese Daten nicht.
(Florian Hahn [CDU/CSU]: So ist es!)
Ich bitte Sie, mir zu sagen: Habe ich Sie falsch verstanden?
Lieber Herr Kollege Gehrcke, ich habe gerade in den letzten Sätzen meiner Ausführungen gesagt, dass wir darüber bestimmen, welche Daten weitergegeben werden, und dass wir nur Daten weitergeben, die im Kampf gegen den IS notwendig sind. Insofern gibt es nicht das Problem, das Sie vielleicht vermuten, nämlich dass eine andere Nation mit diesen Daten Schindluder treiben könnte. Das können wir mit hinreichender Sicherheit ausschließen. Diese Frage ist meines Erachtens ausreichend und befriedigend beantwortet.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das Mandat ist angemessen und effektiv. Wir haben mit unseren Tornados Aufklärungsmöglichkeiten, die so in der NATO relativ einzigartig sind. Deswegen sind sie auch erforderlich, damit man den Kampf gegen den IS sorgfältig führen kann. Wir haben bereits im Afghanistan-Einsatz bewiesen, dass diese Daten ausgesprochen sinnvoll sind und wir damit entsprechend einen Beitrag leisten können.
Wir haben mit unseren Luftbetankungskapazitäten Fähigkeiten, die innerhalb der Europäischen Union und der NATO ebenfalls nicht alle Nationen haben. Wir haben das Verfahren bereits mit den Franzosen mit Blick auf den Mali-Einsatz geübt. Auch die Luftbetankung ist also ein wesentlicher, substanzieller Beitrag.
Der Schutz des französischen Flugzeugträgers „Charles de Gaulle“ durch eine Fregatte der Deutschen Marine – vermutlich wird es die Fregatte „Augsburg“ sein – ist angesichts dessen, dass Flugzeugträger immer im Verbund operieren, zum Schutz der entsprechenden Einheiten, ebenfalls ein wichtiger Beitrag zur Entlastung unserer Partner. Die Fregatte „Augsburg“ hat bereits bei der Vernichtung der syrischen Chemiewaffen ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis gestellt.
Warum machen wir diesen Einsatz jetzt? Weil es drei konkrete Gründe gibt, die in den letzten Wochen im Kampf gegen den IS neu hinzugekommen sind: erstens die Bitte Frankreichs, Frankreich im Kampf gegen den IS zu unterstützen, zweitens die UN-Resolution 2249, mit der alle UN-Mitgliedstaaten ganz klar aufgefordert werden, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um den IS zu bekämpfen und drittens der auf der Wiener Konferenz vereinbarte Friedensprozess für Syrien.
Durch die Gespräche unter gemeinsamer Leitung der Vereinigten Staaten von Amerika und der Russischen Föderation, vertreten durch die beiden Außenminister Kerry und Lawrow, und unter Einbeziehung des Iran und Saudi-Arabiens ist ein Prozess in Gang gekommen, den wir noch vor wenigen Wochen nicht für möglich gehalten hätten. Dieser Prozess mündet nun unter Führung Saudi-Arabiens in eine ganz konkrete Konferenz mit den Kräften der syrischen Opposition. Ich erwarte, dass er in eine Friedenskonferenz münden wird.
Der syrische Friedensprozess darf jedoch nicht dadurch gefährdet werden, dass sich der IS in Syrien immer weiter ausbreitet und die Kräfte, die sich in Syrien gegenüberstehen, auch von dieser Seite in Bedrängnis geraten. Die Beteiligung Deutschlands an diesem Einsatz ist eine ganz wesentliche Voraussetzung dafür, dass der in Wien angestoßene Friedensprozess für Syrien zu einem guten Erfolg geführt werden kann. Das ist ein wichtiges Ziel des Einsatzes.
Ich mache mir keine Illusionen, dass wir durch die Unterstützung von Luftschlägen den IS zerstören können. Ich glaube aber, dass sie ein wichtiger Beitrag zur Eindämmung des IS ist, damit sich die beiden Optionen, die wir haben – Bekämpfung des IS durch die Peschmerga und Befriedung Syriens –, in den nächsten beiden Monaten positiv entfalten können.
Die Bekämpfung des IS durch die Peschmerga erfolgt in, wie ich finde, sehr beeindruckender Art und Weise mit deutscher Unterstützung. Die Ministerin hat darauf hingewiesen, dass es wahrscheinlich eine unserer klügsten Entscheidungen in diesem Bereich war, über unseren Schatten zu springen und das Mandat für die Unterstützung der Kurden im Norden des Irak einzuleiten. Wir sollten den eingeschlagenen Weg fortsetzen. Ich erwarte, dass wir in den nächsten Wochen über eine entsprechende Verlängerung und Ausweitung des Mandats reden werden.
Die Eindämmung des IS auf syrischem Boden zu befördern, das ist eine der ganz zentralen Voraussetzungen für den syrischen Friedensprozess. Wenn es uns nicht gelingt, Frieden in Syrien herzustellen, dann werden wir auch keinen erfolgreichen Kampf gegen den IS führen können. Denn der IS wird dann im Zweifel nach Syrien ausweichen können.
Meiner Fraktion und mir ist ganz wichtig, dass der militärische Einsatz, sowohl die Unterstützung der Peschmerga im Norden des Irak als auch das neue Anti-IS-Mandat, nur eine Komponente unseres Bemühens sein kann. Die zivile Dimension wird umso wichtiger. Die zivile Dimension wird durch den Militäreinsatz allerdings auch befördert.
Ich habe bereits über den Wiener Prozess und über die Notwendigkeit, dass der IS niedergehalten wird, gesprochen. Ich möchte auch dafür werben, dass wir weitere Anstrengungen unternehmen, dafür zu sorgen, dass in Bagdad eine inklusive Regierung ans Ruder kommt, dass wir in Bagdad eine Stabilisierung des Staates hinbekommen, sodass die unterschiedlichen religiösen Gruppen an der Regierungsmacht und an den Früchten der politischen Arbeit teilhaben können. Der Außenminister reist in Kürze nach Bagdad, wenn ich das richtig gesehen habe. Ich vermute, das wird an oberster Stelle der Tagesordnung stehen.
Wir müssen uns darüber hinaus den anderen Partnern in der Region zuwenden. Wir sollten noch stärker, als wir das bisher tun, darauf achten, die Partner um Syrien herum, also Jordanien, Libanon, natürlich auch die Türkei und den Irak sowie die Staaten im Norden Afrikas, die durch IS oder IS-ähnliche Bestrebungen bedroht sind, zu stabilisieren und zu unterstützen.
Ich finde, es ist eine enorme und beachtliche Leistung, dass Jordanien und Libanon, aber natürlich auch die Türkei derart viele Flüchtlinge bei sich aufnehmen und ihnen Obdach geben. Wir sollten diese Staaten in ihrem Bemühen unterstützen. Wir sollten sie ermutigen, diesen Weg weiterzugehen. Wir sollten dafür sorgen, dass insbesondere Jordanien, dem als Freund Israels in der Region eine besondere Bedeutung zukommt, stabilisiert wird.
Insgesamt sollten wir mit Blick auf das, was wir erreichen wollen, zu einer Politik aufbrechen, die sich stärker als bisher dem Thema Nachhaltigkeit zuwendet. Ich hoffe, dass es uns in Libyen gelingen wird, eines Tages mit einer Regierung über den Aufbau des Landes und über die Weiterentwicklung zu sprechen. Ich hoffe, dass wir die stabilisierenden Prozesse, die derzeit in den anderen Staaten Nordafrikas stattfinden, aktiv unterstützen können.
Ich glaube, dass wir über die Anstrengung, die wir im Bundeshaushalt 2016 unternommen haben, hinaus im Bereich der wirtschaftlichen Zusammenarbeit und im Bereich der humanitären Hilfe zusätzliche Finanzmittel einsetzen sollten, wenn wir das als sinnvoll ansehen. Außerdem glaube ich, dass die Arbeit für uns im Deutschen Bundestag und für alle diejenigen, die an den Friedensprozessen interessiert sind, dann in eine neue Phase eintritt, wenn wir mit unseren diplomatischen Bemühungen Erfolg haben; denn falls es ein Friedensmandat für Syrien gibt, falls es einen Friedensschluss gibt, werden natürlich folgende Fragen gestellt werden: Wer garantiert diesen Frieden? Wer unterstützt diesen Frieden? Wer hilft beim Wiederaufbau dieses Landes? Wer hilft der neu geschaffenen Regierung, das Land vernünftig und auf der Grundlage von Menschenrechten zu regieren? – Da wird Deutschland nicht an der Seite stehen, sondern sich sicherlich entsprechend seiner wirtschaftlichen und politischen Bedeutung einbringen.
Ich kann nur dafür werben, dieses Mandat zu unterstützen. Ich tue es aus vollem Herzen, weil ich davon überzeugt bin, dass es ein angemessener und effizienter Beitrag ist. Ich wünsche den Soldatinnen und Soldaten, die in diesen Tagen vor Weihnachten damit konfrontiert sind, sich auf diesen Einsatz vorbereiten zu müssen, dass sie gut in diesen Einsatz gehen und vor allem gesund und wohlbehalten aus dem Einsatz zurückkommen. Ich wünsche alles erdenkliche Soldatenglück.
In diesem Sinne bedanke ich mich für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vielen Dank, Kollege Jürgen Hardt. – Nächster Redner in der Debatte: Niels Annen für die SPD.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6241040 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 142 |
Tagesordnungspunkt | Bundeswehreinsatz gegen Terrororganisation IS |