Cemile GiousoufCDU/CSU - Bildungsgerechtigkeit
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Mutlu, im Moment erleben wir, dass sich die europäische Staatengemeinschaft mit einer Bevölkerung von 508 Millionen Menschen weigert, eine Anzahl von circa 1,5 Millionen Flüchtlingen in ihren Ländern aufzunehmen und zu versorgen, und das liegt nicht an Deutschland. Sie zeichnen in dieser Debatte ein Bild, das eine Untergangsstimmung weckt. Dieses Bild ist nicht nur falsch, sondern geht komplett an den Realitäten unseres Landes vorbei.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sollten den Antrag lesen, bevor Sie das sagen! Lesen Sie einmal den Antrag! Vielleicht lernen Sie ja etwas!)
Deutschland ist ein Einwanderungsland. Wir beschulen nicht erst seit dem Jahr 2015 Flüchtlingskinder, und die Integration von Deutschen mit einer Einwanderungsgeschichte ist besser als ihr Ruf. Wir sehen das an den Folgegenerationen der Einwanderer, ob es die Aussiedler, die Gastarbeiter oder Kriegsflüchtlinge sind. Sie haben ihre Elterngeneration überholt. Insbesondere die Mädchen weisen erfolgreiche Schul- oder Berufsabschlüsse vor. Auch die Anzahl der Studierenden mit einer Einwanderungsgeschichte an Hochschulen nimmt zu. Die Migranten und ihre Kinder sind im Bildungswesen und auf dem Arbeitsmarkt zwar immer noch nicht gleichgestellt – das ist wahr –; aber der Trend geht nach oben, und das zeichnet unser Bildungs- und Ausbildungssystem in Deutschland aus. Die Integrationspolitik in diesem Land ist ein Erfolg.
Vor dem Hintergrund der Neuzuzügler müssen wir uns zu Recht die Frage stellen, ob das, was wir bislang an Strukturen haben, tatsächlich ausreicht. Ja, unsere Lehrer brauchen eine stärkere interkulturelle Kompetenz, und auch die Geschichte der Einwandererkinder muss Einzug in unsere Schulen halten.
(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann stimmen Sie dem Antrag also zu?)
Sie müssen gemeinsam lernen, dass die Gastarbeitergeneration dieses Land mit aufgebaut hat,
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört!)
dass es vor hundert Jahren Syrer waren, die den verfolgten Armeniern Schutz gewährten, dass es Marokko war, das im 11. Jahrhundert Juden Schutz gewährte, und dass vom 8. bis zum 16. Jahrhundert Christen, Muslime und Juden in Andalusien friedlich zusammenlebten.
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kommen Sie mal zur Gegenwart! – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was haben Sie denn 2016 vor?)
Dieses unser gemeinsames Erbe ist die Grundlage dafür, dass wir Menschen zu selbstbewussten Demokraten erziehen. Jeder in diesem Land soll stolz auf seine Herkunft sein dürfen und gleichzeitig stark genug, um unmissverständlich Demokratie und Menschenrechte zu verteidigen, unabhängig davon, ob es sich um seine eigenen oder die eines anderen handelt.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie der Abg. Dr. Daniela De Ridder [SPD])
Sie müssen lernen, dass sie alle, die sie in diesem Land leben, die Verantwortung für die Geschichte Deutschlands haben, egal ob sie eingewandert oder hier geboren sind, und dieser Verantwortung auch gerecht werden müssen. Wir müssen starke Persönlichkeiten in unseren Schulen erziehen, die den Rattenfängern des islamistischen Terrorismus genauso entgegentreten können wie den Rattenfängern rechtsextremer Gruppen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann stimmen Sie unserem Antrag zu! Da klatsche ich doch gleich mit!)
Aber was haben wir bislang alles auf den Weg gebracht, um diese Zukunft zu sichern? Das Bildungsministerium ist das Schlüsselministerium für Integration.
(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat Frau Wanka selber noch nicht gemerkt! Wo ist Frau Wanka in dieser Integrationsdebatte?)
Mit dem Anerkennungsgesetz wurden die Weichen für die Integration von ausländischen Fachkräften in den Arbeitsmarkt ermöglicht, und das eben nicht erst seit dem Zuzug der Flüchtlinge. Es gibt noch Nachholbedarf bei der Ausbildung Jugendlicher; das stimmt. Diese Analyse ist für uns nichts Neues, lieber Herr Mutlu. Daran arbeiten wir mit unseren KAUSA-Servicestellen. Mit der Initiative Bildungsketten unterstützen wir Schülerinnen und Schüler, indem wir sie im Übergang von der Schule in den Beruf begleiten.
Es ist schade, dass das Avicenna-Studienwerk, die Begabtenförderung für muslimische Studierende und die Islamische Theologie an Hochschulen, womit Deutschland einzigartig in Europa dasteht, in Ihrem Antrag nicht mit einem Wort Erwähnung finden.
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil es das schon gibt! Uns geht es um Missstände, die behoben werden sollen!)
An diesen Hochschulen werden Islamkundelehrer und Imame ausgebildet,
(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was machen Sie denn in der Schule?)
die in unseren Schulen und den Religionshäusern als Lehrer und Seelsorger arbeiten werden.
Das alles zeigt, dass die CDU/CSU-Fraktion bei der Bewältigung der großen Integrationsaufgabe auf keine Schnellschüsse setzt, sondern auf Strukturen
(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Nur das dauert bei Ihnen!)
wie auch unsere Integrationskurse und die berufsbezogene Sprachförderung.
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben keine Zeit, zu warten, bis ihr mal zur Einsicht kommt!)
Zwei Maßnahmenpakete für die Integration von Flüchtlingen hat unsere Bundesministerin Wanka im Herbst 2015 vorgestellt; das haben Sie vielleicht mitbekommen. Das erste Paket konzentriert sich auf den Erwerb der deutschen Sprache sowie den Zugang zur beruflichen Bildung. Damit Flüchtlinge ein Studium aufnehmen können, brauchen sie Beratung, sprachliche Vorbereitung und fachliche Unterstützung. Genau hier greifen die Maßnahmen des zweiten Paketes. Mehr als 230 Millionen Euro insgesamt stellt das BMBF für diese Integrationshilfen in den nächsten Jahren zur Verfügung. Auch dazu findet sich in Ihrem Antrag keine Zeile.
Seitens der Unionsfraktion wurde im Dezember 2015 ein von der AG Bildung und Forschung erarbeitetes und mit den Innenpolitikern abgestimmtes Konzept auf unseren Seiten veröffentlicht. Es wäre besser gewesen, wenn Sie vor Erstellung Ihres Antrages einen Blick darauf geworfen hätten. Im Vergleich zu Ihrem Wünsch-dir-was-Katalog stehen da nämlich konkrete Punkte, die auch umsetzbar und realistisch sind.
(Beifall bei der CDU/CSU – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und warum sind sie dann nicht umgesetzt? Wann wollen Sie sie denn endlich umsetzen? – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Regieren Sie eigentlich seit neun Jahren? Wo ist eigentlich Frau Wanka bei dieser Debatte?)
Sei es drum. Gehen wir die einzelnen Punkte Ihres Antrags einmal durch.
Ihre Hauptforderung nach Aufhebung des Kooperationsverbotes im Bildungsbereich ist altbekannt.
(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist eigentlich Frau Wanka?)
Doch schon heute engagiert sich der Bund in der Bildung finanziell so stark und umfassend wie nie zuvor: Stichwort „Hochschulpakt“, Stichwort „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“, Stichwort „Qualitätspakt Lehre“, Stichwort „vollständige Übernahme der BAföG-Finanzierung durch den Bund“.
Dann fordern Sie die Erleichterung des Zugangs zum Arbeitsmarkt für Flüchtlinge. Diese Forderung ist gut; sie kommt nur zu spät. Bereits im September 2015 hat das BMBF ein erstes Maßnahmenpaket für Flüchtlinge vorgestellt
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh Mann! Ihr habt ja schon alles angepackt! Die ganzen Studien sagen Falsches aus! Die Gewerkschaften und Verbände träumen!)
– ich kann es Ihnen nicht ersparen; wenn Sie immer wieder die gleichen Anträge stellen, dann müssen Sie sich auch immer wieder die Antworten anhören –,
(Beifall bei der CDU/CSU)
bei dem der Erwerb der deutschen Sprache sowie die Integration in Ausbildung und Beruf im Mittelpunkt stehen.
Kommen wir zur Forderung nach Schaffung von Sicherheit für junge geflüchtete Menschen in der Ausbildung. Durch die Neuregelung des am 1. August 2015 in Kraft getretenen Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts wurde hier bereits Rechtssicherheit geschaffen.
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Märchenstunde!)
Genau das, liebe Kolleginnen und Kollegen, schafft Planungssicherheit, und zwar sowohl für die betroffenen Auszubildenden als auch für die Ausbildungsbetriebe. Wir sollten aufhören, den Handwerksmeistern vor Ort Angst zu machen,
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das machen Sie gerade!)
ihre Schützlinge könnten in der Ausbildung abgeschoben werden. Dem ist ein Riegel vorgeschoben.
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nehmen Sie endlich den Kopf aus dem Sand!)
Zu Ihrer Forderung nach schnellerem Zugang zum BAföG für Geflüchtete. Notieren Sie es sich bitte noch einmal: Die Koalition hat bereits dafür gesorgt, dass Inhaber bestimmter humanitärer Aufenthaltstitel nicht mehr eine Vierjahresfrist abwarten müssen. Sie können bereits nach 15 Monaten die Unterstützung beantragen.
Ich kann es Ihnen nicht ersparen: Insgesamt sind 80 Prozent Ihrer Forderungen bereits erledigt. Wenn Sie schon nicht auf unsere Fraktionsseite schauen, dann werfen Sie zumindest einen Blick ins Bundesgesetzblatt.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Antrag ist an die Regierung gerichtet, nicht an die Seite der CDU/CSU-Fraktion!)
So aber müssen Sie sich den Vorwurf gefallen lassen, in den Chor derer einzustimmen, die behaupten, die Integrationspolitik der letzten Jahre sei gescheitert. Sie machen es nur von einer anderen, sympathischeren Seite. Die anderen sagen, wir sollten gar nichts mehr machen, und sie wollen einfach mehr Geld reinblasen. Beides ist falsch. Deutschland ist gut aufgestellt.
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie den Antrag überhaupt gelesen? – Gegenruf von der SPD – Gegenruf des Abg. Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Antrag besteht aus acht Seiten! Sie sollte ihn lesen! Dann lernt sie was!)
Sie sollten zur Kenntnis nehmen, dass die Bundesregierung, dass das BMBF und auch ganz persönlich Ministerin Johanna Wanka dieses Thema mit einer großen Ernsthaftigkeit behandeln, wie ich sie mir von allen politischen Akteuren wünschen würde.
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ganz schön dünn!)
Diese Konzentration auf das Wesentliche sollte stilbildend sein und hätte möglicherweise auch Ihrem Antrag gutgetan.
Das Einwanderungsland Deutschland ist zuversichtlich.
(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Bis auf Bayern!)
Seien Sie es auch!
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Keinen einzigen Vorschlag gemacht! Keinen einzigen!)
Vielen Dank. – Als nächste Rednerin hat Dr. Rosemarie Hein von der Fraktion Die Linke das Wort.
(Beifall bei der LINKEN – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt ist die Märchenstunde vorbei! Jetzt hören wir mal Frau Hein zu!)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6483681 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 153 |
Tagesordnungspunkt | Bildungsgerechtigkeit |