29.01.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 153 / Tagesordnungspunkt 26

Johann SaathoffSPD - Rekommunalisierung von Energienetzen

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im vergangenen Jahr haben wir an dieser Stelle oft über die Verfahren zur Konzessionsvergabe gesprochen. Wir Koalitionsabgeordnete haben betont, dass wir das, was wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben, bald umsetzen wollen. Wir sind jetzt auf der Zielgeraden, man kann auch sagen: quasi einen Wimpernschlag vom Ziel entfernt.

(Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schauen wir mal!)

Der Referentenentwurf aus dem Ministerium ist Ihnen nicht nur vermutlich, sondern, wie wir heute in der Debatte gehört haben, allen bestens bekannt. Die Länder- und Verbändeanhörung ist abgeschlossen, und jetzt laufen die Arbeiten für einen Kabinettsbeschluss. Das ist sehr wichtig für uns; denn es kann für die Legislative kein befriedigender Zustand sein, wenn die Gesetzgebung der Rechtsprechung hinterherhinkt. Deshalb bin ich froh, dass wir diesen Zustand in diesem Jahr beenden werden.

„De Driever un de Esel denken selten gliek“ – der Treiber und der Esel denken selten gleich –, das gilt auch für das Verhältnis von Alt- zu Neukonzessionär.

(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Ich dachte, von CDU und SPD! – Heiterkeit bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir wollen, dass es in vielen Bereichen der Konzessionsvergabe mehr Rechtssicherheit geben wird, sei es beim Auskunftsanspruch von Gemeinden, bei der Vergütung beim Netzübergang oder bei den Rügeobliegenheiten. Außerdem muss die Konzessionsabgabe bei einer Verzögerung des Netzübergangs vom Altkonzessionär unbefristet weitergezahlt werden. Hier einfach zu behaupten, es sei keine Rechtssicherheit eingetreten, finde ich gerade in diesem Punkt nicht angemessen und nicht fair. Damit wären viele Streitpunkte in dem Entwurf und die rechtlichen Unsicherheiten entschärft.

Beim Bewertungsverfahren – das gebe ich zu – sehe ich dringenden Handlungsbedarf, gerade im Fall einer Rekommunalisierung. Egal ob die Kommune einen viel zu hohen Betrag an den Altkonzessionär zahlen muss oder ob sie wegen des vermeintlich zu geringen Betrages verklagt wird: Beide Fälle bedeuten für Städte und Gemeinden ein enormes finanzielles Risiko. Von diesem Damoklesschwert wollen wir sie befreien. Gerade in Zeiten, in denen die Kommunen ohnehin schon vor enormen Herausforderungen stehen, haben es die Kommunen verdient, dass wir sie in solchen Verfahren vor Unsicherheiten schützen.

Beim Netzübergang vom Alt- auf den Neukonzessionär besteht der Streit meist darin, dass sich Ersterer auf den Sachzeitwert beruft. Vereinfacht dargestellt bleibt das Netz Eigentum der Gemeinde; denn diese entscheidet am Ende des Konzessionszeitraums darüber, wie es weitergeht. Der Neukonzessionär wird zwar formal Netz­eigentümer, es ist ihm aber eben nicht möglich, das Netz zu verkaufen und so den Sachzeitwert auch tatsächlich zu erlösen. Daher ist es für einen Konzessionär maßgeblich, welchen Gewinn er im Konzessionszeitraum erzielen kann, und deswegen wollen wir den objektiven Ertragswert als Richtschnur für den Netzübergang vorgeben. Davon unberührt bleiben sollen natürlich einvernehmlich Regelungen zwischen dem Alt- und dem Neukonzessionär. Dass Altkonzessionäre die Zahlungen einstellen können, obwohl sie selbst der Bremsklotz sind, das halte ich für falsch. Auch hier wollen wir die Stellung der Städte und Gemeinden verbessern.

Manchmal waren die Altkonzessionäre auch deshalb ein Bremsklotz, weil sie sich geweigert haben, Kommunen, die die Absicht hatten, ihre Netze neu auszuschreiben, die notwendigen Daten über das Gas- und das Stromnetz zur Verfügung zu stellen. Ich habe diese Erfahrung selbst gemacht. Als ich vor einigen Jahren als Bürgermeister die Konzession neu ausschreiben wollte, haben wir vom Altkonzessionär über Jahre hinweg keine Daten über das Netz erhalten. Wir mussten uns behelfen und anhand der Straßen die Länge der Leitungen abschätzen. Das ist aber zum Beispiel in einer Fehngemeinde äußerst kompliziert, wo auf beiden Seiten der Kanäle Straßen verlaufen. Das ist fast nicht möglich, zumindest mit enormen Unsicherheiten verbunden. Rechtssicherheit im Sinne der Kommunen herzustellen, ist also dringend geboten. Es kann nicht sein, dass Kommunen durch die Vorenthaltung der Daten und die damit verbundenen Unsicherheiten davon abgehalten werden, ihr Netz tatsächlich zu rekommunalisieren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Energieversorgung ist Daseinsvorsorge; darüber sind wir uns einig. Auch in ländlichen Regionen, wo die Landschaft zwar toll, die Menschen aber rar sind, sollen alle mit Strom und Gas versorgt werden, und zwar möglichst störungsfrei. Ich habe das eben in meiner Rede zum Strommarktgesetz schon einmal gesagt: Strom muss aus der Steckdose kommen – immer. Dazu muss das Netz in einem guten Zustand sein, und die Frequenz muss stimmen.

Aber einem ökologischen Anspruch, den Sie im vergangenen Jahr auch schon gefordert haben, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken, kann man mit dem Netzbetrieb nicht gerecht werden; denn den Fluss des Stroms kann man nicht beeinflussen. Einem ökologischen Anspruch kann man nur durch den Ausbau der erneuerbaren Energien gerecht werden.

(Caren Lay [DIE LINKE]: Wir sind auch dafür!)

Das soll aber nicht bedeuten, dass die Kommunen bei der Ausschreibung keine weiteren Kriterien berücksichtigen können oder sollen als die fünf Ziele in § 1 EnWG: möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche Energieversorgung. Das können sie sehr wohl. Es kommt aber auf die Art und die Gewichtung der Kriterien an. Hier herrscht meiner Meinung nach erhebliche Unklarheit. Mit dieser Frage müssen wir uns im weiteren Verfahren noch beschäftigen. Hier halte ich eine Klarstellung für dringend notwendig.

Nachdem wir im vergangenen Jahr mehrfach über den § 46 EnWG gesprochen haben, werden wir das auch in diesem Jahr wieder tun, allerdings mit einem Gesetzentwurf als Gesprächsgrundlage. Ich freue mich auf konstruktive Diskussionen.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Das Wort hat der Kollege Dr. Andreas Lenz für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6484115
Wahlperiode 18
Sitzung 153
Tagesordnungspunkt Rekommunalisierung von Energienetzen
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