Sevim DağdelenDIE LINKE - Aktuelle Stunde zu der Verschärfung der kriegerischen Auseinandersetzungen in Syrien
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir stehen aktuell vor einer neuen brandgefährlichen internationalen Eskalation der Lage in Syrien. Manche sprechen von einer seit dem Ende des Kalten Krieges nicht gekannten Zuspitzung.
Mit dem türkischen Beschuss syrischer Kurden droht der türkische Präsident Erdogan, den Krieg in Syrien und in der Region weiter auszuweiten. Der türkische Präsident will die NATO und auch Deutschland in einen Krieg gegen Russland verwickeln,
(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist die Frage, wer hier die Henne und wer das Ei ist!)
um unter anderem einen Zusammenschluss der Kantone der syrischen Kurden in Rojava zu verhindern. Und was macht die Bundesregierung? Ich frage mich: Warum verurteilt die Bundesregierung diesen türkischen Völkerrechtsbruch nicht klar und deutlich?
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ist Ihnen Ihr Bündnis mit Erdogan zur Flüchtlingsabwehr so wichtig, dass Sie selbst zum Weltkriegsroulette Erdogans schweigen wollen?
Die Bundesregierung redet in puncto Syrien immer wieder von moderaten Rebellen; wir haben es heute hier auch noch einmal erfahren. Auf die Fragen der Linksfraktion hin, wer die denn seien, kommt keine Antwort dieser Bundesregierung. Die Bundesregierung weiß nämlich nicht, sagt sie, wer moderat ist und wer nicht.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Deshalb möchte ich die Gruppen, die von der Türkei im syrischen Bürgerkrieg in der aktuellen Situation und in der aktuellen Auseinandersetzung unterstützt werden, im Einzelnen benennen.
Da wäre zum einen die Al-Nusra-Front. Diese Dschihadisten sind der syrische Ableger der al-Qaida, also der islamistischen Terrororganisation, deren Führer Osama Bin Laden war und derentwegen die USA vor 15 Jahren den weltweiten Krieg gegen den Terror begonnen haben, meine Damen und Herren – eine Gruppe, die in Sachen Terror und Kopf-ab-Islam mit den barbarischen Grausamkeiten des IS konkurriert.
Dann gibt es noch die Ahrar al-Scham, eine islamistische Terrorgruppe, über die der Bundesnachrichtendienst berichtet, sie werde von der türkischen Regierung mit Waffen beliefert, eine islamistische Terrororganisation, die im Mai letzten Jahres vom Bundesgerichtshof hier in Deutschland als eine islamistische terroristische Vereinigung beurteilt und eingestuft wurde. Ahrar al-Scham ist besonders durch ihre Massenmorde an den alevitischen Minderheiten in Syrien berüchtigt, wie Human Rights Watch berichtet.
Wenn Sie von der Union und auch Sie von der SPD sich die Unterstützung dieser islamistischen Terrorbanden durch ihren Verbündeten, die Türkei – die türkische Regierung, ihr Partner, meine Damen und Herren! –, vor Augen führen, muss Ihnen das doch zumindest zu denken geben, ob Ihr Pakt mit Erdogan der richtige Weg ist, um den Menschen in der Region dort zu helfen.
(Beifall bei der LINKEN)
Erdogan und auch Davutoglu geht es allein darum, die Vernichtungspolitik der islamistischen Terrorbanden gegen die Kurden und andere Minderheiten in Syrien zu unterstützen, und Sie liefern weiter deutsche Waffen, mit denen tagtäglich Kurden in der Türkei und in Syrien von türkischen Sicherheitskräften oder eben von islamistischen Terrorhelfern Erdogans ermordet und massakriert werden.
In diesem Moment, in dem wir hier sitzen und debattieren, schießen türkische Panzerhaubitzen T-155 F ı rt ı na auf syrische Kurden. Eingebaut in diese Kriegsmaschinerie ist auch ein Motor der Firma MTU aus Friedrichshafen, und die deutsche Außenpolitik begleitet diese Rüstungsexportpolitik recht freundlich. Ich finde, das ist eine Schande für die deutsche Außenpolitik, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Deshalb fordern wir Sie auf: Beenden Sie Ihr verbrecherisches Bündnis mit Erdogan. Ja, es ist ein verbrecherisches Bündnis, weil Sie diejenigen unterstützen, die in Syrien den Terror auch in die kurdischen Gebiete tragen.
Ich mache hier wirklich keinen Hehl daraus:
(Dr. Johann Wadephul [CDU/CSU]: Nein, das hört man!)
Mein Herz schlägt für die mutigen Frauen und auch Männer, die sich dort mit Leib und Leben dem islamistischen Terror entgegenstellen. Meine Solidarität gehört den kurdischen Frauenbataillonen, die ihr Leben und die Freiheit gegen die reaktionären Schergen verteidigen, die von der Türkei und von Saudi-Arabien hochgerüstet werden, welche wiederum von Ihnen, meine Damen und Herren, hochgerüstet werden.
Jetzt hat sich die Bundeskanzlerin auch noch dazu verleiten lassen, eine Flugverbotszone, also das, was der türkische Präsident Erdogan schon seit Jahren fordert, zu fordern. Ich frage mich wirklich: Reicht Ihnen die Flugverbotszone in Libyen nicht, wo es zu Zehntausenden Toten gekommen ist und wo der IS fast schon den größten Teil der Mittelmeerküste dieses Landes kontrolliert? Haben Sie denn überhaupt keine Konsequenzen aus dieser falschen Politik der Flugverbotszone in Libyen gezogen?
(Beifall bei der LINKEN)
Ich frage mich zudem, warum Sie hier die Bombardierungen der Russen kritisieren, aber die der NATO-Staaten und Saudi-Arabiens und der Türkei mit unterstützen. Wir als Linke sagen: Bomben schaffen keinen Frieden – nicht russische, aber eben auch nicht die Bomben der USA oder dieser Koalition der Willigen.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir brauchen, meine Damen und Herren, einen sofortigen Waffenstillstand in Syrien – und das ohne Vorbedingungen. Wenn Sie tatsächlich unter Beweis stellen wollen, dass Sie auch einen Frieden in der Region und in Syrien wollen, dann setzen Sie sich dafür ein, dass die bisher effektivste Kraft gegen die Barbaren des IS am Boden, nämlich die Kurden, auch am Verhandlungstisch sitzen und an den Verhandlungen teilnehmen können.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)
Als nächste Rednerin hat Michelle Müntefering von der SPD-Fraktion das Wort.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6562594 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 154 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zu der Verschärfung der kriegerischen Auseinandersetzungen in Syrien |