17.02.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 154 / Zusatzpunkt 1

Johann WadephulCDU/CSU - Aktuelle Stunde zu der Verschärfung der kriegerischen Auseinandersetzungen in Syrien

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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Roth, das lädt wirklich zur Debatte ein. So soll es auch sein. Weil sonst über vieles in diesem Haus in diesem Zusammenhang Konsens besteht – mit Ausnahme einiger Positionen, die die Linksfraktion einnimmt –, will ich auf die Türkei eingehen. Wir als Unionsfraktion jedenfalls finden uns in der eigentümlichen Rolle wieder, dass wir in den Debatten zum Teil als Verteidiger oder als Versteher der Türkei auftreten müssen.

(Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: ­Erdogan-Versteher!)

– Die Welt ist ein bisschen komplizierter, als Sie von der Linksfraktion das darstellen. Das haben wir heute auf schreckliche Art und Weise wieder einmal erfahren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Ja, ja, weitermachen!)

Frau Kollegin Roth, als Sie – das richte ich nicht nur an die Adresse der Grünen, sondern auch an die Adresse unseres verehrten Koalitionspartners – uns damals, als es in Europa wohlfeil war, aufgefordert haben, für die Vollmitgliedschaft der Türkei in der Europäischen Union einzutreten, war es Angela Merkel, die nach Ankara gefahren ist und gesagt hat: Das können wir uns nicht vorstellen. – Es wäre damals einfach gewesen, nachzugeben und zu sagen: Das ist eine tolle Türkei; sie passt mit ihren Wertvorstellungen und ihrer Politik in die Europäische Union.

(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, wir haben gesagt, dass sie die Kriterien erfüllen soll! Sie haben eine Vollmitgliedschaft in der EU kategorisch abgelehnt!)

Aber nein, die Union hat eine klare Linie beibehalten: Die Türkei ist ein Partner, aber kein Land, das nach unseren Wertvorstellungen Vollmitglied in der EU werden kann. Klare Linie damals wie heute!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Kollege Nouripour, Sie wachen aus einem träumerischen Schlaf auf. Darunter leiden Sie, und die Schmerzen verarbeiten Sie nun verbal im Plenum.

(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, wir wollten immer, dass die Kriterien eingehalten werden! Sie haben per se Nein gesagt!)

Aber wir haben immer einen realistischen Blick auf die Türkei gehabt. Wir haben uns nie die Illusion gemacht, dass die Türkei die Werte der Europäischen Union voll teilen würde. Deswegen artikulieren wir – die Bundeskanzlerin hat das heute von diesem Rednerpult aus gesagt – auch die vorhandenen Probleme.

Sie haben darauf hingewiesen, dass diejenigen, die aus Aleppo geflohen sind, nun auf syrischem Gebiet verfolgt werden. Die Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses in der Assemblée nationale hat uns heute darauf hingewiesen, dass die Republik Frankreich bereits sage und schreibe 60 Flüchtlinge im Rahmen des Kontingents aufgenommen hat. Ich halte es vor diesem Hintergrund für wohlfeil, aus europäischer Sicht die Türkei, die 2,5 Millionen Flüchtlinge aufgenommen hat, zu kritisieren. Das ist der Situation und dem Engagement der Türkei nicht angemessen. Da sollten wir uns ein wenig zurückhalten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es ist doch unverkennbar – ob die Linksfraktion darauf absichtlich oder unabsichtlich hereinfällt, lasse ich einmal dahingestellt –, dass Moskau in der jetzigen Situation jede Chance nutzt, einen Keil zwischen dem NATO-Partner Türkei und anderen NATO-Mitgliedern zu treiben. Kollege Gehrcke, Sie haben das erkannt. Wir werden auf jeden Fall nicht darauf hereinfallen, weil wir bei aller Kritik, die wir an der Türkei üben, natürlich wissen, dass die Türkei in schwierigen Zeiten wie diesen ein wichtiger NATO-Partner ist. Das können wir in einer solchen Situation nicht einfach infrage stellen. Zu dieser Partnerschaft und den Verträgen stehen wir.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dazu gehört natürlich, dass wir uns jetzt auch die Frage stellen: Warum gibt es diese türkische Reaktion? Wir stimmen doch vollkommen darin überein: Niemand möchte eine militärische Antwort der Türkei, wie sie hier beschrieben worden ist. Das ist doch vollkommen unstreitig. Aber es ist eine Reaktion der Türkei darauf, dass die YPG in Regionen vordringt, die die Türkei als Interessenssphäre definiert.

(Zuruf der Abg. Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

– Ich stelle es doch nur so dar, wie es ist. Ich legitimiere das nicht. Man muss es aber verstehen.

Die Kollegen der Linksfraktion sind bei dem Ukraine-Konflikt nicht müde geworden, uns vorzuhalten, welche Interessen Russland in seinem Vorfeld hätte, die es militärisch auf noch sehr viel rigorosere Art und Weise auf der Krim und in der Ostukraine durchgesetzt hat. Ich halte Ihnen vor: Da hatten Sie jedes Verständnis für russische Interessen. Wenn die Türkei jetzt irgendein Interesse in ihrem Vorfeld artikuliert, dann haben Sie dafür gar kein Verständnis. Das ist eine zwiespältige Position, die nicht trägt und die zeigt, dass Ihre Position insgesamt nicht konsistent ist.

Das Einzige, was wir in dieser schrecklichen Situation verantwortungsvoll machen können, ist das, was die Bundeskanzlerin auf dem Gipfel in London getan hat, nämlich dafür zu sorgen, dass wir hinreichend finanzielle Mittel zur Verfügung haben, um den geschundenen Menschen zu helfen. Ich denke, das ist das Wertvollste, was im Sinne der Menschlichkeit in den letzten zwei Wochen geschehen ist. Dafür gilt der Bundeskanzlerin unser Dank.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Als nächster Redner hat Frank Schwabe von der SPD-Fraktion das Wort.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6562636
Wahlperiode 18
Sitzung 154
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zu der Verschärfung der kriegerischen Auseinandersetzungen in Syrien
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