18.02.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 155 / Tagesordnungspunkt 16

Klaus BarthelSPD - Beziehungen zu Kuba

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Fast hätte ich gesagt: Liebe Kubanerinnen und Kubaner!

(Heiterkeit)

Aber das haut dann doch nicht ganz hin.

Momentan geben sich die Staatschefs in Kuba die Klinke in die Hand. Im letzten Jahr gab es, glaube ich, einen Zuwachs von 25 Prozent an deutschen Touristen. Das heißt also: Da tut sich offensichtlich etwas. Ich glaube, zu dem, was in der Überschrift des Antrags steht, kann man auf jeden Fall feststellen: Wir machen das. – Das stellt der Antrag ja auch richtigerweise fest. Aber es ist auch richtig und wichtig, darüber zu sprechen.

Sie haben auch die Initiativen der Bundesregierung gewürdigt. Sigmar Gabriel hat bei seinem Besuch in Havanna ausdrücklich von einer neuen Phase der Beziehungen gesprochen. Wir fordern schon lange, wie es im Antrag steht, die Blockade aufzuheben. Es gibt entsprechende Beschlüsse der UN-Vollversammlung. Wir haben uns als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten immer dafür eingesetzt, dass zumindest der europäische Standpunkt aufgehoben oder korrigiert wird. Da gibt es, glaube ich, inzwischen einen breiten Konsens. Den europäischen Standpunkt hält sowieso niemand oder fast niemand in Europa ein.

Wir begrüßen, dass es jetzt diplomatische Beziehungen zwischen den USA und Kuba gibt, dass es den Gefangenenaustausch gibt – Stichwort „Cuban Five“ –, dass einzelne Boykottmaßnahmen jetzt von Obama aufgehoben worden sind, dass es Flugverbindungen geben soll, dass der Präsident selber nach Kuba reisen wird. Ich glaube, das Wichtige daran ist, dass das nicht nur ein Signal an die Kubaner ist, sondern an die ganze Region, an ganz Lateinamerika, weil sich diese Länder gemeinsam dafür eingesetzt haben, die künstliche Isolierung des Landes zu beenden. Damit wurde eben auch – das ist ja schon gesagt worden – die Rolle Kubas bei der Entwicklungszusammenarbeit und bei den diplomatischen Bemühungen in Bezug auf Kolumbien gewürdigt.

Im Antrag fehlt allerdings ein Blick auf die Entwicklung in Kuba selber. Ich glaube, sowohl Gehrcke als auch Tom Koenigs sind da einfach irgendwo stehen geblieben. Seit den Zeiten des Kalten Krieges hat sich in dem Land einiges verändert. Das muss man einfach zur Kenntnis nehmen. Es gibt nämlich inzwischen eine deutliche Selbstkritik an den Zuständen im Land. Auch Raúl Castro sagt: Die Blockade ist nicht an allem schuld, was bei uns zum Beispiel wirtschaftlich schiefläuft. Es gibt zu viele einseitige Abhängigkeiten, momentan von Venezuela und früher von der Sowjetunion. Wir brauchen Korrekturen zum Beispiel in unserem Wirtschaftssystem.

Es wird aber gehandelt. Seit 2011 gibt es die Aktualisierung des Modells. Es gibt über 600 neue Rechtssetzungen. Es gibt Reisefreiheit und weniger Repression. Tom Koenigs, das muss man einfach zur Kenntnis nehmen. Es gibt mehr und mehr Zugänge zum Internet, selbstständige Unternehmen und zumindest das Bemühen, die Produktivität im Staatssektor zu erhöhen. Weiterhin gibt es ein neues Investitionsgesetz. Auch darüber müsste man einmal etwas sagen. Des Weiteren müsste man mehr darüber diskutieren, dass es sich nicht mehr um die alte Welt handelt. Zum Beispiel gibt es jetzt auch den Erfolg, dass Kuba seine Schulden im Pariser Club abwickeln kann.

Worauf kommt es also in dieser Situation an? Über diese Frage sollten wir, glaube ich, reden. Ich bin froh, dass Kollege Jüttner es auch so sieht, dass wir jetzt gegenseitiges Vertrauen aufbauen müssen. Es kommt darauf an – das hat auch Sigmar Gabriel bei seinem Besuch so formuliert –, dass wir alle Gespräche auf Augenhöhe führen und nicht irgendwelche Vorbedingungen stellen. Tom Koenigs, so kämen wir auch in Kolumbien nicht weiter, wenn wir vorher darauf bestünden, dass alle das akzeptieren, was wir so gewohnt sind. Wenn wir so vorgingen, kämen wir bei Verhandlungen keinen Zentimeter voran.

Ich glaube, es ist wichtig, dass wir respektieren, dass Kuba seinen eigenen Weg gehen und nicht neue Abhängigkeiten produzieren will. Das Land will, dass es keine Rekolonialisierung – zum Beispiel durch die USA – gibt. Es muss seine Wirtschaft diversifizieren. Dabei muss es seine eigenen Bedürfnisse beachten. Das müssen wir akzeptieren und dann versuchen, die Beziehungen auf voller Breite weiterzuentwickeln. Kollege Jüttner hat die wesentlichen Punkte genannt.

Natürlich muss sich aber auch die Regierung in Kuba noch ein ganzes Stück bewegen. Wenn es Investitionen geben soll, muss es weniger Bürokratie, Vorschriften und Gängelung geben. Es muss mehr Bewegungsmöglichkeiten auch für nichtstaatliche Einrichtungen – für die Außenhandelskammern, die politischen Stiftungen usw. – geben. Man muss insbesondere den kleinen und mittleren Unternehmen entgegenkommen, damit auch sie – auch wenn sie nicht riesige Rechtsabteilungen unterhalten können, die sich mit der kubanischen Bürokratie auseinandersetzen – dort investieren können. Und es muss noch vieles mehr geschehen.

Zum Schluss müssen wir, glaube ich, einen Schritt weiter gehen. Wir dürfen uns nicht damit zufrieden geben, dass die Lage in Kuba und in Lateinamerika relativ ruhig ist und dass es dort Fortschritte gibt. Man ist heute ja schon froh, wenn es irgendwo auf der Welt einmal keinen Bürgerkrieg, Krieg oder Chaos gibt. Wir müssen uns aber auch darüber klar sein, dass in Lateinamerika die Lage nicht überall glänzend ist. Sie ist sehr labil und von Land zu Land sehr differenziert zu sehen. Ich nenne in diesem Zusammenhang die Themen Rohstoffe und Krise der Schwellenländer. Es gibt Probleme im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Entwicklung in China. Der Klimawandel trifft Kuba zum Beispiel sehr stark, aber auch andere Länder der Region.

Wir sollten also unser Interesse für eine solche Region nicht erst dann entdecken, wenn es wieder Mord und Totschlag gibt. Wir sollten das tun, bevor die nächste Krise kommt. Kuba sollten wir dabei unterstützen, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen. Wir sollten versuchen, mit unseren Instrumenten – das sind KfW-Kredite, Hermesbürgschaften usw. – die Investitionen in diesem Land zu unterstützen. Es gibt ja einen Vorschlag, der über 300 Projekte einbezieht. Dazu hat Kuba eigene Vorstellungen entwickelt. Wir sollten die internationale Rolle Kubas stärken und stützen und auch die sozialen und ökologischen Aspekte beachten.

Zum Schluss. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass der Wandel, den es in Kuba selber, aber auch von den USA aus gibt, eine Unterstützung braucht, wenn er erfolgreich sein und eine eigene Dynamik entwickeln soll; denn da ist noch viel zu tun.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Als letzter Redner hat Charles Huber von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6567747
Wahlperiode 18
Sitzung 155
Tagesordnungspunkt Beziehungen zu Kuba
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta