Thomas DörflingerCDU/CSU - Europäisches Einlagensicherungssystem
Verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir, dass ich zum Ende dieser Debatte, die überwiegend von Kolleginnen und Kollegen aus dem Bereich Finanzpolitik bestritten worden ist, mit Ausnahme von Christian Petry als Europapolitiker,
(Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Er ist auch Finanzpolitiker!)
das, was wir diskutieren, in einen europapolitischen Zusammenhang einordne.
Wir haben gestern im Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union abseits der engeren finanzpolitischen Agenda gemeinsam mit dem Bundesfinanzminister über die folgenden Fragen nachgedacht. Erstens: Was macht die europäische Krise heute im Kern aus? Zweitens: Was führt uns aus dieser Krise heraus? Wir waren uns unabhängig von in Nuancen unterschiedlichen Einschätzungen einig, dass es im Kern eine Vertrauenskrise der Bürgerinnen und Bürger gegenüber den Institutionen ist, die sich auch darin begründet, dass nicht jede Entscheidung so ohne Weiteres nachvollziehbar ist, was in einem direkten Zusammenhang mit dem steht, was Alexander Radwan eben vorgetragen hat, nämlich dass man eine zweite Baustelle eröffnet, während die erste noch nicht abgearbeitet ist. Das ist quasi das Kronbeispiel für das Zusammenspiel von nationalem und europäischem Einlagensicherungssystem: Wenn es hierzu Vorschläge gibt, die sich nicht nur zeitlich, sondern auch qualitativ überlappen, dann blickt niemand mehr so richtig durch, was eigentlich gewollt ist.
Ich kann meine Vorredner, egal von welcher Fraktion, in ihrer Position nur unterstützen, wenn sie sagen: Die eigentliche Kernbotschaft der Finanz- und Bankenkrise der Jahre 2008 ff. war, dass wir dem alten marktwirtschaftlichen Grundsatz, dass Risiko und Haftung zusammengehören müssen, auf Dauer wieder Geltung verschaffen. Das heißt, dass jedes Mitgliedsland der Europäischen Union wissen muss, dass es die Verpflichtung hat, das System der nationalen Einlagensicherung umzusetzen – was wir in der Bundesrepublik Deutschland schon seit vielen Jahren mit Erfolg praktizieren –, und dass logischerweise wir, alle 28 Mitgliedstaaten, miteinander in der Verpflichtung stehen, zunächst einmal der Aufforderung der Europäischen Kommission Genüge zu tun, diese nationalen Einlagensicherungssysteme einzurichten.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Das ist bislang von einer Reihe von Mitgliedstaaten umgesetzt worden – Antje Tillmann hat zu Recht darauf hingewiesen – und von einer Reihe von Mitgliedstaaten eben nicht.
Damit kommen wir zu einem zweiten Kernproblem der Europapolitik: die Kommission als Hüterin der Verträge einerseits und die Kommission als Gesetzgeberin andererseits. Das muss nicht in jedem Einzelfall zwangsläufig zu einem Konflikt führen, aber im vorliegenden Fall ist das offensichtlich ein Konflikt, weil die Kommission als Hüterin der Verträge eigentlich primär das Augenmerk hätte darauf richten müssen, dass der Richtlinienvorschlag zur Errichtung der nationalen Einlagensicherungssysteme zunächst einmal von allen umgesetzt wird. Wenn man auf die Idee kommt – was meine und unsere Position nicht ist –, dass es darüber hinaus noch anderer Maßnahmen bedarf, kann man anschließend darüber nachdenken, aber erst machen wir die eine Baustelle zu. Erst dann diskutieren wir darüber, ob wir eine zweite Baustelle aufmachen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
In diesem Zusammenhang kann ich Herrn Zöllmer nur unterstützen, der gefordert hat, dass wir uns sowohl unter finanzpolitischen als auch unter europapolitischen Gesichtspunkten noch einmal mit der Rechtsgrundlage des Vorschlages befassen. Artikel 114 AEUV, der besagt, dass die Verhältnisse innerhalb des Binnenmarktes angeglichen werden sollten, ist nach meiner festen Überzeugung – da teile ich Ihre Einschätzung – gerade im vorliegenden Fall nicht einschlägig. Wenn wir uns im ersten Schritt zunächst auf die Institute konzentrieren, die Mitglied der Bankenunion sind, und es für alle anderen nicht gilt, dann ist die Folge nicht mehr Wettbewerb, sondern Wettbewerbsverzerrung innerhalb der Europäischen Union. David Cameron geht es bei seinem Vorschlag, der in einem anderen Zusammenhang gemacht wird, natürlich genau um diesen Punkt, und er fühlt sich in seiner Auffassung bestätigt. Deswegen macht die Kommission am Ende des Tages mit ihrem Vorschlag genau das Gegenteil von dem, was sie eigentlich will.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Manfred Zöllmer [SPD])
Deswegen ist mein Ansatz – ich weiß nicht, ob es Zufall ist, dass der Deutsche Sparkassen- und Giroverband seine Geschäftszahlen für 2015 gerade heute veröffentlicht hat; vermutlich schon –, dass wir uns gemeinsam in der Verpflichtung sehen, die gut funktionierenden Regionalbankensysteme, in der Sparkassenorganisation genauso wie im Genossenschaftswesen, vor Gefahren, die ihnen zum Beispiel aus einem solchen Vorschlag der Europäischen Kommission drohen, zu schützen und gemeinsam dafür zu sorgen, dass das positive Ergebnis für 2015, das unsere Sparkassen am heutigen Tag präsentiert haben – davon profitieren mittelbar letztlich auch Vereine und Verbände in unseren Wahlkreisen –, dieser und vergleichbarer Organisationen auch in Zukunft in der Weise erhalten bleibt, dass sie ihrer Verpflichtung gegenüber der Allgemeinheit nachkommen können.
Herzlichen Dank.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6595501 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 158 |
Tagesordnungspunkt | Europäisches Einlagensicherungssystem |