Florian OßnerCDU/CSU - Atomausstieg in Europa
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Linksfraktion, so kurz vor Ostern haben Sie uns doch noch ein richtig faules Ei – so möchte ich das bezeichnen – ins Osternest gelegt. Nicht, dass wir etwas anderes erwartet hätten, jedoch hätte ich mir zur Abwechslung ein nicht derart vergiftetes Ostergeschenk von Ihnen gewünscht. Es freut mich zwar – das gebe ich gern zu –, dass wir von Ihnen auch einmal einzelne konkrete Vorschläge zur Lösung von Problemen hören, doch, ehrlich konstatiert, praxistauglich ist dieser Antrag keineswegs.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vielmehr zeigen Sie uns mit Ihren elf Forderungen, dass Sie international keine Verantwortung übernehmen und schlimmstenfalls dazu beitragen, ganze Bevölkerungsgruppen in Panik zu versetzen. Das gleicht fast schon einem gesamteuropäischen Rundumschlag. Die einseitige Aufkündigung von europäischen Verträgen trägt, wie meine Vorredner es schon gesagt haben, sicherlich nicht zur Vertrauensbildung in Europa bei. Das verstehe ich nicht unter verantwortungsvoller Politik für unser Land und für ganz Europa.
(Beifall bei der CDU/CSU – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Diese Rede muss man mal in Aachen abspielen! – Karin Binder [DIE LINKE]: Lieber laufen die AKWs weiter!)
Wir haben uns in Deutschland nach den katastrophalen Ereignissen in Fukushima 2011 darauf verständigt, Schritt für Schritt bis 2022 aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie auszusteigen. Wir sind gerade dabei, in einem gewaltigen Kraftakt unsere komplette Energieversorgung umzustellen. Wir investieren Milliarden Euro in den Ausbau der erneuerbaren Energien sowie in die Ertüchtigung der Stromnetze. In Forschung und Entwicklung wird mit Hochdruck nach neuen Technologien zur Energieerzeugung, zur effizienten Nutzung und Speicherung gesucht. Beispiele sind Wasserstofftechnik oder Holzvergasertechnik sowie Biogasanlagen.
(Beifall der Abg. Marie-Luise Dött [CDU/CSU])
Das heißt aber nicht, dass wir anderen Staaten vorschreiben können, wie sie ihr Energiesystem gestalten sollen; denn jeder Mitgliedstaat der EU hat gemäß Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union das Recht, die Struktur seiner Energieversorgung selbst zu bestimmen. Wir würden uns ja auch nicht derart von anderen reinregieren lassen. Zudem: Was würde Ihre Forderung für die Praxis bedeuten? Falls keine vernünftigen Ersatzkraftwerke vorhanden sind, würden die Energiepreise zwangsläufig signifikant steigen. Liebe Linke, diese unnötige Preistreiberei ist dann tatsächlich Sozialpolitik à la Linke. Das macht wirklich keinen Sinn.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die billige Atomkraft! Hat sich schon herumgesprochen, was Atomkraft kostet? – Zuruf der Abg. Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Andererseits bedeutet das Ende der Kernenergienutzung nicht, dass Deutschland die Sicherheit kerntechnischer Anlagen in Europa und speziell in seinen Nachbarstaaten ignoriert. Wir wissen sehr wohl um unsere Verantwortung als größte Volkswirtschaft in Europa. Gerade die Sorgen und Ängste der Menschen in den Grenzregionen zu Belgien und Frankreich nehmen wir daher sehr ernst.
In meinem Wahlkreis in der Region Landshut und Kelheim bin ich direkt vom Atomausstieg und den möglichen Risiken durch grenznahe Kernkraftwerke betroffen. 2022 geht mit Isar 2 das letzte Kernkraftwerk vom Netz. Die Kernkraftwerke Isar 1 und Isar 2 haben in den letzten Jahrzehnten einen maßgeblichen Beitrag zur Versorgungssicherheit in ganz Süddeutschland geleistet. Gerade in Ostbayern schauen wir mit Argusaugen auf die Reaktoren im tschechischen Temelin. Sicherheitsaspekte haben daher auch für mich persönlich allerhöchste Priorität.
Um die Sicherheit der Menschen zu gewährleisten, können wir jedoch nicht mit dem diplomatischen Vorschlaghammer zu Werke gehen und gleich den Euratom-Vertrag auflösen oder einseitig aufkündigen, wie Sie, liebe Linke, es in Ihrem Antrag fordern.
Ich darf Sie daran erinnern, dass dieses Vertragswerk, wie der Herr Kollege Kanitz schon gesagt hat, 1957 eine der Grundlagen der Europäischen Union bildete. Wenn wir tatsächlich Ihrer Forderung nachkommen würden, wäre die EU in ihrer jetzigen Form Geschichte, und der Vertrauensverlust unserer europäischen Partner wäre immens.
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ein Quatsch! –Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Totaler Unsinn! – Zuruf des Abg. Hubertus Zdebel [DIE LINKE])
Die Zusammenarbeit über den Euratom-Vertrag ermöglicht es auch, dass Deutschland auf hohe Sicherheitsstandards bei Kernkraftwerken in den Mitgliedstaaten hinwirken kann. Mit einer einseitigen Aufkündigung würden wir uns dieser Option berauben.
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gerade nicht nach dem Euratom-Vertrag!)
Liebe Linkspartei, durch Ihre Forderung würden viele langjährige, enge Partnerschaften auf internationaler Ebene zerstört werden. Dies kann nicht in unserem Interesse sein.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Herr Kollege, lassen Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Bulling-Schröter zu?
Ja, sehr gerne. Selbstverständlich.
Bitte.
Danke schön, Kollege Oßner. – Sie haben darüber gesprochen, dass für Deutschland ein Austritt aus Euratom aus bestimmten rechtlichen Gründen und Abhängigkeiten gar nicht möglich ist. In Österreich gab es ein Volksbegehren über die Frage: Soll Österreich aus Euratom aussteigen? Die Abstimmung fand eine Woche vor den Ereignissen in Fukushima statt. Hätte die Abstimmung nach den Ereignissen in Fukushima stattgefunden, dann hätte es dafür eine klare Mehrheit gegeben.
(Steffen Kanitz [CDU/CSU]: Meinen Sie?)
Glauben Sie, dass die Ministerien in Österreich und in Deutschland den Sachverhalt juristisch so unterschiedlich einschätzen? Gibt es in den beiden Ministerien so unterschiedliche Einschätzungen in Bezug auf das Völkerrecht und auf europäisches Recht?
Sehr geehrte Frau Kollegin, herzlichen Dank für Ihre Frage. – Selbstverständlich schätzen wir die Einstufungen unserer Nachbarländer. Aber eines muss man doch festhalten: Nationale Alleingänge in der Energiepolitik, bei der es um gesamteuropäische Ziele geht, würden uns definitiv keinen Schritt vorwärtsbringen.
Natürlich wäre es möglich, Verträge zu kündigen.
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach, jetzt doch? – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eben haben Sie doch den Untergang des Abendlandes herbeigeredet!)
Aber ich empfände es als nicht hilfreich, wenn der Deutsche Bundestag einseitig Verträge aufkündigen würde. Dies ist in bilateralen Gesprächen auf vernünftige Art und Weise zu regeln.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das verstehe ich nicht mehr! Ich dachte, die EU scheitert!)
Das Bundesumweltministerium verfährt hier genau so – die Kollegin hat es eben angesprochen –, wie man das bei Problemen in einer Staatenfamilie macht: Man sucht das direkte Gespräch. So stehen Bundesumweltministerin Barbara Hendricks und ihre Mitarbeiter im engen Austausch mit dem für Reaktorsicherheit zuständigen belgischen Innenminister, der belgischen Atomaufsichtsbehörde und dem Umweltministerium in Brüssel.
Die Ministerin hat gegenüber der belgischen Regierung sehr deutlich die Sorgen der Bundesregierung und der Bevölkerung wegen der Probleme an den Kraftwerken zum Ausdruck gebracht. Diese Gespräche und das vorgesehene Abkommen zwischen Belgien und Deutschland zur Zusammenarbeit in Fragen der nuklearen Sicherheit unterstützen wir ausdrücklich. Herzliches Dankeschön dafür an das gesamte Ministerium!
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Im Fall des tschechischen Kernkraftwerkkomplexes Temelin sind die Bayerische Staatsregierung und die Bundesregierung ebenfalls den Weg der bilateralen Gespräche gegangen, um so zum Ausdruck zu bringen, dass bei den Blöcken 1 und 2 des Kernkraftwerkes westeuropäische Sicherheitsstandards eingehalten werden sollten. Jedoch sollten wir nicht den Fehler begehen, als ständige Besserwisser in Europa zu gelten. Dies wäre für eine gemeinsame Linie völlig kontraproduktiv und sicherlich nicht förderlich – das habe ich eben schon gesagt – für unsere gemeinsame Zukunft in der Energiepolitik.
(Beifall des Abg. Steffen Kanitz [CDU/CSU] – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn irgendeiner Besserwisser ist, dann ist das Bayern, zumindest die CSU!)
Liebe Linke, Ihre elf Forderungen stellen einen bunten und unstrukturierten Forderungskatalog dar, in dem Sie wieder Ihre atompolitischen Maximalforderungen auflisten. Die einzelnen Maßnahmen haben inhaltlich wenig miteinander zu tun. Sie verdeutlichen nur wieder, dass die Linke nicht in der Lage ist, europäisch und international Verantwortung zu übernehmen.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sagt eine Partei, deren Chef zu Herrn Orban fährt! Das muss man sich einmal vorstellen!)
– Herr Krischer, ich habe Sie überhaupt nicht angesprochen, aber es ist erstaunlich, dass sich auch die Grünen sofort angesprochen fühlen, wenn es um das Nichtwahrnehmen von Verantwortung für Europa geht.
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da wäre ich als CSU-Abgeordneter auch vorsichtig mit solchen Aussagen! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die CSU Verantwortung für Gesamteuropa? Das ist ja der größte Witz überhaupt!)
Es wäre ein schönes Ostergeschenk gewesen, wenn Sie einen konstruktiven Beitrag zur Lösung der Schwierigkeiten und Probleme gerade bei diesem heiklen und komplexen Thema leisten würden. Ihre Mitarbeit in der Endlagerkommission ist schon ein richtiger Ansatz. Daran sollten Sie sich auch in Zukunft orientieren. Ich bitte sehr darum.
Diesen Antrag können wir nur ablehnen; denn er missachtet politische Realitäten völlig und trägt nicht zur Lösung bei: Die Schwierigkeiten, die uns die Linke hiermit machen würde, wären im europapolitischen Gesamtkontext nicht zu ermessen. Aus all den genannten Gründen lehnen wir den Antrag der Linken ab.
Ein herzliches Vergelts Gott fürs Zuhören und natürlich auch von meiner Seite frohe Ostern.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Als nächster Redner hat Klaus Mindrup für die SPD-Fraktion das Wort.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6680882 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 162 |
Tagesordnungspunkt | Atomausstieg in Europa |