13.05.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 171 / Tagesordnungspunkt 20

Marianne SchiederSPD - Bericht zum Deutschlandstipendium

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Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann das Ergebnis der Evaluation zum Deutschlandstipendium, kurz und knapp zusammengefasst, nicht anders beschreiben als: eigentlich nichts Neues. Alle Vorbehalte gegen diese Form der Studienförderung wurden bestätigt.

(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann schaffen Sie es ab!)

Dennoch stellt der Bericht fest, es gebe keinen Handlungsbedarf für den Gesetzgeber. Lieber Herr Staatssekretär, das sehen wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten anders.

(Veronika Bellmann [CDU/CSU]: Das haben wir gemerkt!)

Gerne möchte ich an einigen Punkten festmachen, wo wir die Schlussfolgerungen aus dem Bericht nicht nachvollziehen können.

So wird beispielsweise festgestellt, dass die meisten Hochschulen kaum Probleme haben, die nötigen privaten Mittel einzuwerben, die für die Kofinanzierung des Stipendiums notwendig sind. So weit, so gut. Aber was ist mit den etwa 10 Prozent der Hochschulen, die sich laut Bericht im Jahre 2014 gar nicht an dem Programm beteiligt haben?

(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Aus ideologischen Gründen wollen die das nicht!)

Steigen die noch ein, oder gibt es da auf Dauer kein Interesse am Deutschlandstipendium? Die vorgelegten Zahlen erwecken jedenfalls nach meinem Dafürhalten nicht den Eindruck, als würde eine flächendeckende Beteiligung aller Hochschulen kurz bevorstehen. Ich meine, dass wir darüber diskutieren müssen, ob wir es hinnehmen wollen, dass öffentliche Mittel zur Verfügung gestellt werden und dass junge Menschen, die eigentlich die Voraussetzungen für dieses Deutschlandstipendium erfüllen könnten, schon allein deswegen nicht in den Genuss dieser Förderung kommen können, weil sich ihre Hochschule nicht am Programm beteiligt.

(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Ja, das liegt an den Hochschulen!)

Weiter heißt es im Bericht: Die Förderquote steigt. – Auch das klingt zunächst einmal ganz gut. Aber bei näherer Betrachtung stellt man fest, dass mit 22 500 Geförderten im Wintersemester 2014/15 lediglich 0,84 Prozent aller Studierenden in den Genuss des Deutschlandstipendiums kamen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen aus den Reihen der Union, ich kann mich noch erinnern, was hier gesagt worden ist, als es mit dem Deutschlandstipendium losging. Da hat die damalige schwarz-gelbe Regierung von mindestens 8 Prozent der Studierenden gesprochen, die gefördert werden sollen.

(Uwe Schummer [CDU/CSU]: Was ist denn Ihr Beitrag, Frau Kollegin?)

Im Koalitionsvertrag haben wir immerhin erreichen können, dass die Zielquote auf 2 Prozent heruntergehandelt wurde. Aber wo sind wir gelandet? Bei nicht einmal 1 Prozent der Studierenden, die in den Genuss dieses Stipendiums kommen. Ein Drittel der für das Deutschlandstipendium bereitgestellten Mittel werden nicht einmal abgerufen. Von ursprünglich 55 Millionen Euro, die eingeplant waren, wurden 31 Millionen Euro ausgegeben. Ich denke, ehrlich gesagt, Erfolgsgeschichten sehen anders aus.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dieses Ergebnis ist weniger ein Anlass, einen positiven Schluss zu ziehen, sondern eher ein Anlass, wirklich darüber nachzudenken, ob dieses Förderinstrument das richtige ist.

(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Was sagen Sie denn den bisher Geförderten? – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lassen Sie es uns gemeinsam abschaffen!)

Das Ganze geht aber noch weiter. Der Bericht spricht wieder von dem viel zu hohen Durchführungsaufwand, der die Hochschulen nicht gerade einlädt, sich an diesem Programm zu beteiligen; auch darüber müssen wir als Gesetzgeber reden.

Über den gesetzlichen Prüfungsauftrag hinaus wurde eine Sozialstudie durchgeführt, um über den sozialen Hintergrund der Stipendiatinnen und Stipendiaten Näheres zu erfahren. Im Großen und Ganzen, so das Ergebnis, entspricht das Bild der Geförderten in seiner sozialen Zusammensetzung dem Bild in der Gesamtstudierendenschaft. Der Anteil von Studierenden mit Migrationshintergrund ist sogar etwas höher.

(Cemile Giousouf [CDU/CSU]: Aha, aha!)

Im Bericht freut man sich auch – hören Sie zu! –:

Die aus dem hohen Anteil der BAföG-Empfänger unter den Stipendiatinnen und Stipendiaten abgeleitete Vermutung, dass das Programm auch sozial benachteiligte Gruppen erreicht, hat sich bestätigt.

Ich frage mich: Ist es ein Anlass zur besonderen Freude, dass mit einem Stipendienprogramm auch sozial benachteiligte Gruppen erreicht werden? Ja, ich will doch hoffen, dass es selbstverständlich ist, dass ein Stipendienproramm gerade auf sozial benachteiligte Gruppen abzielt.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vor allem! – Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Das ist, wie wir eben gehört haben, wohl nicht selbstverständlich!)

Alles andere wäre doch skandalös. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist wieder ein Punkt, an dem man über diesen Bericht diskutieren kann.

(Dr. Stefan Kaufmann [CDU/CSU]: Sie haben es bis heute nicht verstanden, Frau Kollegin!)

– Ich glaube, ich habe ihn besser verstanden als Sie, weil Sie das nicht wahrhaben wollen, und das wider klare Fakten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Der Bericht hebt lobend hervor, dass sich die Hochschulen dank dieser Stipendien besser in der Region und mit der Wirtschaft vernetzen. Die Notwendigkeit der Vernetzung ist überall erkannt. Die Hochschulen sind hier sehr aktiv. Sie treiben die Vernetzung innerhalb der Region und mit der regionalen Wirtschaft wirklich intensiv voran. Dafür möchte ich mich auch bedanken. Aber braucht es dazu ein Deutschlandstipendium?

(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Fragen Sie doch einfach mal diejenigen, die so ein Stipendium bekommen haben! Die werden Ihnen diese Frage schon beantworten! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Ja, natürlich!)

Was bewirkt es denn? Der Bericht fördert in diesem Zusammenhang zutage, dass 65 Prozent der eingeworbenen Mittel aus Unternehmen kommen und zwei Drittel dieser Mittel zweckgebunden vergeben werden. Vergeben werden sie vor allen Dingen in die Bereiche der Ingenieur- und Naturwissenschaften sowie der Mathematik.

(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Das können Sie doch ändern! Übernehmen Sie doch eins! Los, machen Sie mal!)

Aber was ist mit den Geistes- und Gesellschaftswissenschaften und mit dem Lehramt? Wollen wir, dass die Besten gar nicht erst ein Studium in diesen Bereichen aufnehmen, weil sie sehen, dass sie dann kaum eine Chance haben, ein Deutschlandstipendium zu bekommen? Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich kann nicht nachvollziehen – auch wenn Sie sich noch so aufregen –,

(Sven Volmering [CDU/CSU]: Nein, wir sind amüsiert!)

wie Sie nach diesem Bericht zu der Feststellung kommen können, dass es für den Gesetzgeber keinen Handlungsbedarf gibt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich meine, sogar das Gegenteil ist der Fall: Wir haben allen Anlass, wirklich intensiv darüber nachzudenken, ob die bereitgestellten Mittel nicht besser in den Begabtenförderungswerken angelegt wären. Und: Lieber Herr Staatssekretär, Sie können mit uns natürlich immer über den Ausbau des BAföG reden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Das BAföG ist nicht nur ein sozialdemokratisches Erfolgsprojekt, sondern auch das richtige Instrument, um jungen Menschen zu sagen: Auch wenn eure Elternhäuser dazu finanziell nicht in der Lage sind, es gibt verlässliche Rahmenbedingungen, die euch ein Studium ermöglichen.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich hoffe, dass wir über diesen Bericht noch einmal reden und die Zahlen gemeinsam realistisch analysieren können.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und darf Ihnen allen ein schönes Pfingstfest wünschen.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat der Kollege Kai Gehring für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

(Dr. Philipp Lengsfeld [CDU/CSU]: Der Kai muss uns jetzt mal unterstützen! Sonst fühlen wir uns ganz alleine und ein bisschen isoliert in diesem Haus! – Gegenruf des Abg. Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wovon träumst du nachts, Kollege? Du musst doch wissen, dass das nicht passiert!)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6833781
Wahlperiode 18
Sitzung 171
Tagesordnungspunkt Bericht zum Deutschlandstipendium
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