Matthias HeiderCDU/CSU - Transparenz bei der Ministererlaubnis
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Was haben eigentlich die Unternehmen Daimler-Benz, Eon und Edeka gemeinsam? Sie alle sind schon einmal in den Genuss einer Ministererlaubnis gekommen. Daimler-Benz durfte sich im Jahr 1989 mit MBB, einem Luft- und Raumfahrtunternehmen, zusammenschließen. Das Unternehmen Eon konnte im Jahr 2002 mit der Ruhrgas fusionieren. Schließlich hat der Wirtschaftsminister in diesem Jahr entschieden, dass der Handelskonzern Edeka das Unternehmen Kaiser’s Tengelmann übernehmen darf. Über dieses aktuelle Fusionsverfahren haben wir im Wirtschaftsausschuss und in mittlerweile einigen Sitzungen hier in diesem Haus gesprochen. Ich habe wiederholt in der Diskussion auf die Risiken hingewiesen, die mit dieser Entscheidung einhergehen. Aus meiner Sicht sind noch nicht alle Fragen gelöst. Einige sind gerade angesprochen worden: Reicht das Arbeitsplatzargument als alleinige Begründung aus, um erhebliche Wettbewerbsbeschränkungen aufzuwiegen? Ist es sinnvoll, eine solche Erlaubnis vom Wohlwollen Dritter, von den Gewerkschaften, abhängig zu machen? Werden durch die Bedingungen wirklich alle Arbeitsplätze bei Kaiser’s Tengelmann gesichert, oder wird Edeka eigene Arbeitnehmer bei sich entlassen, um die Übernahme möglichst effizient zu gestalten? Diese Fragen müssen noch beantwortet werden. Da warten wir noch auf die Entwicklung, die sich in diesen Wochen erst ganz langsam zeigt.
Generell nehme ich jedenfalls aus diesen Verfahren erst einmal mit: Das Instrument der Ministererlaubnis scheint reformbedürftig zu sein. Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, ist die Aufmerksamkeit, die Sie dieser Regelung zuteilwerden lassen, verdient, auch wenn ich Ihren Lösungsvorschlag nicht teile.
(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn Sie einen anderen haben, diskutieren wir den!)
Das Ministererlaubnisverfahren ist seit seiner Einführung im Jahr 1973 umstritten. Die Ministererlaubnis ist im deutschen Kartellrecht ein Ausnahmeinstrument. Es gibt sie beispielsweise im europäischen Kartellrecht nicht. Der Bundeswirtschaftsminister kann sich durch seine Ministererlaubnis über eine ablehnende Entscheidung des Bundeskartellamtes hinwegsetzen und eine Fusion zweier Unternehmen aufgrund von Vorteilen für das Allgemeinwohl erlauben.
Doch was sind diese Gründe für das Allgemeinwohl? In den 22 Ministererlaubnisverfahren, die seit Einführung des Instruments durchgeführt worden sind, haben sich verschiedene Fallgruppen herausgebildet. So hat der Bundeswirtschaftsminister im Fall von Daimler/MBB eine Ministererlaubnis zur Verbesserung der Privatisierungsmöglichkeiten und aus Gründen des Subventionsabbaus erteilt. Außerdem spielte in dem Verfahren die Sicherung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit eine Rolle. Auch das hat im Verfahren Eon und Ruhrgas eine Rolle gespielt. Schließlich war im Verfahren Edeka/Kaiser’s Tengelmann der ausschlaggebende Grund die Arbeitsplatzsicherung. Neu daran war und ist, dass das Argument der Arbeitsplatzsicherung bisher nicht bei einer Entscheidung als einziger Ausnahmegrund angesehen worden ist.
(Klaus Barthel [SPD]: Das ist doch ein gutes Argument!)
Das Risiko liegt darin, dass dies eine politische Entscheidung ist.
(Lachen bei der SPD und der LINKEN – Michael Schlecht [DIE LINKE]: Das ist doch immer eine politische Entscheidung!)
Das soll heißen: Die Frage, was als Allgemeinwohl angesehen wird, haben verschiedene Wirtschaftsminister in den letzten Jahren natürlich völlig verschieden beantwortet. Das ist das Problem daran. Die Entscheidung des Wirtschaftsministers hat einen zu großen Abstand zu den wettbewerbsrechtlichen Verbotsmerkmalen im Laufe der Jahre bekommen.
Sie, liebe Grüne, schlagen jetzt in Ihrem Antrag zur Begrenzung dieser Unabhängigkeit ein aufschiebendes Veto des Deutschen Bundestages vor. Wenn der Bundeswirtschaftsminister von einem solchen Veto abweichen will, dann soll dies nur mit Zustimmung der Bundesregierung möglich sein. Ich halte den Vorschlag nicht für zielführend; denn die Entscheidung über eine Ministererlaubnis bedarf umfangreicher wettbewerbsrechtlicher Ermittlungen, ausführlicher Informationen, die eingeholt werden müssen, und einer zeitaufwendigen Analyse dieses Sachverhalts.
Eine solche Möglichkeit der Ermittlungs- und Analysetätigkeit hat unser Parlament nicht. Bei Ihrer Argumentation, dass das Parlament die Allgemeinwohlgründe am besten bestimmen könne, verkennen Sie, dass es eigentlich wirtschaftspolitische Gründe sind. Maßgeblich für die Entscheidung über eine Ministererlaubnis ist nicht nur die Beurteilung der Gemeinwohlargumente, sondern vielmehr die Abwägung mit den Wettbewerbswirkungen des Zusammenschlusses.
(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was heißt das jetzt? Soll alles so bleiben, wie es ist?)
Dabei sind entsprechende Merkmale der Marktmacht zu untersuchen; sie sind festzustellen, und sie sind hinterher wieder zu überprüfen. Daher glaube ich nicht, dass ein Veto in einem solchen Verfahren die Entscheidung zu einer besseren machen würde, auch nicht dadurch, dass der Rest der Bundesregierung darin einbezogen wird. Entscheidungsfindungen in dieser Form halte ich nicht für sinnvoll.
(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da bin ich jetzt auf Ihren Vorschlag gespannt!)
Sie würden im Zweifel nur die Entscheidung auf eine andere Ebene heben.
Wir wollen nicht, dass das Parlament exekutives Handeln vornimmt. Das ist Aufgabe der Regierung, die hier zu meiner rechten Seite sitzt, und unsere Verfassung sagt, dass wir das gar nicht dürfen. Aufgabe der Monopolkommission in einem Ministererlaubnisverfahren ist es, ein Gutachten zu erstellen. Das Gutachten enthält neben der Würdigung der vom Bundeskartellamt festgestellten Wettbewerbsbeschränkungen und der Gemeinwohlgründe eine Empfehlung, die an den Minister ausgesprochen wird.
Bisher haben die Gutachten der Monopolkommission keine Bindungswirkung. Das verkennt jedoch den Wert der Arbeit, den diese Kommission leistet. Es sind hochkarätige Mitglieder, die volkswirtschaftliche, betriebswirtschaftliche, sozialpolitische, technologische und wirtschaftsrechtliche Kenntnisse und Erfahrungen mitbringen. Sie sind prädestiniert dafür, den Minister zu beraten, und ihrer Arbeit sollte ein höherer Stellenwert zukommen.
Ich halte es für sinnvoll, die Arbeit der Kommission weiter zu stärken, indem der Bundeswirtschaftsminister seine Ministererlaubnis nur im Einvernehmen mit der Monopolkommission treffen sollte. So würde sichergestellt, dass die Expertise der Mitglieder dieses Gremiums auch Gewicht hat. Zudem ersparen wir dem Minister, dass er im Kreuzfeuer der Kritik steht, wenn die Entscheidung nicht so ausgeht, wie sich viele das vielleicht vorgestellt haben.
Der Rücktritt des ehemaligen Vorsitzenden der Monopolkommission Professor Zimmer spricht Bände. Das zeigt auch, dass in dem Gremium der Monopolkommission nicht nur Unmut, sondern auch Unverständnis über diese Entscheidung herrscht. Das ist nachvollziehbar, zumal es nicht das erste Mal gewesen ist, dass ein Bundeswirtschaftsminister so entschieden hat. In den neuen Verfahren, in denen der jeweilige Wirtschaftsminister eine Ministererlaubnis erteilt hat, ist er nur in drei Fällen den Empfehlungen der Monopolkommission gefolgt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, wir können heute eines feststellen: Die Reform der Ministererlaubnis steht nach vielen Jahrzehnten an. Lassen Sie uns die Diskussion darüber in den Beratungen über die anstehende neunte Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen führen.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU – Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eine Frage!)
Er war schon fertig. – Danke schön. – Der nächste Redner ist der Kollege Michael Schlecht, Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6889305 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 173 |
Tagesordnungspunkt | Transparenz bei der Ministererlaubnis |